Süddeutsche Zeitung

Leerstand:Ein Spiel auf Zeit

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Welche Absichten verfolgt der Freistaat, dass er in Hartmannshofen zwei ehemalige Erbpacht-Häuser ungenutzt lässt?

Von Anita Naujokat

Die Hartmannshofener Erbpächter sitzen auf goldenem Boden. Kleine, manchmal schon fast hundert Jahre alte Ein- oder Zweifamilienhäuser stehen auf teils riesigen Grundstücken, die mit ihren großen, alten Bäumen schon beinahe Privatparks sind. Was könnte da ein finanzkräftiger Investor nicht alles damit anstellen? Grund in Hülle und Fülle, der in München immer knapper und teurer wird, auf den weit mehr als nur ein einziges Ein- oder Zweifamilienhäuschen passen würde. Das alles weiß natürlich auch die Immobilienverwaltung des Freistaats Bayern, dem die Erbbaugrundstücke gehören.

Zwölf davon sind in Hartmannshofen frei geworden, stehen leer und sollen "zeitnah verwertet" werden, wie die staatliche Immobilienverwaltung das ausdrückt. Die SPD-Fraktion des örtlichen Bezirksausschusses kritisiert jahrelangen Leerstand und bezweifelt offen, dass der Freistaat überhaupt ein Interesse daran hat, die Grundstücke derzeit zu vermarkten. Böse Zungen behaupten gar, er halte die Areale bewusst zurück, um sie später noch gewinnbringender verkaufen zu können. Pokert ausgerechnet die öffentliche Hand mit dringend benötigtem Wohnraum um Zeit? Der Freistaat als Spekulant?

Der würde natürlich sofort damit kontern, dass ihm Zeit sowieso nichts bringe. Schließlich hat die Stadt München vor gerade einmal neun Jahren einen rechtskräftigen Bebauungsplan für das Gebiet erlassen, der das Baurecht stark einschränkt. Er erlaubt nur kleine Häuser, auch auf den großen Grundstücken. Keine Frage, dass man sich deswegen bestimmt schon jetzt schwer genug tun müsste, den Grund überhaupt loszuschlagen. Dazu passt allerdings überhaupt nicht, dass laut SPD Kauf-, Miet- und Erbpachtanfragen von Interessenten bislang nur negativ beschieden worden sein sollen.

Vor Kurzem hat die SPD-Stadtratsfraktion eine Wohnbauoffensive gestartet. Zugunsten von mehr Wohnungsbau in kürzerer Zeit fordert sie, die Auflagen im Münchner Wohnungsbau kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls zu reduzieren sowie die Bebauungsdichte verträglich zu erhöhen. Zwar ist zunächst nur von einem künftigen "Muster-Bebauungsplan" und Geschosswohnungsbau die Rede, aber auch von einer besseren Nutzung vorhandener Flächen. Aber wer sagt, dass nicht auch ein bereits bestehender Bebauungsplan mal eben schnell geändert werden kann, wenn man das unter dem Stichwort "Wohnungsnot" verkauft. Das dürfte auch der Freistaat wissen. Hartmannshofen wird noch einige Begehrlichkeiten wecken.

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Quelle:
SZ vom 07.01.2016
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