Lebensmittelpreise:"Die Kühe, die verliebt ins Alpenpanorama schauen, kann sich niemand leisten"

Studie zu Lebensmittelpreisen

Die wahren Kosten für tierische Lebensmittel sind weitaus höher als der Ladenpreis.

(Foto: dpa)

Lebensmittel sind viel zu billig: Eine Studie der Uni Augsburg zeigt versteckte Kosten auf - und wirbt für Bionahrung.

Von Franz Kotteder

Viele Menschen finden ja, dass Lebensmittel zu teuer sind. Dabei sind sie in Wahrheit sogar viel zu billig. Weil eine ganze Reihe versteckter Kosten nicht auf die Erzeuger- und Ladenpreise umgelegt werden, sondern von der Allgemeinheit übernommen werden müssen. Man kennt das aus den Vergleichen zwischen den Kosten für Individualverkehr und Autobussen oder Bahnen. Erstaunlich ist nur, dass solche Rechnungen bisher kaum für Lebensmittel aufgemacht wurden.

Der Münchner Festivalveranstalter Tollwood und die Schweisfurth-Stiftung, die sich das Werben für eine nachhaltige, ökologische Landwirtschaft zum Ziel gesetzt hat, haben diese Lücke jetzt geschlossen. Gemeinsam haben sie die Studie "How much is the dish? - Was kosten unsere Lebensmittel wirklich?" finanziert.

Die 39-seitige Untersuchung entstand an der Uni Augsburg im Institut für Materials Resource Management, die beiden Autoren sind Tobias Gaugler und Amelie Michalke, deren Forschungsschwerpunkt das nachhaltige Management von Agrar-Rohstoffen darstellt. Ihre Arbeit ist laut Stephanie Weigel von der Tollwood-Abteilung "Mensch und Umwelt" eine der ersten, die sich konkret mit den Schadenskosten befasst.

Am Dienstag stellte Tobias Gaugler die Ergebnisse in der Schweisfurth-Stiftung vor. Untersucht wurden jeweils Lebensmittel tierischer und pflanzlicher Herkunft sowie Milchprodukte, und zwar sowohl aus konventioneller als auch aus ökologischer Erzeugung. Umweltbelastungen treten bei der Landwirtschaft immer auf, allerdings in unterschiedlicher Ausprägung. Die sogenannten Schadkosten sind in die aktuellen Marktpreise nicht einbezogen, man bezeichnet sie deshalb als "externe Effekte" oder als Folgekosten. "Wir haben diese Folgekosten in unserer Untersuchung, bezogen auf das Referenzjahr 2016, anhand von drei Umweltfolgen quantifiziert und berechnet", so Gaugler.

Die drei Parameter waren Stickstoff, Treibhausgase und Energieerzeugung. Diese drei Faktoren haben vor allem zu tun mit der Erzeugung von Stickstoffdünger und Futter, mit den Schäden, die sie in der Umwelt verursachen und die behoben werden müssen, mit der Weiterverarbeitung und dem Transport der Lebensmittel. Tatsächlich gibt es noch eine Fülle weiterer Faktoren, die in der Studie jedoch aus Kapazitätsgründen nicht näher untersucht werden konnten, die aber genauso zur "Preis- und Marktverzerrung" (Gaugler) beitragen.

Das Ergebnis ist erschreckend genug, auch wenn es weitgehend vorhersehbar war. Die konventionelle, industrialisierte Landwirtschaft erzeugt demnach bei weitem die meisten versteckten Kosten. So müsste das konventionell erzeugte Fleisch in etwa das Dreifache dessen kosten, was man an der Ladentheke dafür ausgibt. Auch die Milch ist eigentlich das Doppelte wert. Am günstigsten kommen immer noch die pflanzlichen Lebensmittel weg, für sie müsste man in Wahrheit nur ein knappes Drittel mehr zahlen. Werden Lebensmittel auf biologische Weise erzeugt, so hat man es zwar auch mit versteckten Kosten zu tun, dafür aber mit deutlich niedrigeren. Fleisch müsste um 80 Prozent teurer sein, Milch um ein Drittel, Pflanzen nur um sechs Prozent.

Für Stephanie Weigel von Tollwood belegt die Studie, "dass wir es schon richtig gemacht haben, als wir unsere Festival-Gastronomie vor 15 Jahren auf Bio umgestellt haben". Längerfristig gehe es darum, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen: "Die Kühe, die verliebt ins Alpenpanorama schauen, kann sich in Wirklichkeit niemand leisten."

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