Lebensmittel:Eine Party gegen die Verschwendung

Lebensmittel: Aussortiertes aus neun Münchner Supermärkten wird bei der Aktion geschnitten, verkocht und gemeinsam verzehrt.

Aussortiertes aus neun Münchner Supermärkten wird bei der Aktion geschnitten, verkocht und gemeinsam verzehrt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Jeder Münchner wirft jährlich im Schnitt 82 Kilo Lebensmittel weg- deshalb gab es jetzt am Stachus eine Schnibbelparty.

Von Pia Ratzesberger

Auch auf einer Party muss man sich ja manchmal an Regeln halten, deshalb haben sie sich dünne Hauben über das Haar gezogen, weiße Schürzen umgebunden, die Finger in Handschuhe gesteckt. Sie sehen so aus, als könnten sie gleich an ein Fließband treten, in irgendeiner großen Fabrik, die in Massen produziert, die Richtlinien würden sie mit ihrer Schutzkleidung wahrscheinlich erfüllen. Doch genau das wollen die paar Dutzend Leute, die hier am Samstagnachmittag am Karlsplatz auf den Bänken sitzen, eben nicht: Masse. Überfluss. Verschwendung.

Sie zerschneiden Kürbisse und Gurken, um zu zeigen, dass all die Lebensmittel, die Mitarbeiter eines Supermarkts nach Ladenschluss eigentlich in die Müllcontainer schütten müssten, noch immer schmackhaft sind. Allein jeder Münchner wirft im Schnitt jährlich etwa 82 Kilo Lebensmittel weg, heißt es beim städtischen Abfallwirtschaftsbetrieb. Man stelle sich eine dieser großen Mülltonnen vor: ungefähr so viel Essen kauft jeder ein, nur um es wieder zu entsorgen.

In großen Töpfen also wird das gerettete Gemüse heute zu Eintopf verkocht, an die Passanten verteilt, auch Passanten sind es, die hier mit an den Schneidebrettern sitzen. Möglichst viele sollen erfahren, wie viel Essen verschwendet wird, unbedacht. Noch immer nämlich verstünden zu wenige, dass man auch Gemüse mit Flecken und Dellen essen könne, sagt Miriam Kronester von der Initiative Foodsharing. Gerade in München, einer so wohlhabenden Stadt, höre sie oft: "Ach, Ihr holt das Essen aus den Supermärkten für die Bedürftigen ab, oder?" Kronester sagt dann: nein, für alle. Warum bitte sollten nur Leute mit wenig Geld unförmiges Gemüse essen?

An diesem Nachmittag haben sie und ihre Kollegen Aussortiertes aus neun Münchner Supermärkten herangekarrt, eingeladen haben zu dieser "Schnibbelparty" mehrere Münchner Organisationen, unter anderem der Kreisjugendring München Stadt, die Initiative Green City, Oui Share, Rehab Republic und eben Foodsharing. Letztere beide organisieren im Innenhof der Glockenbachwerkstatt immer wieder solche Abende, die Aktion am Stachus aber nennen sie die "bisher größte Schnibbelparty Münchens."

Auch wenn diese Party erst einmal einen gar nicht so großen Eindruck macht mit ihren vier Bänken für die Hilfsköche - am Ende des Abends, gegen neun Uhr, werden immerhin mehr als 100 Leute Gemüse gehackt haben, vielleicht werden diese künftig auch ein wenig mehr darauf achten, was sie wann einkaufen und was sie wann verkochen sollten.

Etwa 20 Prozent des gesamten Abfalls in dieser Stadt machen Lebensmittel aus. Da ist natürlich auch wirklich Verdorbenes dabei, aber eben auch so manches noch Verzehrbares. Die Leute seien ja selbst Schuld, sagt Günther Langer von der Abfallwirtschaft, die zahlten im schlimmsten Fall sogar dreimal: als erstes für das Essen. Dann für die Müllgebühr. Und auch noch für den Strom und die Wärme, die Münchner Kraftwerke aus dem Abfall in den Biogasanlagen erzeugen. "Der beste Müll ist der, der erst gar nicht entsteht", findet man selbst bei der Abfallwirtschaft.

In der Stadt sind genau deshalb jeden Tag selbst ernannte Lebensmittelretter unterwegs, Kronester und ihre mehr als 150 Kollegen von Food-sharing fahren immer wieder zu Bäckereien und Gemüsehändlern, zu Bioläden und Discountern, holen übrig gebliebene Lebensmittel ab und verteilen sie über die Internetplattform Foodsharing.de. Insgesamt habe man so in ganz Deutschland bereits mehr als fünf Millionen Kilogramm Lebensmittel vor der Tonne gerettet - in München sind es bisher 212 000 Kilogramm.

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