Lebensart in München:Hauptstadt der Weinseligkeit

Die Bierkapitale bandelt mit dem Wein an. Und das schon von Anbeginn an. Wir haben acht Indizien für die heimliche Affäre.

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Marienplatz um 1900, oh

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Die Bierkapitale bandelt mit dem Wein an. Und das schon von Anbeginn an. Wir haben acht Indizien für die heimliche Affäre.

Am Anfang war der Wein. Als am 14. Juni 1158 München erstmals erwähnt und damit der Beginn der Stadt markiert wurde, gestand Kaiser Friedrich Barbarossa dem Ort das Marktrecht zu. Den dazugehörenden Handelsplatz gab es bereits: Er war ein Weinmarkt.

Zumindest an einem Tag der Woche wurde auf diesem Markt - heute befindet sich dort der Marienplatz - ausschließlich um den Rebensaft gefeilscht. Denn Bierstadt hin oder her - im Mittelalter war der Wein das Lieblingsgetränk der Münchner.

Foto: oh

Texte: Berit Uhlmann

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Nun, als München das Marktrecht hatte, erblühte der Weinhandel und die Stadt war jahrhundertelang der wichtigste Weinumschlagplatz Süddeutschlands. Davon zeugt nicht zuletzt die Weinstraße, die um 1353 gleich um die Ecke vom Marienplatz entstand. Heute haben sich einige wichtige Gebäude der Stadt an der Weinstraße angesiedelt - zuletzt die Fünf Höfe.

An diesem Punkt fragt man sich, wo denn eigentlich Münchens Bierstraße ist? Die bittere Wahrheit ist, dass unter den mehr als 6000 Straßen der Metropole, die nach Schindern und Schimmel, nach Schnecken und selbst nach Schneewittchen benannt sind, keine einzige dem Bier gewidmet ist.

Mit viel gutem Willen könnte man die Bräuhausstraße in der Altstadt anführen, in diesem Fall aber müssten wohl auch Münchens Weinbauernstraße und Weinschenkstraße gelten und es würde gleich deutlich: Was die Wertschätzung Münchens für den Gerstensaft anbelangt, ist längst Hopfen und Malz verloren.

Foto: Stephan Rumpf

Oktoberfestzelt

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Bierernst zu nehmen ist es nicht, wenn behauptet wird, 1810 sei auf der Theresienwiese das weltgrößte Bierfest aus der Taufe gehoben worden. Denn die ersten Jahrgänge des Oktoberfestes hatten einen bedenklichen Schönheitsfehler: Ihnen fehlte das Bier.

Die großen Brauereizelte wurden erst ab 1896 auf die Wiesn gepflockt, zu einer Zeit, als der Weinausschank längst florierte. Die Kasse der "Pfälzischen Weinbude" beispielsweise muss 1887 gut gefüllt gewesen sein, denn als die Bude damals Feuer fing, stürzte sich ihr Besitzer in die Flammen, um die Geldkassette zu retten. Es kostete ihn das Leben.

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Franz Xaver Kugler

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1922 - so will es die Legende - erfand ein Münchner Gleisbauer das Radler. Und man darf spekulieren, dass er damit zum Untergang des Gerstengetränkes mit beitrug. Franz Xaver Kugler hatte seinen Arbeiterjob aufgegeben und war erfolgreich in den Bierausschank eingestiegen. Eines Nachmittags anno 1922 sollen in seiner "Kugler-Alm" Tausende Ausflügler per Rad eingekehrt sein. Das Bier ging zur Neige, der Wirt streckte es mit Zitronenlimonade und verkaufte es als eigens für die Ausflügler kreierte "Radler-Maß".

Heute gibt es fast nichts, was nicht ins Bier gerührt wird, Kirschsaft, Limettenjuice, Erdbeermark, Milchsäure; Honig ... Kein Wunder, dass der Bierabsatz kontinuierlich abnimmt. Die Weinindustrie dagegen stößt Jahr für Jahr auf steigende Umsätze an.

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Kir Royal

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In den 80er Jahren feierte sich München in einer mittlerweile Kult gewordenen Fernsehserie. Allein: Hipp war in der Schickeria nicht das oberbayerische Untergärige, sondern der "Kir Royal", der als Sektgetränk dem Wein viel näher steht als dem Bier.

Foto: Cartier schmückt seine Filiale mit Aufnahmen aus der Serie/Catherina Hess

Paula Bosch

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Eine Frau war es, die ganz wesentlich dazu beitrug, die Bundesbürger in Sachen degustieren und decantieren aufzuklären. "Deutschlands bekannteste Sommelière" arbeitet nun aber nicht an Rhein und Mosel, sondern - wie kann es anders sein - in der Weinstadt München. Paula Bosch wurde 1991 vom "Tantris" engagiert und ist dort immer noch verantwortlich für den 50.000 bis 60.000 Flaschen umfassenden Weinkeller.

Foto: oh

Weinwelt München

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Die deutsche Weinindustrie hat in ihren Statistiken geblättert und darin München als Deutschlands Weinhauptstadt erkannt. Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von über 40 Litern im Jahr trinken die Münchner deutlich mehr Weißen und Roten als der Bundesdurchschnitt (24 Liter pro Kopf) und können bald den Italienern (49 Liter pro Kopf) das Wasser - oder besser den Wein reichen.

Foto: Andreas Heddergott

Weinwelt München

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Und wer es immer noch nicht an Münchens Weinseligkeit glaubt, sollte der Liason im Netz nachspüren. Die Verbindung München und Wein ergibt bei der Suchmaschine Google 596.000 Einträge; München und Bier bringt es nur auf 511.000.

Foto: Weinwelt München (Text: sueddeutsche.de/Berit Uhlmann/sonn)

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