"Lebendiges Denkmal":Offene Bühne

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Der Kopfbau in der Messestadt Riem soll zur Plattform für kulturelle und soziale Experimente werden. Eine Gruppe um Michael Lapper und das Bürgerforum legen Ideen vor

Von Johannes Korsche, Messestadt Riem

In den kommenden fünf Jahren steht im Kopfbau in der Messestadt Riem eine "Experimentierphase" an, sagt Jennifer Becker vom Kulturreferat. Während dieser Zeit sollen möglichst viele unterschiedliche Aktionen dort stattfinden: Ausstellungen, Tanz, Lesungen - Künstler wie Bürgerinitiativen könnten den lange leer stehenden alten Flughafenbau bespielen. Der Kopfbau soll ein Ort zum Ausprobieren werden. "Es gibt eine ganz große Offenheit", betont Becker. Nach dem "Buttom-up-Prinzip" soll dort aus dem Viertel etwas entstehen, sagt Becker. Einen Raum zum Experimentieren, das gebe es in München "viel zu selten", groß "reinkuratieren" werde das Kulturreferat dementsprechend nicht, kündigt Becker an. Wohl aber sehr genau beobachten, was sich dort entwickelt und was erfolgreich ist. Dabei gehe es nicht nur um Besucherzahlen, sondern auch um das Konzept und dessen Entwicklung. Für diese Experimentierphase brauche es zudem keinen Beschluss des Stadtrats, da sie das aus laufenden Mitteln stemmen können, so Becker.

Einige "ganz interessante Aspekte" finden sich beispielsweise in dem, was die "Kopfbaut-Gruppe" um Michael Lapper gemeinsam mit dem Bürgerforum Messestadt im kommenden Sommer vorhat, sagt Becker. Die Gruppe um Lapper hat bereits in den vergangenen Jahren den Kopfbau wieder aus der Versenkung geholt. Auch für den kommenden Sommer hat sich Lapper schon etwas überlegt, was der Bezirksausschuss bereits unterstützt. Der Kopfbau ist "das letzte historische Gebäude im Stadtviertel, das erzählen kann, was war", sagt Lapper. Einst war das Gebäude Teil des Flughafens in Riem, der im Jahr 1939 eröffnete. Damals diente es als Kassenhaus der Zuschauertribüne. Während des Zweiten Weltkriegs wurden Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau für Aufräumarbeiten nach Riem geschickt, im April 1945 waren dort mehr als 1500 Häftlinge festgehalten. Bei Luftangriffen auf den Flughafen brachte sich die SS-Lagermannschaft in Sicherheit, die Häftlinge wurden ihrem Schicksal überlassen. "Unsäglich" ist, was damals geschah, sagt Lapper. Der Kopfbau soll deswegen langfristig auch ein "lebendiges Denkmal" werden, findet er. In diesem Sommer will Lapper "wahrscheinlich mit Projektionen" auf das KZ-Außenlager hinweisen. Auf einer Internetseite, so die Idee der Kopfbaut-Gruppe, könnten Besucher mehr Hintergründe dazu erfahren.

Im Kopfbau der Besuchertribüne des ehemaligen Flughafens Riem soll sich künftig möglichst viel abspielen. Zu sehen ist hier die Kunstinstallation "House of the young ghost". (Foto: Michael Heinrich)

Mit diesem Bewusstsein für die Vergangenheit, "wollen wir herausbekommen, was dort möglich sein kann." Der Kopfbau könnte ein "Bindeglied zwischen Geschichte und Zukunft" werden. Schüler-Workshops zur Stadt und Messestadt der Zukunft, Lesungen der Stadtbibliothek und das Münchner Tanzfestival Rodeo - all das kann sich Lapper im Kopfbau vorstellen. Der ehemalige Flughafen böte sich auch dafür an, um thematisch an Fragen der Mobilität anzuknüpfen. Der umliegende Riemer Park könne zum Beispiel zum Nachdenken anregen, ob man unbedingt "in der Weltgeschichte rumfliegen muss", sagt Lapper und schiebt "zumindest nicht drei Mal im Jahr" hinterher. In dem "großen gemeinsamen Garten", dem Riemer Park mit seinem vielen Grün - noch dazu in einem ehemaligen Flughafen-Gebäude - könne man sich ja schließlich auch gut erholen.

Außerdem sei die Messestadt zwar mit vielen guten stadtplanerischen Ansätzen ambitioniert geplant, aber es gebe trotzdem in Deutschland Dutzende Viertel, die genauso aussehen. Wie in solchen Neubauvierteln eine eigene Identität entsteht, da hat die "Messestadt 20 Jahre Erfahrung".

Brigitte Sowa vom Bürgerforum Messestadt hat die Hoffnung, dass der Kopfbau ein "neues Herzstück für den Osten der Messestadt werden kann". Schließlich sei er wesentlich charmanter als andere Plätze im Viertel. Zudem, so argumentiert sie, sieht der dort gültige Bebauungsplan eine bürgerschaftliche und kulturelle Nutzung vor. Das Bürgerforum werde Lapper beim Organisatorischen unterstützen, kündigt sie an. Zunächst sei nun der Erhalt und die Renovierung des Gebäudes sehr wichtig.

Auch, um das Innere im Kopfbau überhaupt betreten zu dürfen. Das war in den vergangenen Jahren nicht möglich, weil es vor sich hin schimmelte. Derzeit lüftet das Kommunalreferat, was "erfolgversprechend" sei, wie Birgit Unterhuber vom Referat sagt. Damit dauerhaft keine Feuchtigkeit mehr ins Gebäude kommt, "müssen grundlegende Sanierungsmaßnahmen beauftragt werden". Derzeit erarbeitet das Kommunalreferat eine entsprechende Vorlage, die Anfang März in den Stadtrat kommen soll. Darin werde auch vorgeschlagen, den Kopfbau dem Sozialreferat zu übergeben. Die kommenden fünf Jahre könnten spannend werden, im Kopfbau.

© SZ vom 11.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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