Süddeutsche Zeitung

Leben in der Stadt:Was an München nervt

Lesezeit: 5 Min.

Die Wirtschaftskraft, die Lebensqualität, der Fußball: München liegt in vielen Ranglisten weit vorn. Aber in einigen Bereichen schneidet es auch ziemlich schlecht ab.

Von Sebastian Krass

München ist eine Stadt mit gutem Ruf. München ist beliebt bei Touristen aus Deutschland und aus aller Welt. Die Wirtschaftskraft ist enorm und dementsprechend gut sind die Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Hochschulen sind ausgezeichnet. Einer der besten Fußballklubs spielt in der Stadt. Alles super also? Nein, es gibt in München auch einiges, worüber die Einwohner sich ärgern, worunter sie leiden - und bei denen die Stadt im Vergleich mit anderen deutschen Orten ziemlich schlecht aussieht.

Wenig Platz für viele Menschen

Wer an einem schönen Tag im Sommer in der Stadt einen ruhigen Ort finden will, um sich zu entspannen, der muss sich gut auskennen. Isar, Englischer Garten, Viktualienmarkt, überall Menschenmengen. Das liegt auch daran, dass München eine sehr hohe Bevölkerungsdichte hat. Die aktuellsten Vergleichszahlen basieren auf dem Zensus 2011, damals hatte München noch 1,45 Millionen Einwohner, pro Quadratkilometer waren das 4668 Münchner.

Zum Vergleich die nächstfolgenden Städte in diesem Ranking: Berlin mit 3948 Einwohnern pro Quadratkilometer, Stuttgart mit 3008, Frankfurt mit 2951. Man muss dazu sagen: In München sind die Stadtgrenzen historisch relativ eng gezogen, auch das ist ein Grund für die hohe Bevölkerungsdichte. Seit dem Zensus ist die Stadt weiter kräftig gewachsen, 1,54 Millionen Einwohner wohnten im Frühjahr 2017 in München, die räumlichen Grenzen aber blieben unverändert. Zudem hat die Stadt im Frühjahr ihre Prognose zur Einwohnerzahl deutlich nach oben korrigiert. Im Jahr 2030 werden demnach 1,8 Millionen Menschen in der Stadt leben. Ob es dann noch hilft, sich gut auszukennen?

Eine grüne Stadt? Nun ja

Im Vergleich der 14 größten deutschen Städte liegt München bei der Grünfläche, also dem Anteil der bepflanzten Fläche, auf Platz zwölf. 49,9 Prozent der Stadt sind demnach nicht bebaut, sondern bepflanzt. Weniger ist es nur in Nürnberg und Leipzig. Am grünsten schneidet bei einem Vergleich Hamburg mit 71,4 Prozent ab. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest die Berliner Morgenpost nach einer Auswertung von Satellitenbildern. Dabei sind neben öffentlichen Grünflächen und Feldern auch Grünflächen auf Privatgrundstücken berücksichtigt. Aber hey, München hat doch den Englischen Garten! Tatsächlich relativiert sich der Eindruck beim Blick auf eine weitere Rangliste, nämlich nach Anteil der Grünanlagen und Erholungsflächen, ohne Wälder und Privatgrundstücke. Da liegt München mit einem Wert von 11,7 Prozent auf dem sechsten Platz von 25 Städten.

München ist teuer, auch für Besucher

München ist enorm beliebt bei Touristen. Aber wer nur mal zu Besuch kommt, muss sich damit abfinden, dass es nicht ganz billig wird: Nach einer Erhebung des Hotelbuchungsportals HRS kostet ein Hotelzimmer in München durchschnittlich 110 Euro, Platz eins unter den beliebtesten Reisestädten in Deutschland. Auf Platz zwei folgt Hamburg mit 104 Euro. In Dresden sind es 80 Euro. Und für die hohen Preise bekommen Hotelkunden offenbar nicht einmal einen Service, den sie angemessen finden. Jedenfalls liegt München auch beim Preis-Leistungs-Verhältnis auf dem letzten Platz, wenn man Erhebungen von Internetvergleichsportalen wie hotel.de und Check 24 Glauben schenken will.

München ist die Hauptstadt des Stillstands im Auto. In keiner deutschen Großstadt stehen die Menschen so lange im Stau. Der US-amerikanische Verkehrsdatenanbieter Inrix berichtet, ein durchschnittlicher Münchner Autofahrer verbringe 49 Stunden im Jahr mit Warten, dass es weitergeht. Und wenn Stau ist, dann auch richtig: Nirgendwo kriechen die Autos langsamer als in München. Dazu passt, dass die Dichte an Autos in München sehr hoch ist: 491 Autos kommen auf 1000 Einwohner. Nur in Düsseldorf sind es noch mehr, nämlich 492. Zum Stichtag 31. Dezember 2016 waren in München 709 555 Pkw zugelassen, fast 50 000 mehr als vor fünf Jahren. Die Zahl entspricht ungefähr dem Bevölkerungswachstum.

Wenn Wohnen ein Vermögen kostet

30 Quadratmeter, Einbauküche, nahe an der Uni: 634 Euro Warmmiete. Diesen Wert hat das Institut der Deutschen Wirtschaft im Frühjahr publiziert. Der Preis für eine solche typische Studentenbude ist in den vergangenen sechs Jahren um 30 Prozent gestiegen. Damit verteidigt München wieder einmal einen Spitzenplatz als die teuerste deutsche Stadt zum Wohnen. Man könnte auch die Durchschnittsmiete nach dem aktuellen Mietspiegel anführen: 11,23 Euro pro Quadratmeter (kalt), das sind 4,7 Prozent mehr als 2015. Oder den vom Maklerverband IVD ermittelten Kaufpreis für ein bestehendes Einfamilienhaus mit mittlerem Wohnwert: 840 000 Euro. Auf Platz zwei liegt Stuttgart mit 595 000 Euro.

Wie man es dreht und wendet: München muss man sich leisten können. Wie der Zuzug zeigt, können das viele. Aber viele können es eben auch nicht mehr, vor allem nicht in einer halbwegs zentralen Lage. Die Kosten fürs Wohnen sind nicht nur ein Dauerthema in Kantinen, Bars und am Esstisch zu Hause. Sie befördern auch die soziale Segregation und machen die Stadt damit langweiliger.

Zu viele Schadstoffe in der Luft

Die Luft in München ist schlecht. In einem "Städteranking zur nachhaltigen Mobilität", das Greenpeace veröffentlicht hat, schneidet München mit dem zweithöchsten Wert bei der Belastung mit Stickstoffdioxid (NO₂) ab, noch schlechter ist nur Stuttgart. Der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel wird in München regelmäßig weit überschritten, zuletzt wurden 46 Mikrogramm registriert. Den Spitzenwert in München hat das Umweltbundesamt im Jahr 2015 an der Landshuter Allee mit einem Jahresmittel von 84 Mikrogramm gemessen, der zweithöchste Wert von 500 Messstationen im Bundesgebiet. Am Stachus waren es 64 Mikrogramm.

NO₂ ist der giftigste Stoff in Autoabgasen. Er ist schädlich für die Atemwege und kann Herz-und Kreislaufprobleme verursachen. Für unbedenklich hält die Weltgesundheitsorganisation WHO einen Wert von 20 Mikrogramm. Weil die Luft in München so belastet ist, müssten Stadt und Freistaat noch in diesem Jahr ein Konzept für Diesel-Fahrverbote ausarbeiten. Doch ob solche Fahrverbote überhaupt rechtens sind, entscheidet sich in einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

München ist die mit Abstand größte deutsche Stadt, in der man nur bis 20 Uhr einkaufen gehen kann. Die Stadt selbst könnte das allerdings gar nicht ändern, selbst wenn sie wollte. Sie ist da an die Politik der Staatsregierung gebunden. Für Nürnberg und alle anderen bayerischen Städte und Gemeinden gilt das also auch. Es gibt nur ein Bundesland, das genauso streng ist: das Saarland. Und in Thüringen und Sachsen-Anhalt müssen die Geschäfte zumindest samstags um 20 Uhr schließen. Für viele Münchner, insbesondere Zugezogene sind die Ladenöffnungszeiten ein Ärgernis.

Verfechter der geltenden Regelung verweisen hingegen auf die Angestellten im Einzelhandel und deren Familien, die es zu schützen gelte. Was also tun, wenn nach Feierabend um 20.15 Uhr noch ein Salat und ein paar Bananen her sollen? Die Möglichkeit mit der größten Auswahl bietet sich im Hauptbahnhof. Dort gibt es ein paar Geschäfte mit frischen Lebensmitteln, die nicht an die üblichen Ladenschlussregeln gebunden sind. Inzwischen bieten auch Tankstellen rund um die Uhr frische Lebensmittel an.

Wartezeiten bei den Behörden

Ein normaler Wochentag, es schüttet, es ist windig und ungemütlich. Um kurz vor halb acht drückt sich eine Menschenschlange an die Mauer des Hauses Orleansstraße 50. Es sind Dutzende Menschen, die Schlange geht einmal um die Ecke. Gleich macht das Bürgerbüro des Kreisverwaltungsreferats auf. Dann haben die Menschen es wenigstens warm und trocken - wenn sie auf Anhieb reinkommen. Man kennt die Geschichten von den überlasteten Behörden aus Berlin, aber auch in München kann man viele Stunden seines Lebens beim Warten auf eine Behörden-Dienstleistung verbringen. Entsprechend negativ fallen die Bewertungen im Internet aus, die Urteile bei Google seien im bundesweiten Vergleich ein ziemlich schlechter Wert, vermeldete jüngst ein Internetvergleichsportal.

Die Gründe für die Misere sind vielfältig: das Bevölkerungswachstum, Probleme, neues Behördenpersonal zu finden, Schwierigkeiten mit der EDV. Ein Münchner Start-up versucht, aus den Wartezeiten ein Geschäft zu machen, indem es gegen Gebühr den Behördengang erledigt. Um die Situation mittelfristig zu verbessern, wird in den nächsten Jahren das KVR-Hauptgebäude umgebaut und erweitert. Die Einschränkungen für die Kundschaft sollen sich während der Bauarbeiten in Grenzen halten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3534679
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.06.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.