Süddeutsche Zeitung

Lauschangriff:Spione unterm Kirchendach

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Der Bundesnachrichtendienst soll von den Türmen der Frauenkirche aus Agenten und Diplomaten bespitzelt haben

Die Türme der Frauenkirche sind das Gardemaß der Münchner Architektur. Der Nordturm misst 98,57 Meter, der Südturm 98,45. Höher, das beschloss eine knappe Mehrheit bei einem Bürgerentscheid 2004, solle in der Stadt kein Gebäude emporragen. Dem Bundesnachrichtendienst (BND) kam das offenbar gerade recht, hatte er doch von den einsamen Backsteinstengeln aus einen wunderbaren Empfang: Einem Bericht des Spiegel zufolge nutzte der Geheimdienst die Türme des Doms für das Beschatten von Spionen oder ausländischen Diplomaten. Die Kathedralkirche des Erzbischofs wurde demnach jahrelang für allzu weltliche Zwecke instrumentalisiert.

Geheimdienstmitarbeiter sollen Sende- und Empfangsanlagen in die Glockentürme eingebaut haben, schreibt der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe. Die Agenten hätten so während einer Observation Funkverkehr untereinander und mit der Zentrale in Pullach halten können. Der Einbau sei bereits vor dem Mauerfall 1989 erfolgt, mittlerweile greife der BND "wohl nicht mehr" auf die Anlage zurück, hieß es.

Das Magazin zitiert zudem einen "BND-Veteranen" mit den Angaben, dass auch eine "weitere Behörde" das berühmte Gotteshaus für Beschattungen genutzt habe und dies möglicherweise heute noch tue. Gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) bestätigte Domdekan Lorenz Wolf als Hausherr der Kathedrale, dass sich im Nordturm "diverse technische Einrichtungen verschiedener Organisationen" befänden. Zur Arbeit des BND könne aber nur dieser selbst Auskunft geben.

Auf eine entsprechende Anfrage reagiert der Geheimdienst so, wie es Geheimdienste eben tun: mit Geheimhaltung. "Zu operativen Aspekten seiner Arbeit berichtet der Bundesnachrichtendienst grundsätzlich nur der Bundesregierung und den zuständigen Stellen des Deutschen Bundestages", lautet die Antwort der Behörde. Ob die Lauschanlage zum Zeitpunkt des Hochhaus-Bürgerentscheids 2004 noch in Betrieb gewesen ist - auch das bleibt wohl ein Rätsel.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2018 / tbs, KNA
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