Kritik zu einem außergewöhnlichen Abend:Eine Lange Nacht des Streichquartetts

Lesezeit: 1 Min.

Mit dem weltweit gefeierten Münchner Goldmund-Quartett begann der Abend. (Foto: Privat)

Im Prinzregententheater boten drei höchst unterschiedliche Formationen geistreiches Amüsement: Quatuor Diotima, Goldmund Quartett und Quatuor Agate begeisterten in einem rund vierstündigen Konzert.

Von Harald Eggebrecht

Streichquartettspiel heißt nicht, dass vier Musiker zusammen loslegen, sondern es geht darum, mit unterschiedlichsten Temperamenten und Auffassungen zur höheren Synthese aus symphonischem Geist zu kommen, in technischer, klanglicher, die Musik durchdringender Hinsicht. Also hat dieses Vierergespräch, soll es gelingen, einiges zu erfüllen. Der Musikschriftsteller Johann Friedrich Reichhardt hat es wohl am treffendsten formuliert, nachdem er das Schuppanzigh-Quartett mit Musik von Joseph Haydn erlebt hatte: ". . .Musik, die, so schwer sie auch ist, zur Vollkommenheit in der Ausführung zu bringen, weil das Ganze und jeder einzelne Teil so ganz vernommen wird, und erst in der vollkommensten Reinheit, Vereinigung und Verschmelzung ganz befriedigend wird . . .".

An diesem rund vierstündigen Abend im Prinzregententheater zeigten drei höchst verschiedene Formationen, wie nah man je der Dreieinigkeit aus "Reinheit, Vereinigung und Verschmelzung" kommen kann. Das weltweit gefeierte Münchner Goldmund-Quartett (Florian Schötz, Pinchas Adt, Violinen; Christoph Vandory, Viola; Raphael Paratore, Violoncello) begann mit Haydns "Lerchenquartett" so leicht, luftig, hellwach mit heiterem Ernst, dass es eine Lust war und die ganze Veranstaltung prägte, die Annekatrin Hentschel mit ansteckendem Elan moderierte.

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Das jüngste Ensemble, das 2016 gegründete Quatuor Agate (Adrien Jurkovic, Thomas Descamps; Raphael Pagnon; Simon Iachemet) bewies klangsinnlich und rhythmisch elastisch, dass auch Luigi Boccherini ein elegantes Wörtchen am Beginn der Quartettliteratur mitzureden hat. Später erhellten die "Agates" noch leidenschaftlich zwei Sätze aus dem 1. Quartett von Johannes Brahms und genossen den schrägen Witz von Béla Bartóks Burletta aus dessen 6. Quartett.

Warum das Quatuor Diotima (YunPeng Zhao, Léo Marillier; Franck Chevalier; Pierre Morlet) wegen des Engagements für heutige Musik weltberühmt ist, demonstrierten die vier an einem Stück ewiger Moderne, an Ludwig van Beethovens op. 130 mit dem Wahnwitz der "Großen Fuge" als Finale. Was oft in Streichergeholze enden kann, gelang hier klangsensibel und hörbar verständlich ausgehend von exquisiter Piano-Pianissimo-Kultur.

Zwischendrin begeisterte der litauische Akkordeonist Martynas Levickis mit phänomenalen Klangzaubereien (Musik von Philip Glass und Franck Angelis) auf der "magischen Trickkiste", wie er selbst das Instrument nennt. Dann spielte er mit den "Goldmunds" drei Tangos von Astor Piazzolla. Für die Ovationen zwei Zugaben: ein Stück von Levickis und ein bayerischer Marsch, bei dem alle locker mittaten von den hochseriösen "Diotimas" bis zum innovativen Levickis. Bravissimi für eine lange Nacht geistreichen Amüsements!

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