Lange Nacht der Architektur:Wo sich ein Hausbesuch lohnt

Die Lange Nacht der Architektur bietet spannende Blicke auf und hinter die Fassaden gelungener Bauwerke. 50 Gebäude in München können Interessierte heute Abend erkunden. Weil das kaum zu schaffen ist, haben sieben Architekten Tipps gegeben.

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Ägyptisches Museum

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Quelle: Alessandra Schellnegger

Oliver Betz, Betz Architekten: "Ich empfehle einen Besuch im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst vis à vis der Alten Pinakothek. Der Kölner Architekt Peter Böhm entstammt einer Architektenfamilie. Der Großvater Dominikus Böhm war Kirchenbaumeister. Der Vater Gottfried Böhm erhielt bis jetzt als einziger deutscher Architekt den Pritzker-Preis, die weltweit höchste Architektur-Auszeichnung. Da könnte man es als Nachkomme schwer haben. Nicht jedoch Peter Böhm. Sein Bau vereint alle Elemente herausragender Architektur: Eine tragende Grundidee verbunden mit abwechslungsreichen Raumfolgen und einer minimalistischen Ausführung. Die Ausstellungsräume liegen auf zwei unterirdischen Ebenen, lange rampenartige Treppen vermitteln das Gefühl, selbst als Archäologe unterwegs zu sein. Empfehlenswert auch der Film "Die Böhms - Architektur einer Familie" der demnächst ins Kino kommt."

Oliver Betz leitet das von Walther und Bea Betz gegründete Architekturbüro Betz Architekten. Von diesem stammen das Hypo-Hochhaus und der U-Bahnhof Olympia-Einkaufszentrum.

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Lindberghstraße

Architektouren Nord

Quelle: Kurt Tillich/Michael Compensis

Marco Goetz, Goetz Castorph Architekten und Stadtplaner: "Wer würde vermuten, dass sich entlang der Lindberghstraße im Münchner Norden eine Kette von bemerkenswerten Gewerbebauten gebildet hat? Neueste Perle ist ein dunkler, matt schimmernder Kubus des jungen Münchner Architekten Kurt Tillich. Die trickreich gefaltete und präzis gefügte Haut aus Betonfertigteilen erscheint papierhaft dünn und gibt dem schweren Material eine ungewohnte Leichtigkeit. Gleich nebenan steht das schwarze Modehaus von David Chipperfield, dann das Atelierhaus der Architekten Nickl und Partner und schließlich die elegant glitzernde Box des Museumsdepots der Stadt München von SSP-Architekten. Also ab in die sogenannte Gewerbesteppe!"

Marco Goetz ist Partner bei Goetz Castorph Architekten. Zuletzt entwarf das Büro in Riem einen Hotel- und Bürokomplex am Messesee. Aktuelle Baustelle ist das Bürohaus an der Friedenheimer Brücke.

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Haus der Landkreise

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Quelle: SZ

Lydia Haack, Haack & Höpfner Architekten: "Dem Gebäude an der Kardinal-Döpfner-Straße 8, mit seiner sorgfältig gestalteten Hülle aus weiß glasierten Ziegeln und den bronzebeschichteten Metallpassepartouts, sieht man auf den ersten Blick die umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen (Michael Gebhard, Ingrid Burgstaller Architekten) kaum an. Durch den subtilen Umgang mit der Fassade, deren Anmutung sich aus dem zeitlichen Kontext der späten Fünfzigerjahre ableitet, wurde der ursprüngliche Charakter bewahrt, auf eine sensible Weise verfeinert und technisch und energetisch ertüchtigt. Sonnenschutz, Entwässerung von Fensterbänken und vieles mehr wurden geschickt in das neu entwickelte Fassadenelement integriert. Insgesamt wurde aus einem verschachtelten Altbau ein offenes, zeitgemäßes Gebäude. Das ist hohe Kunst, wie wir sie bei der Bewältigung des Stadtumbaus und der Stadtsanierung brauchen, um unsere wertvollste Ressource' das Gesicht unser Stadt, zu erhalten."

Lydia Haack ist Gründungspartnerin des Büros Haack & Höpfner. Eines der wichtigsten Neubau-Projekte ist die Neuapostolische Kirche in Laim.

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Hofstatt

Shopping Mall Hofstatt, Einkaufspassage

Quelle: Florian Peljak

Peter Scheller, Palais Mai: "In dem Geviert entlang der Sendlinger Straße entstand ein hoch verdichtetes Quartier aus Gastronomie, Einzelhandel, Büros und Wohnungen - ein neues Stück Innenstadt.

Das hat auch ein architektonisches Opfer ersten Ranges gefordert, den Abriss des Schwarzen Hauses (Detlef Schreiber, mit Herbert Groethuysen und Gernot Sachsse). Man kann in der Nähe ein scheinbar ähnliches Beispiel für eine gelungene "Stadtveröffentlichung" besuchen: die Fünf Höfe von Herzog & de Meuron. Und doch ist in der Hofstatt (Architekten Meili Peter) vieles anders. Vor allem liegt das an der unterschiedlichen architektonischen Haltung von Meili Peter zur Aufgabe "Passage". Während die Fünf Höfe eine Art Gesamtimplantat in den städtischen Block darstellen, verstehen Meili Peter ihr Projekt als ein Gefüge verschiedener Bausteine. Anders als in den Fünf Höfen sind die Innenräume des Blocks nicht mit der Passage verbunden, sondern als private Höfe den Wohnungen und Büros zugeordnet und deshalb nicht so präsent. Und doch bestimmen diese Freiräume die Qualität der Mischung unterschiedlicher Nutzungen."

Peter Scheller ist Partner im Büro Palais Mai. Zu den aktuellen Projekten gehört die Planung für das Wohngebiet Paul-Gerhardt-Allee in Pasing.

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Kraemer'sche Kunstmühle

Kraemersche Kunstmuehle, Schindhelm Architekten

Quelle: Quirin Leppert

Rainer Hofmann, Bogevischs Buero: "Wo ist denn die Kunst versteckt? Das fragt man sich, wenn man die Mühle direkt am Ufer der Isar (Birkenleiten 41) aufsucht. Natürlich findet man in dieser Konversionsimmobilie die üblichen Verdächtigen - also Art-Direktoren, App-Designer, Fotografen, Architekten. Unter denen sind auch die Kollegen, die der alten Mühle, die zuerst Papier und später Getreide gemahlen hatte, wieder Leben eingehaucht haben - das Büro Schindhelm Moser. Wenn man will, dann sind diese neuen Mieter alle mehr oder weniger Künstler. Die wahre Kunst der Kraemer'schen Kunstmühle steckt aber in der Art der Konversion, diesem liebevollen Umgang mit dem Bestand, der vielschichtigen Nutzungsmischung, die hier einmal wirklich gelungen ist. Hier gibt es ein Café, hier werden über mehrere Stockwerke Kinder betreut, hier entstand, mitten in der Stadt, eine Oase, die Wurzeln hat. Beispielhaft. Und wenn man den Besitzern glaubt, rechnet sich das auch noch!"

Rainer Hofmann führt mit Ritz Ritzer Bogevischs Buero. Von diesem stammen die Studentenbungalows im Olympischen Dorf (mit Werner Wirsing).

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Hypo-Hochhaus

Fassadenschließung Hypohochhaus

Quelle: Florian Peljak

Johann Spengler, Steidle Architekten: "Das in den Siebzigerjahren geplante Gebäude hatte mit einer Höhe von 114 Metern erstmals die Maße der Frauentürme überschritten. Das in drei unterschiedlich große Prismen aufgelöste Gebäudevolumen scheint förmlich über dem Boden zu schweben. Vier markante, runde Fluchttreppentürme fixieren ein zentrales Hängegeschoss, auf welchem die obere Hälfte des Hauses steht und an dem die unteren Geschosse hängen. Gerade die Mischung aus Skulptur, Funktion und Ingenieurskunst macht es zu einem der schönsten und markantesten Türme Münchens. Die Umwandlung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes auf einen "Green-Building"-Standard durch Henn Architekten verspricht interessante Aspekte, welche Vorbildcharakter haben werden. Die Lichtinstallation von Dan Flavin im Inneren und die Lichtprojektion von Philipp Geist lassen die nicht mögliche Turmführung verschmerzen."

Johann Spengler ist Geschäftsführender Gesellschafter von Steidle-Architekten. Unter anderem plant das Büro das Werksviertel beim Ostbahnhof.

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Rathausgalerie

Rathausgalerie, Marienplatz: Ausstellung Entwürfe für die Bayernkaserne

Quelle: Florian Peljak

Karin Schmid, 03 Architekten: "Man erreicht sie über den Innenhof des Rathauses. Aber der Ausstellungsraum ist ein fast versteckter Ort, der in der Wahrnehmung vieler Münchner gar nicht existent ist. Die Galerie entführt uns aus dem geschäftigen Umfeld des Marienplatzes in eine andere Welt und setzt mit der diesjährigen Ausstellung des Planungsreferates den Fokus auf die Entwicklung der Innenstadt. Hier wird der Kosmos der Stadtplanung mit all seinen Akteuren gezeigt: Stadt ist immer auch Produkt und Ausdruck einer Gesellschaft. Die Stadt als solche ist kein statisches Gebilde, sondern die kontinuierliche Veränderung ihrer Gestalt ist das eigentlich Charakteristische. Es geht um Stadtgestalt und Identität, um historische und aktuelle Entwicklungen, aber auch um die wichtige Frage nach dem öffentlichen Raum, in den man nach dem Besuch der Ausstellung wieder eintaucht."

Karin Schmid ist Partnerin im Büro 03 Architekten, welches das Neubau-Quartier an der Leopoldstraße und die Lärmschutz-Bebauung am Innsbrucker Ring geplant hat.

© SZ vom 23.01.2015/infu
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