Landtagswahl-Direktkandidaten (I):Mit Radl, Muskeln, Eisbachwelle

Die SPD setzt auf ein neues Gesicht, die CSU auf ihren starken Mann und die Grünen zeigen Muskeln -die Direktkandidaten des Stimmkreis 108 Schwabing.

Jan Bielicki

Es gibt noch Türen, die sich mit der Buchstabenkombination SPD öffnen lassen. Eben noch hat Isabell Zacharias vergeblich an der Klinke gerüttelt, die den Weg zu den Briefkästen des Wohnblocks versperrt. Da lehnt sich ein Mann aus einem Fenster des zweiten Stocks. "Wir kommen von der SPD", ruft Isabell Zacharias hinauf. "Dann ist es ja gut", tönt es herunter, "ich dachte schon, ihr wärt von der Kripo." Der Kopf verschwindet, der Türöffner summt.

Landtagswahl-Direktkandidaten (I): Die Neue im Gäu: SPD-Kandidatin Isabell Zacharias sucht potentielle Wähler auf dem Odeonsplatz.

Die Neue im Gäu: SPD-Kandidatin Isabell Zacharias sucht potentielle Wähler auf dem Odeonsplatz.

(Foto: Foto: Schellnegger)

An diesem Morgen klappert Zacharias die Wohnanlage an der Neuchinger Straße ab, in der Alten Heide, einer traditionellen Hochburg der Sozialdemokraten. In den Wahllokalen der Umgebung hat die SPD noch bei der Kommunalwahl im März mehr als die Hälfte aller Wählerstimmen abgeräumt. Hier muss Zacharias die Leute bei der Landtagswahl an die Urnen bringen, will sie ihr ehrgeiziges Ziel erreichen.

"Natürlich", sagt sie, "will ich das Direktmandat gewinnen." Deshalb klingelt sie an allen Türen und steckt eine Postkarte in jeden Briefkasten: "Ich war da", steht da und das Gesicht der Kandidatin mit der roten Balkenbrille lächelt vom Foto. Die Wähler können die Karte mit Anregungen an die Kandidatin zurücksenden - und sie tun das auch. Manche freilich, erzählt sie, "schimpfen nur, ob ich den Aufkleber ,Keine Werbung nicht lesen könnte".

Mühseliger Klingelputz-Wahlkampf

Mühselig ist der Klingelputz-Wahlkampf. "Ich bin die Neue im Gäu", sagt Isabell Zacharias. Zwölf Prozentpunkte Vorsprung hat ihr Gegenkandidat Ludwig Spaenle von der CSU vor fünf Jahren vor der damaligen SPD-Bewerberin Monica Lochner-Fischer herausgeholt. Dabei gehört München-Schwabing zu den ganz wenigen Stimmkreisen, in denen es sogar beim landesweiten CSU-Triumph von 2003 noch eine rot-grüne Stimmenmehrheit gab - die sich die SPD freilich mit Margarete Bause teilen musste, der Chefin der grünen Landtagsfraktion.

Jetzt soll Zacharias mehr machen aus dem Stimmkreis, der sich von Freimann über Schwabing nach Neuhausen über viele, vor Jahren noch sozialdemokratische Kerngebiete streckt. Vor acht Jahren ist sie nach München gekommen. Die heute 43-Jährige stammt aus einer Gegend, wie sie norddeutscher nicht sein könnte. Der Bauernhof ihrer Eltern stand in den Marschen Nordfrieslands. Und sie hat ihren Meisterbrief in ländlicher Hauswirtschaftslehre gemacht. Später studierte sie Ernährungswissenschaften, heiratete, bekam zwei Töchter und folgte ihrem Mann nach München, den es beruflich in den Süden verschlug. Sie fühlt sich längst angekommen in München-Schwabing, "obwohl ich vielen hier noch viel zu schnell rede".

Schnell redet sie in der Tat, und schnell macht sie auch Politik. Erst in München ist sie in die SPD eingetreten, obwohl "ich eigentlich immer politisch war". Bekannt geworden ist sie durch ihr Engagement in den Schulen. Als Vorsitzende des Bayerischen Elternverbands - ein reines Ehrenamt, und doch "ein 60-Stunden-Job" - hat sie sich nicht nur reichlich "bildungspolitisches Tiefenwissen" und "ein großes Netzwerk" erworben, wie sie sagt, sie war auch immer gut für deutlich formulierte Kritik an freistaatlicher Bildungspolitik.

Darüber, wie eine dem Bedarf der Schüler flexibel angepasste, dezentral gesteuerte Schule aussehen soll, kann sie viel sagen - und vieles schnell. "Im Landtag kann ich damit voll loslegen", ist sie überzeugt. "Ich bin jemand, der machen will", sagt Zacharias, die sich durchaus als links sieht innerhalb der Sozialdemokraten, allerdings auch als pragmatisch: "Ich persönlich bin ein Mensch, der die Macht will."

Fahrradtour durch den Stimmkreis

Darin tickt sie durchaus ähnlich wie ihre beiden Gegenkandidaten. Wie die Vielfahrradfahrerin Zacharias hat sich auch Ludwig Spaenle aufs Fahrrad geschwungen und tourt so durch seinen Stimmkreis. Der 47-Jährige hat bewiesen, dass er sich durchsetzen kann, nicht nur in einem Stimmkreis, der, wie er stolz vermerkt, "strukturell für die CSU eigentlich schwer zu gewinnen ist". Auch in der Partei hat der gelernte Fernsehredakteur enorm an Gewicht gewonnen, seit er jene christsoziale Gruppe anführte, die den einstigen, doch bald von Skandalen umwölkten Parteiliebling Monika Hohlmeier erst von der Stadtparteispitze und dann auch aus dem Ministeramt drängte.

Seither gilt der auch äußerlich durchaus wuchtige Spaenle als starker Mann in der München-CSU, und dass er weiteren Ehrgeiz hat, ist spürbar. Da streift er sich ein T-Shirt mit der Aufschrift "Retter der Eisbachwelle" über und versichert, dass er sich des Anliegens der Surfer, weiter mit Brett in den Eisbach springen zu dürfen, annehmen werde -"in welcher Funktion auch immer". Soll heißen: womöglich von einem Posten im Kabinett aus.

Derzeit leitet der ehemalige Theologiestudent und promovierte Historiker den Hochschulausschuss des Landtages, und schon das ist eine Funktion, die nahezu perfekt auf den eigenen Stimmkreis zugeschnitten ist. Beide Universitäten liegen hier, die Fachhochschule, die Filmhochschule, die Kunstakademie, viele staatliche Museen - "ich habe hier alles bei mir", sagt er. Spaenle ist einer, der sich für Kultur und Stadtplanung interessiert und demonstrativ vor den Pinakotheken für eine großzügige Umplanung des Museumsviertels eintritt - auch wenn gerade weit und breit keine Wähler an den Infostand kommen, sondern Touristen vorbeihasten. Aber es sind auch solche Themen, die Spaenle als einen Exponenten jener "liberalen Großstadtpartei" erscheinen lassen, zu der die München-CSU so gerne werden möchte.

Mit Radl, Muskeln, Eisbachwelle

Über Stadtkultur samt der dazu gehörenden Integration von Zuwanderern und Minderheiten kann er mindestens so eloquent, so schnell und ohne Punkt und Komma reden wie die Konkurrentin. Nur tut er es mit bairischem Akzent und streicht auch gern heraus, was ihm zum Heimvorteil gereichen könnte: dass er seit Jahren auch Stadtteilpolitik macht im Schwabinger Bezirksausschuss (wo er seit Mai auch seiner Mit-Schwabingerin Zacharias begegnet); und dass er trotz aller Verbotstafeln bereits als Bub sich den Eisbach heruntertreiben hat lassen und es auch weiter so halten will, "solange ich es noch hinein- und hinausschaffe" - so ein Spruch kommt ja nicht schlecht an bei Surfern und in Schwabings städtischem Milieu.

Landtagswahl-Direktkandidaten (I): Wellenreiter: Ludwig Spaenle (CSU), seit 1998 Abgeordneter von Schwabings beim Stimmensammeln am Eisbach.

Wellenreiter: Ludwig Spaenle (CSU), seit 1998 Abgeordneter von Schwabings beim Stimmensammeln am Eisbach.

(Foto: Foto: Heddergott)

Doch die meiste Aufmerksamkeit hat bisher die dritte Kandidatin erregt - und das mit dem altmodischen Kampagnenmittel eines Wahlplakats. Darauf zeigt die rotmähnige Margarete Bause Faust und Bizeps. Das Motiv stammt von einem amerikanischen Plakat aus den vierziger Jahren, die Muskeltönung aus dem Fitnessstudio: "Drei Jahre Kieser-Training!" Es funktioniert erstaunlich gut: Wem immer Bause auf dem Rotkreuzplatz eine Postkarte mit dem Plakatmotiv in die Hand drückt, sie erntet stets ein Lächeln, und das ist ja schon was in Zeiten politikverdrossenen Publikums. "A so a süße Maus!", ruft eine Rentnerin.

Mit Muskelkraft zum Direktmandat

Kräftig hat Bause auch ihr Wahlkampfziel formuliert: "Ich will das erste grüne Direktmandat gewinnen", sagt sie, "wenn nicht in Schwabing, wo denn sonst?" Die starken Töne sind auch dem bayerischen Wahlsystem geschuldet, in dem Erststimmen so viel zählen wie Zweitstimmen. Gerade eine so prominente Grüne wie die 49-jährige Fraktionschefin muss versuchen, der minder bekannten SPD-Kandidatin Stimmen abzujagen. Den Einwand, Spaenle habe 2003 um enorme 25 Prozentpunkte vor ihr gelegen, kontert sie mit einem Kalauer: "Wo gehobelt wird, fallen Spaenle."

Vom Favoriten kommt ironisch vergiftetes Lob zurück: "Ich habe sehr großen Respekt", sagt Spaenle, "vor den Mitbewerbern, die gegen mich verlieren."

Dies ist die erste Reportage einer Serie über die acht Münchner Stimmkreise.

Im Stimmkreis München-Schwabing treten neben Ludwig Spaenle (CSU), Isabell Zacharias (SPD) und Margarete Bause (Grüne) acht weitere Bewerber an. Für die FDP geht der Zahnarzt Wolfgang Heubisch, 62, ins Rennen, schon bisher als Landespräsident des Verbandes Freier Berufe politisch aktiv. Für die Freien Wähler will der 47-jährige Angestellte Herbert Reinhold in den Landtag, für die Linken der Journalist Max Brym, 51. Die ÖDP hat die 19-jährige Schülerin Katja Schall in den Wahlkampf geschickt, die Bayernpartei den Historiker Christian Schröder, 30. Die Bürokauffrau Edith Brömsen, 49, vertritt die esoterisch angehauchten "Violetten". Für die rechten Republikaner stellt sich der Steueramtsrat Peter Staudenhöchtl, 53, für die Neonazi-Partei NPD der Kraftfahrer Fred Eichner, 48.

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