Landtagswahl:Damit hat in der Münchner CSU niemand gerechnet

Landtagswahl: Im Wahlkampf packte Ludwig Spaenle selbst an und befestigte seine eigenen Plakate in der Stadt. Nun muss er womöglich einpacken.

Im Wahlkampf packte Ludwig Spaenle selbst an und befestigte seine eigenen Plakate in der Stadt. Nun muss er womöglich einpacken.

(Foto: Stephan Rumpf)

Platz zwei hinter den Grünen? Das ist eine völlig neue Situation - auch für Ludwig Spaenle, der in Schwabing deutlich verliert und um seine Zukunft als Münchner CSU-Chef bangen muss.

Von Dominik Hutter und Heiner Effern

Er hat in den letzten Tagen noch einmal alles versucht. Hat, wie immer, selbst plakatiert, hat Videobotschaften für jedes einzelne Stadtviertel verfasst und nach Art eines Countdowns Thesen verfasst, warum man den Schwabinger CSU-Kandidaten wählen soll. Gereicht hat es trotzdem nicht für Ludwig Spaenle, das wurde früh deutlich. Der Abstand zum grünen Mitbewerber Christian Hierneis war schon bei der Auszählung der ersten Stimmbezirke riesig. Für den 57-Jährigen ist die Niederlage bitter. Seit 1994 ist er Abgeordneter, ganze 24 Jahre ist es her, dass er es zum ersten Mal für die CSU in den Landtag gewählt worden ist.

Die Chancen, über die Liste doch noch einen Parlamentssitz zu ergattern, sind sehr gering. Deshalb könnte ein für Spaenle ohnehin schwieriges Jahr mit einem politischen K.o. zu Ende gehen. Der Schwabinger, der quasi nebenbei auch noch im Bezirksausschuss Kommunalpolitik macht, war im März völlig überraschend vom neuen Ministerpräsidenten Markus Söder als Kultusminister geschasst worden - obwohl er den Nürnberger eigentlich für einen engen Freund gehalten hatte und sogar Taufpate von einem von dessen Kindern ist.

Nun bröckelt seine politische Machtbasis weiter, der Posten als Münchner CSU-Bezirkschef könnte in Gefahr geraten. Vom "Superminister" zum König ohne Land. Spaenle ist eigentlich ein Nehmertyp. An diesem Wahltag aber hat er sich zurückgezogen, hat den Tag mit der Familie verbracht. Ein Ritual, wie er sagt. Im Wahllokal war Spaenle nicht, er hat Briefwahl gemacht.

Spaenle hat schon am Wahlabend 2013 bibbern müssen, damals schaffte er es doch noch gegen seine SPD-Kontrahentin Isabell Zacharias. Dieser Zweikampf, Bildungspolitiker gegen Bildungspolitikerin, hat diesmal keine Rolle gespielt. Zacharias ist noch weiter abgeschlagen als Spaenle. Gewonnen hat ein Newcomer, der den meisten Münchnern bislang vor allem als Kreischef des Bunds Naturschutz bekannt war. Wenn überhaupt.

Spaenle ist schon durch seine Aufgabe als Münchner CSU-Chef und seine langjährige Tätigkeit im Landtag ein politisches Schwergewicht. Er weiß gut, wie man Parteipolitik macht. Vor einigen Monaten, bei seiner Entlassung als Minister, kündigte er Interesse an einer Kandidatur für das Amt des Münchner Oberbürgermeisters an. So bleibt man im Gespräch und bewahrt sich selbst vor der berüchtigten Rolle als lahme Ente - der oftmals letzten Phase einer erfolgreichen politischen Karriere.

Es war aber nicht nur für Spaenle ein trauriger Abend. Dass die CSU in München hinter die Grünen zurückfällt, die damit die Nummer eins in der Landeshauptstadt sind, hat bei den Christsozialen vorher niemand ernsthaft befürchtet. So aber musste selbst Josef Schmid im einst unangefochten schwarzen Stimmkreis Pasing lange Zeit um sein Direktmandat bangen. Kopf-an-Kopf-Rennen im Münchner Westen? So sieht die Talfahrt einer Partei aus, oder besser gesagt: zweier Parteien. Jener beiden, die im Münchner Rathaus das Regierungsbündnis stellen.

Landtagswahl, Wahlparty Josef Schmid, Allach

Wasser statt Schampus: Für Josef Schmid (links) war die Auszählung der Stimmen eine Hängepartie, da wollte er wohl einen nüchternen Kopf bewahren.

(Foto: Florian Peljak)

Für CSU ungewohnte Situation in München

Es war einiges ungewohnt für die CSU an diesem Abend, nicht nur landesweit, sondern vor allem auch aus Münchner Perspektive. In nahezu allen Stimmkreisen war die Mehrheit, die einen bequemen Abend garantiert, weit entfernt. Lediglich Markus Blume in Ramersdorf konnte sich frühzeitig auf ein Polster stützen. Allen anderen waren die Zweitplatzierten stets dicht auf den Fersen oder hatten sogar die Nase vorn, und in allen Fällen handelte es sich um Grüne. Moosach etwa pendelte den ganzen Abend hin und her.

Zwischen Schwarz und Grün, wobei die CSU die gestandene Landtagsabgeordnete und frühere Stadträtin Mechthilde Wittmann auf dem Stimmzettel hatte, während die Grünen den weitgehend unbekannten Neuling Benjamin Adjei aufgestellt hatten. Und auch Georg Eisenreich und Robert Brannekämper ging es nicht viel besser: Zwei bis drei Prozentpunkte Abstand zur Konkurrenz, das garantiert Wahlpartybesuchern einen spannenden Abend - und ist für Kandidaten die pure Nervenschlacht. Andreas Lorenz musste sich in Giesing überraschend deutlich der grünen Gegenkandidatin Gülseren Demirel geschlagen geben, die in den vergangenen Jahren Fraktionschefin ihrer Partei im Münchner Rathaus war. Auch Lorenz war einst aus dem Stadtrat ins Maximilianeum gekommen.

Verloren hat auch Hans Theiss in München-Mitte, er dürfte sich gleichwohl am wenigsten als Verlierer fühlen. Denn seine Kandidatur war von vornherein ein Himmelfahrtskommando. Nicht einmal in der CSU glaubte irgendjemand ernsthaft an eine Chance der Konservativen in Stadtvierteln wie dem Glockenbachviertel, Haidhausen oder dem Westend.

Seine einzige Chance wäre die Rolle des lachenden Dritten gewesen: SPD und Grüne nehmen sich gegenseitig so viele Stimmen weg, dass der CSU-Kandidat an allen vorbeizieht. Dazu aber war die SPD zu schwach, viel zu schwach. Theiss hat wacker um sein Mandat gekämpft, er kann erhobenen Hauptes auf seinen Platz im Rathaus zurückkehren. Auch Tina Pickert, die in Milbertshofen vernichtend von der grünen Spitzenkandidatin Katharina Schulze geschlagen wurde, muss sich wohl keine allzu großen Gedanken machen. Sie trat als Newcomerin zum ersten Mal an, und belegte immerhin Platz zwei im Bewerberspektrum. Also noch vor der SPD-Konkurrentin Ruth Waldmann, die 2013 immerhin das Direktmandat geholte hatte, das einzige für die SPD in ganz Bayern.

Manuel Pretzl, der Fraktionschef der CSU im Münchner Rathaus, hält es für notwendig, einiges aus der Vergangenheit aufzuarbeiten, dazu dürfte wohl vor allem die frühe Wahlkampfphase gehören. Seine These: Rechter zu sein als die AfD bringt nichts, die Leute entscheiden sich für das Original. Denselben Ratschlag hat er auch für die SPD parat, den Bündnispartner im Stadtrat. Der müsse endlich erkennen, dass nicht die Kandidaten der CSU die Gegner seien, sondern vor allem die Grünen. Vertrete die SPD grüne Positionen, müsse sie sich nicht wundern, wenn die Münchner gleich grün wählen.

"Wenn die SPD noch einmal den Fehler macht zu glauben, die CSU habe ihr die Stimmen weggenommen, dann ist sie nicht mehr zu retten", findet auch Josef Schmid. Es sei ein Fehler der Sozialdemokraten gewesen, "den Konsens aufzukündigen und bei der Ausgehetzt-Demo mitzumachen".

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