Landtagswahl in Bayern:Zwei Polit-Profis und ein Neuling treten für Moosach an

Die Kandidaten im Stimmkreis Moosach für die Landtagswahl: Mechthild Wittmann, Benjamin Adjei und Diana Stachowitz.

Drei Kandidaten aus dem Stimmkreis Moosach: Mechthild Wittmann (CSU), der Grüne Benjamin Adjei und SPD-Frau Diana Stachowitz.

(Foto: Robert Haas (li, mi), Stefan Rumpf, Collage: SZ)
  • In Moosach wollen Mechthilde Wittmann von der CSU, Diana Stachowitz von der SPD und Benjamin Adjei von den Grünen in den bayerischen Landtag einziehen.
  • Wittmann ist Integrationsbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Stachowitz sitzt seit 2008 im Landtag. Adjei ist auf der politischen Landesbühne ein Neuling.
  • Bei der Landtagswahl 2013 hat der CSU-Kandidat Joachim Unterländer das Direktmandat im Stimmkreis 105 errungen.

Von Wolfgang Görl

Kleine Geschenke halten den Wähler bei Laune, zumindest hoffen das die Politiker. Mechthilde Wittmann beispielsweise, die Kandidatin der CSU im Stimmkreis Moosach, sammelt an einem Samstagmorgen auf dem Rotkreuzplatz mit schwarzen, weißen und grünen Luftballons etliche Sympathiepunkte, allerdings bei Menschen, die noch lange nicht das Alter erreicht haben, in dem sie wählen dürfen.

Am Abend zuvor hatte Grünen-Kandidat Benjamin Adjei am selben Ort Flyer verteilt, wobei sein Infostand unter anderem mit frischen Äpfeln bestückt war. Und die Sozialdemokratin Diana Stachowitz beglückt die Leute bei ihrer Tour durch die Schrebergärten mit Honig und Blumensamen "für ein blühendes München". Jenseits aller Wahlprogramme, die ja stets vorgeben, das Beste für die Bürger zu wollen, dürfen sich die Wähler schon mal beschenkt fühlen.

Der Stimmkreis 105 ist ein komplexes Gebilde, eines, das aussieht, als hätte jemand unterschiedlichste Kleinstädte und Dörfer zusammengeflickt. Da ist das noble Nymphenburg, wo man meist gut situiert ist und teils weltoffen-liberal, teils konservativ denkt; da ist Moosach, das ebenso dörfliche wie urbane Ecken hat; da ist das ländliche Feldmoching, wo es noch Bauernhöfe gibt, aber auch ein neues, modernes Stadtquartier entstehen soll; und da ist das Hasenbergl, das seinen Ruf, ein Problemviertel zu sein, nicht los wird, obwohl es zum größeren Teil ein normales bürgerliches Wohngebiet ist. Bei der Landtagswahl 2013 hat der CSU-Kandidat Joachim Unterländer das Direktmandat im Stimmkreis 105 errungen, der allerdings noch einen anderen Zuschnitt hatte. Unterländer tritt in diesem Jahr nicht mehr an, mit Rücksicht auf seine Gesundheit, wie er bekannt gab.

So hat der Stimmkreis bei der Landtagswahl 2013 - vor dem Neuzuschnitt der Stimmkreise - gewählt:

Erklärung

München hatte bei der Landtagswahl 2013 noch einen Stimmkreis weniger. Das Statistische Landesamt hat berechnet, wie das damalige Ergebnis in diesem Stimmkreis mit dem neuen Zuschnitt ausgesehen hätte.

Nun also soll Mechthilde Wittmann den Stimmkreis für die schwächelnde CSU retten - man räumt ihr dabei gute Chancen ein. Dass aber die Menschen angesichts einer CSU-Kandidatin nicht mehr wie früher Hosianna rufen, muss die Juristin auch an diesem Morgen erfahren. Mal wird ihr das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz um die Ohren gehauen, mal schimpft einer pauschal gegen Flüchtlinge, die angeblich auch die CSU viel zu schonend behandle. Wittmann hält dagegen: "Die ein Schutzrecht haben, bekommen auch Schutz, und die keines haben, müssen gehen."

Wittmann kennt sich aus in dieser Materie. Seit März ist sie Integrationsbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, und auf diesem Posten gilt sie vielen als Hardlinerin. Sie selbst sieht das anders, aber eines ist ihr dabei schon wichtig: "Die Integration folgt dem Aufenthaltsrecht - nicht umgekehrt." Das heißt: Erst, wenn einer dauerhaft im Land bleiben darf, soll man ihn auch integrieren. Dass es in Einzelfällen auch Ausnahmen gibt, räumt sie ein, etwa bei abgelehnten Asylbewerbern, die eine Ausbildung in Pflegeberufen machen.

Auf keinen Fall aber dürfe es zu einem "Pull-Effekt" kommen, also zu Anreizen, welche Flüchtlinge ins Land locken. Wittmann verweist auf die rasch wachsende Zahl der Menschen in Afrika und die politisch und wirtschaftlich prekären Verhältnisse auf dem Kontinent, die zu verstärkten Fluchtbewegungen führten. "Wir werden das auf Dauer nicht verkraften", sagt Wittmann. Eines ihrer Rezepte: "Außengrenzen schließen." In diesem Punkt ist sie ganz auf Parteilinie, und dennoch entspricht sie nicht dem traditionellen Klischee einer CSU-Frau, auch wenn sie sagt: "Die CSU vertritt eine Werteordnung, die zu mir passt: konservativ."

Ja, konservativ, aber gleich fügt sie hinzu: "Auch wenn ich diese Werteordnung nicht so lebe." Wittmann war und ist nicht verheiratet, hat zwei Töchter aus einer früheren Beziehung, und mit ihrem jetzigen Gefährten, dem CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer, lebt sie, wie Konservative stirnrunzelnd sagen würden, in wilder Ehe. Sofern man Mechthilde Wittmann, geboren 1967 als Tochter des CSU-Bundestagsabgeordneten Fritz Wittmann, in eine Schublade stecken will, entspricht sie dem Bild der selbstbewussten Frau urbanen Typs - eine, die lässig in Jeans daherkommt und virtuos wie ein 16-jähriger ihr Smartphone bedient. Und sie ist souverän genug, im persönlichen Gespräch auch Fehler ihrer Partei - etwa die Krawallrhetorik in der Flüchtlingsdebatte - zuzugeben; auf offener Bühne aber kann sie knallhart sein und mächtig austeilen.

Grünen-Kandidat Benjamin Adjei spielt Fußball, B-Klasse - nicht gerade hochprofessionell, aber auch zum Amateurkick kommt er kaum mehr. Der Job, die Politik. Und jetzt der Wahlkampf. Adjei steht an einem Freitagabend auf dem Rotkreuzplatz und versucht, Infomaterial unter die Leute zu bringen. Einige drehen den Kopf zur Seite, manchmal aber hat die Flyer-Verweigerung etwas Erfreuliches: "Ich brauch kein Flugblatt, ich wähl eh Grün", sagt ein Passant und läuft weiter. Adjei ist ein zurückhaltender Typ, der sich nicht den Leuten aufdrängt.

Kommt er dann doch ins Gespräch, nimmt er sich Zeit. Viel Zeit. Da ist der Bewohner einer Eisenbahner-Genossenschaftswohnung in Neuhausen, der Sorgen hat, sie sich nicht mehr leisten zu können, wenn 2025 die Erbpachtverträge auslaufen und die Immobilie womöglich in die Hände von Investoren fällt. Adjei will mithelfen, dies zu verhindern. "Wir wollen ein gemischtes Viertel, eines, das sich auch noch Rentner oder junge Familien leisten können", sagt er. "Wir brauchen mehr Genossenschaften in puncto Wohnen."

Die SPD-Frau hat es trotz Popularität schwer

Benjamin Adjei, geboren 1990 in Tegernsee, der Vater aus Ghana, die Mutter Deutsche, ist ein Neuling auf der politischen Landesbühne. So populär wie die Grünen Starsolisten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann ist er noch längst nicht. Politisch aber ist er schon geraume Zeit unterwegs. Bereits als Schüler hat sich Adjei für Umwelt- und Antiatomkraftpolitik interessiert, vor acht Jahren ist er dann den Grünen beigetreten. "Wenn man meckert, soll man auch versuchen, es anders zu machen", sagt er. Anderes, Neues zu machen, nach intelligenten Lösungen zu suchen, gehört zu seinem Beruf. Adjei hat Informatik und Mathematik studiert, mittlerweile arbeitet er als Data-Scientist, und als solcher kümmert er sich um Themen wie künstliche Intelligenz oder autonomes Fahren.

Dieses Knowhow möchte er auch in seine politische Arbeit einbringen. Besonders wichtig sind ihm Verkehrspolitik und Digitalisierung. Busse und Bahnen sollen möglichst die ganze Nacht hindurch fahren, für junge Leute soll der öffentliche Nahverkehr kostenlos sein - generell will er sich dafür einsetzen, die öffentlichen Verkehrsmittel attraktiver zu machen. Das, sagt er, wäre besonders wichtig für den ländlichen Raum, der sowohl in puncto Verkehr, als auch bei der Digitalisierung abgehängt zu werden droht - mit fatalen Folgen: Qualifizierte und junge Leute wandern ab in die Metropolen, wo der Wohnraum ohnehin schon knapp und kaum mehr erschwinglich ist. Um die Wohnungsnot in München zu lindern, setzt Adjei vor allem auf Nachverdichtung. Ebenerdige Supermärkte mit riesigen Parkplatzflächen zum Beispiel sollten der Vergangenheit angehören. "So etwas ist Platzverschwendung."

"Das ist ja ein Traum", jubelt Diana Stachowitz. "Und der Teich! Da geht mir das Herz auf." Soeben hat die SPD-Kandidatin den Schrebergarten von Gisela und Erich Unterbauer an der Arnulfstraße betreten, ein Kleinparadies voller Blumen, Gemüse und Obstbäumen, die Zweige des Zwetschgenbaums biegen sich vor lauter Früchten. Die Kleingartenkolonien in ihrem Stimmbezirk abzuklappern, gehört zur Wahlkampftour der Sozialdemokratin, denn: "Ich möchte die Menschen da abholen, wo sie sind". Sie verteilt Postkarten mit ihrem Bild, Bierdeckel und eben auch Honig und Samen für die Blumenwiese. Vor allem aber verteilt sie Lob für die Gestaltungskünste der Hobbygärtner: "Mei schee."

Diana Stachowitz sitzt seit 2008 im Landtag. Sie ist in Ratzeburg (Schleswig-Holstein) aufgewachsen, von Beruf Erzieherin und Autorin einschlägiger Fachliteratur. Schon in jungen Jahren hat sie sich in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) organisiert, da lag es nicht mehr fern, sich auch parteipolitisch zu engagieren - in der SPD. Auf dem Umweg über Traunreut, wo sie stellvertretende Leiterin des evangelischen Kindergartens war, ist sie nach Moosach gezogen.

Diana Stachowitz wirkt geerdet, bodenständig. Beim Spaziergang durch die Kleingartenkolonie spricht sie mit den Leuten nicht wie eine abgehobene Berufspolitikerin, sondern wie eine Nachbarin, die kurz vorbeischaut. Vor allem aber hört sie zu: den Klagen über die schlechte Luft in der Stadt, über "die Bonzen, die immer mehr kriegen, und die Kleinen immer weniger", über das Verschwinden der Schmetterlinge oder den Ärger im Mietshaus.

Sie äußert Verständnis, macht Vorschläge, hütet sich aber vor Versprechungen nach dem Motto: "Wählen Sie mich, und alles wird gut!" Vor allem in Moosach ist Stachowitz enorm populär. Keine Sportveranstaltung, kein Stadtteilevent, bei dem sie nicht dabei wäre. Sport ist ihr sehr wichtig als "Kitt unserer Gesellschaft", ebenso die Kirche. "Meine politischen Handlungen und Entscheidungen basieren auf der Grundlage christlicher Werte", sagt die Protestantin.

Angesichts der schlechten Umfrageergebnisse der SPD hat Stachowitz kaum Hoffnung, in ihrem Wahlkreis den Sieg zu erringen. "Ich sehe ein Direktmandat nicht." Also muss sie den Einzug ins Parlament wie 2013 über die Liste schaffen. Warum aber die Schwäche der bayerischen SPD? Weil, sagt sie, es der Partei bislang nicht gelungen ist, "neue Ideen nach vorne zu tragen". "Hartz IV hat die SPD traumatisiert, seitdem hat sie Angst, eine große Idee zu entwickeln." Dabei hätten die alten Konzepte ausgedient, "wir brauchen heute andere Visionen". Welche? "Eine Vision ist, den Menschen die Angst zu nehmen" - eine Angst, die ja nicht aus der Luft gegriffen ist, schließlich ist es kein Hirngespinst, wenn die Münchner Befürchtungen haben, sich das Leben in der Stadt bald nicht mehr leisten zu können.

"Ich werde mich dafür einsetzen, dass sie ihre Wohnung behalten können, dass ihnen Zeit bleibt für die Familie, dass die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut werden und die Natur erhalten wird." Das ist kompliziert, da steckt jede Menge Arbeit drin. Dazu müsse man mit den Menschen reden, ernsthaft und ehrlich. Und nicht einfach nur sagen: "Wir bauen einen Zaun, und alles wird gut."

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Die Direktkandidaten im Stimmkreis 105 München - Moosach

Mechthilde Wittmann (CSU)

Die 50-jährige Rechtsanwältin war Stadträtin und sitzt seit 2013 im Landtag.

Diana Stachowitz (SPD)

Die 55-jährige Erzieherin war Stadträtin und ist seit 2008 Mitglied des Landtags.

Lilian Edenhofer (Freie Wähler)

Die 50-jährige Journalistin will sich für eine Politik mit Anstand einsetzen.

Benjamin Adjei (Grüne)

Der 28-jährige Informatiker will die Chancen der Digitalisierung nutzen.

Albert Duin (FDP)

Der 65-jährige Unternehmer war von 2013 bis 2017 FDP- Landesvorsitzender.

Tony Guerra (Linke)

Der 29-jährige Tierpfleger will für günstigen Mietraum kämpfen.

Stephan Mannseicher (Bayernpartei)

Der 33-jährige Kaufmann will sich für mehr Bürgerbeteiligung einsetzen.

Veronika Kahl (ÖDP)

Die 48-jährige Lehrerin ist stellvertrtende Vorsitzende des BA Moosach.

Arnold Schiller (Piraten)

Der Kaufmann, Jahrgang 1965, wirbt für das bedingungslose Grundeinkommen.

Michael Groß (AfD)

Der 62-jährige IT-Berater will Polizei und Justiz materiell und personell stärken.

Dietmar Hölscher (Mut)

Der 51-jährige Projektleiter kämpft für eine freie und offene Gesellschaft.

Alexander Pschigoda (Die Partei)

Der Anwendungsbetreuer, Jahrgang 1978, kandidiert auf Listenplatz 13.

Bernhard Schwarz (Tierschutzpartei)

Der 46-jährige Chemielaborant ist Kampfsportmeister und Veganer.

Susanne Preisinger (V-Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer)

Die Kandidatin, Jahrgang 1962, arbeitet als Friseurmeisterin.

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