Für die gute Stimmung bei der Münchner CSU ist am Wahlabend ein Mann verantwortlich, dessen strahlendes Lächeln von Zwischenergebnis zu Zwischenergebnis noch ein bisschen strahlender wird. Doch ganz so entspannt, wie er wirkt, ist Alexander Dietrich nicht. "Ein Scheißgefühl" sei das lange Warten auf das Endergebnis, sagt er mitten am Abend in der Dachauer Stuben im Löwenbräukeller. Mit dem Tablet auf den Knien wartet er auf jeden neuen Zwischenstand. Dabei zeichnet sich mehr und mehr ab, dass er in Moosach das ersehnte fünfte Direktmandat für die CSU holen wird.
Die Stimmung im Löwenbräukeller ist allerdings schon euphorisch, als die ersten Ergebnisse aus den Stimmkreisen bekannt werden. Dietrich greift kurz zum Mikrofon, als er sieht, dass er in seinem Stimmkreis Moosach vorne liegt. "Die Tendenz stimmt", sagt er und löst damit einen Jubelsturm aus. Ein "Alex, Alex"- Sprechchor schallt durch den Raum, dazu ertönen rhythmisches Klatschen und freudiges Gejohle. Vor fünf Jahren gewann in Moosach noch der Grüne Benjamin Adjei sensationell und hauchdünn gegen Mechthilde Wittmann (CSU).
Stadtchef Georg Eisenreich lässt es sich nicht nehmen, vom Landtag herüber an den Stiglmaierplatz zu kommen, um Dietrich seinen Respekt zu bekunden. "Er ist ein großer Gewinn für die Landtagsfraktion und auch für die Münchner CSU", sagt Eisenreich. Dietrich war sechs Jahre lang Personalreferent der Stadt, ehe das grün-rote Bündnis ihn trotz der Anerkennung seiner Arbeit nicht mehr wiedergewählt hat. Er verfüge als früherer Stadtminister in München über eine hohe Kompetenz und eine lange Erfahrung, sagt Bezirkschef Eisenreich. "Und er hat viel Rückhalt an der Basis."
Mit zur Wahlparty in der Dachauer Stuben haben auch die Kandidatinnen Susanne Hornberger (Stimmkreis Mitte) und Christine Müller (Milbertshofen) eingeladen, dazu auch Ludwig Spaenle (Schwabing). Die drei nahmen ihre Niederlagen gelassen, von ihnen hatte niemand einen Sieg erwartet.
"Ich hatte am wenigsten zu verlieren", sagt etwa Susanne Hornberger. Um die 17 Prozent schwankt ihr Ergebnis, damit muss sie sich in der Grünen-Hochburg im Zentrum nicht verstecken. Und der frühere Superminister Spaenle erklärt seine Kandidatur bestens gelaunt sogar zum Dienst an seiner Partei. "Es war ein Stück weit Pflicht. Ich wollte etwas zurückgeben", kommentiert er sein Ergebnis. Immerhin sieht es so aus, als ob er im Vergleich zu 2018 fast fünf Prozentpunkte dazugewinnen kann.
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Bei den Gesamtstimmen liegen die Grünen in der Stadt auf Platz eins. Die CSU erobert aber ein Direktmandat zurück. Und ein Stimmkreis wählt besonders untypisch im Vergleich zu den anderen Regionen Bayerns. Alle News zur Wahl in München.
Wie von der CSU befürchtet und erwartet, kann sie nur am Stadtrand weiter verlässlich Siege einfahren, im Schnitt mit plusminus fünf Prozentpunkten Vorsprung vor den Grünen. Neben Eisenreich verteidigen auch Robert Brannekämper (Stimmkreis Bogenhausen), Josef Schmid (Pasing) und Markus Blume (Ramersdorf) ihre Direktmandate.
Eisenreich selbst zeigt sich auch mit seinem eigenen, sich abzeichnenden Ergebnis zufrieden. Um die fünf Prozentpunkte liegt er kurz vor Schluss vor seinem Mitbewerber Florian Siekmann von den Grünen. "Das ist ein schwieriger Stimmkreis, das ist bekannt. Das letzte Mal haben die Grünen bei den Zweitstimmen vorne gelegen." Hadern und Moosach seien so kompliziert, weil die Gebiete weit in die für die CSU schwierige Stadtmitte hineinreichten. Dort müsse die CSU besonders kämpfen.
Für Andreas Lorenz, Direktkandidat im Stimmkreis Giesing, hört der Wahlabend schon auf, als er für viele andere erst beginnt. Nach der ersten Prognose steht er um kurz nach 18 Uhr auf dem Gang im vierten Stock des Konferenzbaus im Maximilianeum und erklärt sich zum Verlierer im Duell mit Gülseren Demirel (Grüne). Rein statistisch wäre der Rückstand von mehr als acht Prozentpunkten, den er bei der vergangenen Wahl hinnehmen musste, nur aufzuholen gewesen, wenn die CSU in Bayern insgesamt knapp 30 Prozentpunkte mehr als die Grünen erreicht hätte, rechnet er vor. Davon ist und bleibt seine Partei jedoch weit entfernt, der Abstand aus der ersten Prognose hat sich nicht mehr dramatisch verändert. "Wenn ich weniger als acht Prozentpunkte Rückstand habe, war es ein guter Wahlkampf", sagt Lorenz.
Dass er das Duell mit der Grünen Gülseren Demirel wieder klar verloren hat, daran trage er keine Schuld, sagt er eine Stunde später. Einen für die CSU schwierigen Stimmkreis wie Giesing könne man nur gewinnen, wenn "alles optimal läuft". Die erneute herbe Niederlage sei "das Ergebnis Ihrer Berichterstattung", reicht er die Verantwortung für seine Niederlage an die SZ weiter. Sie habe die Freien Wähler, die Grünen und die AfD gestärkt und der CSU geschadet.
Lorenz bezieht sich dabei auf die Berichterstattung über die rechtsextremen Vorfälle in der Jugendzeit von Hubert Aiwanger, dem Chef der Freien Wähler und stellvertretenden Ministerpräsidenten. Letztlich erfüllt sich Lorenz Hoffnung, am Ende des Abends hat er lediglich 6,7 Prozentpunkte Rückstand auf Demirel.
Der Münchner CSU-Chef Georg Eisenreich bescheinigt allen CSU-Kandidatinnen und -Kandidaten einen guten Wahlkampf. "Sehr geschlossen, sehr engagiert, auch in den schwierigen Ecken", sagt er. Manuel Pretzl, sein Stellvertreter als Bezirkschef und Vorsitzender der Fraktion im Stadtrat, zeigt sich noch euphorischer als Eisenreich. "Wir sind die Wahlgewinner in München", sagt er. Keine andere Partei habe ähnlich zugelegt. Voll des Lobs ist er auch über seinen früheren Stadtratskollegen Dietrich. "Wir haben erwartet, dass er gewinnt. Aber gleich so? Das ist ein ganz, ganz starkes Ergebnis für ihn."