Die diebische Freude über seinen jüngsten politischen Coup steht Christian Ude ins Gesicht geschrieben - auch jetzt noch, fast zwei Monate nachdem er mit einer Entscheidung herausgeplatzt ist, die Bayerns politische Landschaft nachhaltig erschüttert. Pünktlich zur nachrichtenarmen Sommerzeit hatte Münchens sozialdemokratischer Oberbürgermeister verkündet, dass er an die Spitze eines Oppositionsbündnisses treten und die CSU samt Horst Seehofer aus der Staatskanzlei jagen will.
Nicht nur die SPD schüttelt seither ihre Depression ab, die sie in den Untiefen der ewigen Opposition entwickelt hat. Auch Christian Ude ist völlig verwandelt von seiner eigenen Strahlkraft - und von der Aussicht, dass er dem politischen Ruhestand noch für ein paar Jahre entkommen könnte.
Aus seinem Alleingang, den Ude vom Strand auf Mykonos betrieben hat, wird allmählich ein Teamprojekt. Mit zwei Vollzeitjobs als Münchner OB und Städtetagspräsident braucht Ude für seine Kampagne Helfer, denen er blind vertrauen kann. Und in seinem Schatten bringen sich längst diejenigen in Position, die mit ihm ganz nach oben wollen.
Seinen allerengsten Kreis nennt Ude selbst "das Quartett": Gemeint sind SPD-Landeschef Florian Pronold, Landtags-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher, Generalsekretärin Natascha Kohnen - "und ich", wie Ude bestens gelaunt beim SZ-Wiesn-Stammtisch erzählt. Lange wird es das Quartett aber nicht mehr geben, denn es hat einen entscheidenden Makel: der in Bayern sakrosankte Regionalproporz ist nicht gewahrt. Im Quartett gibt es keinen Franken.
"Das ist das erste, was wir ins Lot bringen werden, sobald der Landesvorstand am 7. Oktober seine Aufforderung ausgesprochen hat", sagt Ude und schiebt in süffisanter Siegessicherheit hinterher: "Es gibt nichts Heiligeres als Gremienbeschlüsse, die warten wir natürlich ab."
"100-wöchiges Crescendo mit 100 guten Nachrichten"
Während Ude also auf die Gremien wartet, nutzt er die Zeit, sein Schattenkabinett weiter zu formen. Einen Namen nennt er dabei besonders gerne: Julian Nida-Rümelin, den er sich einst als Nachfolger im OB-Amt gewünscht hatte. Jetzt hat Ude sich für den Philosophieprofessor eine neue Rolle ausgedacht: Er soll sein Wissenschafts- und Kunstminister werden.
Die Freien Wähler lobt Ude erneut als Kooperationspartner, der bestens zu ihm passe: "Nach 15 Jahren Zusammenarbeit im Städtetag kenne ich fast alle Bürgermeister größerer Orte persönlich", sagt Ude. An Parteichef Hubert Aiwanger, der sich schon jetzt als launischer Königsmacher gebärdet, schickt er augenzwinkernd eine als Mahnung verpackte Einladung: "Wenn Aiwanger glaubt, ich verstünde nichts von Ackerbau und Viehzucht, dann hat er leider Recht. Aber er sollte deshalb nicht die agrarpolitische Kompetenz der Regierung Ude unterschätzen - er selbst dürfte der zuständige Minister sein!" Zugleich zieht Ude klare Grenzen: Wenn Aiwanger Wirtschaftsminister werden wolle, müsse er das begründen.
Über weitere Namen will Ude sich ausschweigen, obwohl seine Überlegungen längst weiter gediehen sein dürften. Der erfahrene Wahlkämpfer weiß aber, dass er nicht alle Trumpfkarten auf einmal spielen darf. Eine seiner schwierigsten Aufgaben dürfte sein, die Euphorie in der SPD und die in ersten Umfragen aufscheinende Wechselstimmung im Lande über die zwei langen Jahre bis zur Wahl aufrecht zu erhalten.
Seine Kampagne stellt Ude sich deshalb als "100-wöchiges Crescendo mit 100 guten Nachrichten" vor - "nicht als Feuerwerk, das mit dem Ende der Wiesn abgebrannt ist". Zwei weitere Andeutungen macht er trotzdem schon jetzt: Mit Generalsekretärin Kohnen habe er "eine lückenlose Übereinstimmung und persönliches Vertrauen", und auf Stadtkämmerer Ernst Wolowicz als Berater zu verzichten - das könne er sich nicht vorstellen.
Mitten im Höhenflug denkt Ude zumindest öffentlich nicht darüber nach, dass der Sturz für die SPD umso tiefer wird, wenn sie selbst mit ihm als Spitzenkandidaten nicht aus der Opposition herauskommt. Noch ist der Jubel in seiner Partei zu laut. Und noch ist Ude von Fans und Verehrern umlagert, egal wohin er sich wendet. Noch eine knappe Woche. Dann ist zumindest die Wiesn vorbei.