Landtag:So sieht das Maximilianeum von innen aus

Hinter der historischen Fassade des bayerischen Landtags wird nicht nur debattiert, sondern auch gegessen, gesendet, geraucht - und geschwiegen.

Von Lisa Schnell

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Quelle: Stephan Rumpf

Das Maximilianeum ist Arbeitsort für die 180 Abgeordneten, die im Bayerischen Landtag sitzen. Doch hinter dem imposanten Gemäuer des 1874 vollendeten Bürklein-Bau am Ende der Maximilianstraße ist Platz für viel mehr als nur den Plenarsaal und die Büros der Abgeordneten. Manches ist im Laufe der Zeit zum Relikt geworden - und hat dennoch nicht an Bedeutung verloren.

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Alles ordentlich

Bayerischer Landtag

Quelle: dpa

Unordentlich sollte das Plenum nicht wirken, da waren sich alle einig, als der Plenarsaal 2003 umgebaut wurde. Wie sieht das denn aus, wenn alle aufstehen und die Stühle stehen wild in der Gegend rum? Also saßen die Abgeordneten ausgiebig Probe, um herauszufinden, welche Stühle die besten sind. Am Ende entschied man sich für Stühle, die auf Schienen laufen. Kaum hat man sich erhoben, schnellt der Stuhl wieder in seine ursprüngliche Position zurück. Einziger Wermutstropfen: Die Gewinnerfirma sitzt in Baden-Württemberg. Aber so ist Wettbewerb nun mal.

Gegen den können die 180 Abgeordneten ja nichts haben, schließlich streiten sie sich im Plenum um die besten Ideen. Früher fand die geistige Erleuchtung in einem sehr düsteren Umfeld statt. Kein einziger Sonnenstrahl erreichte die Abgeordneten. Bei Fernsehaufnahmen mussten über 1000 Glühlampen eingeschaltet werden, erinnert sich Peter Worm, Amtschef des Landtags. Die Stuhlreihen waren außerdem so eng, dass immer alle aufstehen mussten, wenn einer raus wollte. Praktisch zwar, um die heute oft beklagte Leere im Parlament zu vermeiden. Die meisten Abgeordneten bevorzugen aber die jetzige Sitzordnung, auch wenn die Stühle aus Baden-Württemberg sind.

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Wirtschaft im Wandel

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Quelle: Stephan Rumpf

Früher war alles gemütlicher im Landtag und auch im Restaurant, sagt Wirtin Eva Mühlegg. Früher, da genehmigte sich der ein oder andere Abgeordnete auch schon mittags ein Weißbier, erzählt sie. Da blieben viele noch lange bei ihr im Restaurant sitzen, gerne auch für eine Schafkopfrunde. Die Zugverbindungen waren noch nicht so gut, große Unternehmungen nach dem Plenum lohnten sich nicht. Jetzt aber rollten die Abgeordneten ihre Koffer ruckzuck zum Bahnhof, damit sie noch zu ihrer Veranstaltung im Stimmkreis kommen.

Nicht nur die Geschwindigkeit, auch die Essenswünsche haben sich geändert, erzählt Mühlegg. Früher gab es bei ihr fast ausschließlich Bayerisch-Deftiges. Bei Salat dachten die meisten damals noch an Fleischsalat. Dann aber kamen die Grünen in den Landtag und verlangten nach Körnigem. Und selbst die CSUler gelüstete es immer mehr nach leichter, mediterraner Küche. Also stellte Mühlegg um. Oft tischt sie mitten in der Nacht auf, wenn das Plenum mal wieder länger dauert, einmal sogar bis um fünf Uhr in der Früh. Mittlerweile ist ihr Restaurant sonntags auch für Nicht-Politiker geöffnet. Wäre auch zu schade gewesen, wenn der Blick von der Sonnenterrasse über die ganze Stadt der Allgemeinheit vorenthalten bliebe.

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Von Gelehrten umgeben

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Quelle: Stephan Rumpf

Auch heute lernt man bestimmt noch etwas im Konferenzzimmer. Die Delegation aus Flandern etwa, wie bayerische Küche so schmeckt, als sie hier kürzlich ihr Mahl einnahm. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die ein oder andere Lehre von seinem Besuch in Bayern mitgenommen haben, als er sich im Konferenzzimmer in das Ehrenbuch des Landtags eintrug. Etwa, dass auch die CSU mal einen SPD-ler wählen kann.

Ganz trifft die heutige Nutzung des Konferenzzimmers aber wohl trotzdem nicht den eigentlich Zweck, den König Maximilian II. ihm zugedachte. Er ließ das Maximilianeum 1857 von Architekt Friedrich Bürklein als Bildungsstätte für das Volk bauen. Mit Hilfe großer Wandgemälde, die Maximilian II. eigens in Auftrag gab, sollte dem Volk die Historie nähergebracht werden. Im Konferenzzimmer setzte der fortschrittsbegeisterte König (als Grundstein ließ er eine Eisenbahn vergraben) deshalb allen möglichen Gelehrten und Erfindern durch ein Fresko ein Denkmal. Zu erkennen ist etwa Johannes Gutenberg, der Erfinder des Buchdrucks, oder Christoph Kolumbus, eine Weltkugel in den Händen. Im Mittelpunkt aber steht Alexander von Humboldt, wie er in den Kreis bayerischer Wissenschaftler eingeführt wird.

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Kalte Katakomben

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Quelle: Stephan Rumpf

Kurz bevor es in die Tiefgarage geht, steuert Architektin Margot Meuer auf eine kleine, metallene Tür zu. Hinter ihr ist es kalt und feucht. Atmet man ein, spürt man den Staub, der hier in der Luft schwebt. Rechts und links ziehen sich rote Ziegelmauern in die Höhe, die sich in einem Spitzbogen wieder treffen, zehn Meter bis zur Decke. Wer sich an diesem Ort aufhält, braucht auch im Sommer noch eine Jacke. Architektonisch werden die Katakomben benötigt, um die Westfassade des Landtags zu halten. Früher waren sie auch das Abwassersystem. Durch Löcher in der Wand lief das Wasser bei starkem Regen aus dem Berg, auf dem das Maximilianeum steht, in die Katakomben.

Noch heute sieht man die sogenannten Wasserrutschen. Wasser am Boden wäre jetzt aber doch recht unpraktisch. Heute nämlich lagert die Landtagsverwaltung hier Ersatzteile für die Terracotta-Westfassade des Landtags. Immer wenn ein Schnörkel oder Bogen abbricht, geht Meuer in die Tiefen unter den Landtag, um zu sehen, ob sie dort diese spezielle Art von Kringel findet. Meistens aber muss extra eine neue Form hergestellt werden, um ihn neu zu gießen. Wie viele verschiedene Ornamente und Formen die Fassade bereithält, weiß selbst Meuer nicht.

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Nichts zu sagen

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Quelle: Stephan Rumpf

Im Landtag wird viel geredet: Im Plenum, vor dem Plenum, nach dem Plenum und in den Ausschüssen auch. Zum Reden und Diskutieren ist so ein Parlament ja auch da. Aber irgendwann wollen wohl auch Parlamentarier ihre Ruhe. Zumindest gab es bei dem Umbau 2003 fraktionsübergreifend den Wunsch nach einem Raum der Stille. Nur, wie der aussehen sollte, darüber gab es unterschiedliche Vorstellungen: Die CSU stellte sich eine eher christlich geprägte Einkehr vor, die Grünen fanden das weniger gut. Also habe man sich geeinigt, den Raum möglichst religionsneutral zu halten, sagt Architektin Tanja Wagner.

Der Künstler Florian Lechner wurde mit dem Raumkonzept beauftragt. Er verwendete nur drei Materialien: Holz, Glas und Filz. Ganz vorne steht eine Klangschale auf einem Sockel, die zu einem Rednerpult für Andachten umfunktioniert werden kann. Daneben steckt ein Stab im Boden, an dessen Ende ein gläsernes Kreuz. Wen es stört, der kann den Stab einfach aus seiner Verankerung lösen und in den Schrank stellen. Dort liegen auch Gebetsteppiche bereit. Wie oft die Abgeordneten sich hier zurückziehen, wisse keiner so genau, sagt Wagner. Der Raum liegt extra ein wenig versteckt, damit man sich ungesehen zurückziehen kann.

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Draht nach draußen

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Quelle: Stephan Rumpf

Als Außengewand trägt der Landtag die maximilianische Architektur des 19. Jahrhunderts, innen aber gibt er sich natürlich hoch modern. Auch im Pressezimmer, wo die Journalisten ihre Gedanken zu Seehofer und den Seinen in die Laptops hacken, hängt an der Wand ein großer Flachbildschirm, über den die Debatten im Plenum direkt übertragen werden. Nur eines mutet etwas anachronistisch an: An einer Wand stehen drei Telefonzellen nebeneinander. Sicher, recht edel in weiß mit interner Beleuchtung und Ablagebrett für den Notizblock, aber Telefonzellen? Jetzt, wo jeder sein Smartphone ständig am Ohr hat, so dass man Angst haben muss, dass es noch anwächst?

Ja, die braucht es, sagt Uli Bachmeier, Präsident der Landtagspresse. Zum einen ist es gar nicht so einfach, im Landtag ungestört zu telefonieren. Und wenn man dann mal eine ruhige Ecke gefunden hat, ist kein Empfang. Zum anderen müssen Journalisten ihre Quellen schützen. Wenn Politiker nicht mehr sicher gehen könnten, dass ihre Telefonate von niemandem mitgehört werden, stünde wohl nur halb so viel Interessantes in der Zeitung. Und auch die Journalistenkollegen müssen ja nicht immer alles mithören. So argumentierte Bachmeier gegenüber der Verwaltung. Mit Erfolg.

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Rauch in der Dunkelkammer

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Quelle: Stephan Rumpf

Franz Schindler, 61, raucht HB, eigentlich irgendwie schon immer. Nur die Art und Weise, wie er es tut, hat sich verändert. Als er 1990 in den Landtag kam, blies er den Rauch noch in sein Büro hinein, es gab zwei Zigarettenautomaten. "Die sind schon ewig weg", sagt Schindler. Wie oft er abends noch zum Hauptbahnhof fährt, um Zigaretten zu kaufen, weiß er nicht genau, aber es ist oft. Seine Marke gibt es ja kaum noch in Automaten - und im Landtag nur noch ein kleines Räumchen für Raucher. Schindler nennt es die Dunkelkammer. Bis zu 15 Leute stehen hier und rauchen in die Abzugshauben hinein. Immer dann, wenn es auf den Arkaden oder der Terrasse zu windig ist, setzt sich der Pilgerzug der Raucher in Bewegung.

Neben SPD-Mann Schindler steht manchmal auch Thomas Kreuzer, CSU-Fraktionschef. Viel mehr als ihr Jura-Studium verbindet die zwei nicht. Vielleicht ja die Solidarität unter Rauchern? Nein, sagt Schindler. Eigentlich stünden nur alle andächtig rum und schämten sich, dass sie noch rauchen, sagt er, durchaus ein Freund des trockenen Humors. Es mache wirklich gar keinen Spaß mehr. Und das sei ja auch gut so. Den Rauchern soll es so schwer wie möglich gemacht werden, sagt Schindler. So gesehen mag er sie, die Dunkelkammer.

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Auf Sendung

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Quelle: Stephan Rumpf

Oft sitzt Nikolaus Neumaier vom Bayerischen Rundfunk in seinem Hörfunkstudio und wundert sich. Vor der Glasscheibe, von der er direkt ins Plenum blicken kann, beobachtet er gar sonderbare Aufführungen. Ein Abgeordneter stellt sich direkt vor ihn, hebt die Hand zur Stirn und streicht sachte eine Haarsträhne glatt. Direkt in die Frage, ob der Schiebel auch sitzt, schleicht sich dann meist die Erkenntnis: Das ist ja gar kein Spiegel! Staatskanzleichef Marcel Huber ist das bekannt. Er grüßt Neumaier durch die spiegelnde Scheibe mit einem höflichen Diener.

Wie Minister und Abgeordnete ihm zuwinken, ist für Neumaier schon mal ein erster Indikator, wie die Stimmung gerade so ist. Als Redaktionsleiter für Landespolitik hat er schon Tage erlebt, an denen er alle zehn Minuten bei einem anderen Radiosender auf Sendung war, um die Wirren der bayerischen Landespolitik zu erklären. Er und seine vier Kollegen vom Hörfunk beliefern insgesamt 60 ARD-Radiowellen. Auf seinem Bildschirm läuft eine zackigförmige Tonspur. Die Landtagsdebatten kann er direkt mitschneiden, nebenan ist eine Einsprechkabine. Und wenn es mal nicht so spannend ist, sind auch die Vorführungen vor seiner Glasscheibe recht unterhaltsam.

© SZ vom 09.05.2017/vewo
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