Zwischen Ornithologie und Kulinarik:Ach, du blaues Ei

LMU Vogelklinik bei Professor Rüdiger Korbel, Vogel und Reptilieneier

Eier vom Strauß, Nandu über Pute, Gans und Huhn, bis zum Sittich - fast alle sind essbar, eines hat perfekte Backeigenschaften.

(Foto: Florian Peljak)

In der Vogelklinik der Ludwig-Maximilians-Universität in Oberschleißheim dreht sich alles um das Ovum. Rechtzeitig zu Ostern prüft dort Professor Rüdiger Korbel die Tierprodukte auf ihre Küchentauglichkeit

Von Michael Morosow, Oberschleißheim

Bunt bemalte Eier gehören zu Ostern wie ein Christbaum zu Weihnachten. Am Ostersonntag werden wieder alle Kinder die Ecken der Wohnung oder des Gartens nach ihnen absuchen, wie es früher auch schon ihre Eltern und Großeltern getan haben. Sie finden zwar Eier in allen Farben, aber nur in einer Größe. Denn produziert wird es überall gleich, in Flensburg wie in Berchtesgaden: vom Huhn. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland allein in Geflügelbetrieben knapp zwölf Milliarden Eier produziert - alle dem Huhn vor dem Ausbrüten unter dem Bürzel weggezogen.

Kein anderes Geflügel schart mit den Füßen, um Huhn und Hahn dieses Monopol streitig zu machen, obwohl solches durchaus möglich wäre. "Es gibt 8800 Vogelarten mit 28 000 Unterarten, und ein jedes legt Eier", sagt Professor Rüdiger Korbel, Leiter der Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Zierfische, dem Zentrum für Klinische Tiermedizin der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.

LMU Vogelklinik bei Professor Rüdiger Korbel, Vogel und Reptilieneier

Leiter der Klinik für Vögel: Rüdiger Korbel.

(Foto: Florian Peljak)

Das größte? Das Straußenei!

Aying, Hühnerhaltung im häuslichen Garten,

Die Herrin der Eier: Eine glückliche Henne aus Aying

(Foto: Angelika Bardehle)

Bis zu 320 Studenten jährlich werden hier in Oberschleißheim unterrichtet und versorgen während ihres Studiums medizinisch 6000 "Vogelpatienten", darunter 800 Wirtschaftsgeflügel wie Huhn, Ente, Gans und Pute. Es spielt für sie weniger eine Rolle, wie schmackhaft die Eier aus anderen Gelegen schmecken, Lehre und Forschung stehen klar im Mittelpunkt der Einrichtung. Für die SZ hat Professor Korbel aber eine Ausnahme gemacht und verschiedene Gelege nach ihrer Küchentauglichkeit abgeklopft.

Das größte zuerst, das Straußenei: Das sture Festhalten an der Rezeptangabe für Rührkuchen - ein Ei auf 50 Gramm Zucker und 50 Gramm Butter - würde zur kulinarischen Katastrophe führen. "Ein Straußenei entspricht 34 Hühnereiern", erklärt der Professor. Straußeneier können eine Größe von bis zu 20 Zentimetern und ein Gewicht bis zu 1,9 Kilogramm erreichen, weshalb man beim Eierausblasen sehr viel Puste braucht. Wer tatsächlich ein Straußenei ins kochende Wasser legt, sollte es freilich nicht eilig haben:

"Wegen der dicken Schale ist die Kochzeit 20 Mal so lang wie bei Hühnereiern", sagt der Klinikleiter. Vier bis fünf Eier lege ein Straußenweibchen im Jahr, in Wildform noch ein zweites Gelege dazu, für den Fall, dass Beutegreifer sich an seinem Nachwuchs schadlos halten. Die Eier würden in einem Gemeinschaftsgelege erbrütet, "wobei jede Henne ihre eigenen Eier anhand des Eischalenporen-Verteilungsmusters erkennen kann".

Vom Ornithologischen zurück zum Kulinarischen - zum Entenei: Dieses sei lange Zeit in Verruf gewesen, weil von ihm angeblich Salmonellengefahr ausgegangen sei. "Das ist ein Irrglaube", weiß der Experte. Enteneier könnten wie Hühnereier Verwendung in der Küche finden - und jeden Kuchenbäcker in Verzückung versetzen: "Enteneier sind fettreicher und machen jeden Kuchen feinporiger und außerdem safrangelb", schwärmt Professor Korbel von den Backeigenschaften eines Enteneis.

Eine Mitarbeiterin bringt nun ein Ei von der Wachtel herbei - "frisch von der Patientin geholt", wie sie sagt. Dass Wachteleier essbar und durchaus schmackhaft sind, ist bekannt, "man nennt sie auch Löffeleier", sagt Korbel. Gekochte Wachteleier kämen aber ohnehin meist nur als Gag auf den Tisch. Eine Gelege bestehe aus vier bis fünf, höchstens sieben Eiern. Zum sattwerden braucht man wohl mehrere Gelege.

Das kleinste? Vom Wellensittich!

Nun wendet sich Korbel zwei Eiern zu, die zuvor, es ist ja Osterzeit, vermutlich jemand grün und blau gefärbt hat. "Nein", erklärt der Professor, "es gibt in der Natur auch grüne und blaue Hühnereier". Sie liegen in den Nestern des chilenischen Aurakana-Huhns sowie des Marans-Huhns, das in Frankreich gezüchtet wurde. Eine Besonderheit dieser Eier ist ihre sehr dicke Schale, welche eine Verdunstung der Flüssigkeit und das Eindringen von Keimen und Bakterien verzögert.

Dadurch können sie auch sehr lang gelagert werden. "Die Farbe ist ein Abbauprodukt des Blutes, das sich in den Schalen eingelagert hat", erklärt der Lehrstuhl-Inhaber. Und der kulinarische Nutzen? "Die Eier sind ärmer an Cholesterin und deshalb gesünder. Sie seien in Feinkostläden zu finden. Ja, und wohl die idealen Ostereier, muss man sie doch nicht mehr färben.

Jetzt ist die Kette von Eiern, die Rüdiger Korbel für den Fotografen auf einem Tisch platziert hat, komplett - vom riesigen Straußenei bis zum winzigen Ei eines Wellensittichs, auf dessen Kocheigenschaften der Professor freilich ebenso wenig eingeht wie auf die eines Schildkröteneis. Aber sie stammen halt auch aus den Gelegen der Tierklinik. Nun berichtet er über den Kardinalfehler, den der Verbraucher bei der Lagerung von Hühnereiern begeht: "Viele legen Hühnereier in den Kühlschrank, das ist völlig falsch", sagt Korbel. Im Kühlschrank, so erklärt er, ziehe sich der Ei-Inhalt zusammen und verdunste die Flüssigkeit, die Haltbarkeit des Eis werde dadurch kürzer. Und Fehler mache man auch, wenn man Eier wasche, denn dadurch entferne man die dünne Wachsschicht auf der Eischale, die verhindert, dass Umweltkeime eindringen. Zur Veranschaulichung zeigt er auf ein perfektes Straußenei, das glänzt, als wäre es mit Farbloslack überzogen worden, und auf eines daneben mit stumpfer Oberfläche, das von einem erkrankten Patienten stammt. Und noch ein letzter Tipp vom Fachmann: "Eier in der Pappschachtel müssen immer mit dem stumpfen Pol nach oben stehen, "sonst steigen Luftblasen nach oben und werden Keime eingesaugt".

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