Neubiberg:Behörden haben kaum Möglichkeiten gegen Zweckentfremdung

Lesezeit: 4 min

Die Betrüger nutzen manchmal auch den Zimmervermittler Airbnb. Sie mieten eine Wohnung an für ein paar Tage und laden dann Wohnungsinteressenten ein. Nach dem Besichtigungestermin fragen sie dann nach der Kaution. (Foto: Schöning/Imago)

Müll vor der Tür und Lärm: In einer Neubiberger Wohnung ist die Fluktuation derart hoch, dass ein Nachbar vermutet, die Räume würden als Arbeiterunterkunft genutzt.

Von Daniela Bode, Neubiberg

Es ist ein heikles Thema. Auch und gerade im Landkreis München. Wird kostbarer Wohnraum zweckentfremdet, also beispielsweise als Ferienwohnung angeboten, ärgern sich viele. In einigen Rathäusern sind die Mitarbeiter in den Verwaltungen daher sogar dankbar, wenn Bürger achtsam sind und verdächtige Nutzungen melden.

Unterföhring
:Touristen im Keller

Unterföhring versagt einer nachträglichen Nutzungsänderung von Kellerräumen die Zustimmung. Hausbesitzer hatten sie an Touristen vermietet.

Von Irmengard Gnau

Nur ist nicht jede Nutzung, die den Anschein einer Zweckentfremdung erweckt, auch gleich eine solche. Ein Paradebeispiel dürfte da eine Wohnung in Neubiberg sein, die zum Leidwesen der Nachbarn offenbar zumindest zeitweise wie eine Art Beherbergungsbetrieb für Arbeiter genutzt wurde.

Schon länger ärgerte sich Bernd Engelleder, Eigentümer von zwei Ladenlokalen im Erdgeschoss und der Wohnung im ersten Stock der Hauptstraße 63, über die Zustände in der Drei-Zimmer-Wohnung im zweiten Stock des Hauses, die einem anderen Eigentümer gehört. Seit mehr als zwei Jahren beobachtete er regelmäßige Wechsel der Bewohner. Anfang September 2015 seien etwa zehn Personen, vermutlich Bauarbeiter oder Monteure, eingezogen. Anfang Oktober seien sie wieder ausgezogen, die Wohnung sei gereinigt und es seien neue Betten zur Verfügung gestellt worden.

Kurz danach hätten etwa 15 Personen die Wohnung bezogen. Im Januar dieses Jahres beobachtete er, dass zehn Personen mit Lieferwagen mit ungarischem Kennzeichen angekommen seien. Nach Recherchen von Engelleder gehörten die damaligen Eigentümer der Wohnung zur Firma First Sleep GmbH. Sie bietet im Großraum München Serviced Apartments für Geschäftsreisende an. Mittlerweile hat die Wohnung den Eigentümer gewechselt.

Engelleder empörten mehrere Dinge. Er klagte schon 2015 über zu viel Müll. Er sah Melde- und Brandschutzgesetze verletzt. Er fragte sich außerdem, ob noch von einer zulässigen Nutzung von Wohnraum gesprochen werden kann und ob nicht das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum verletzt werde. Er wandte sich mit den Anliegen an die Gemeinde, das Landratsamt und die Polizei. Zu Engelleders Ärger sagte Neubibergs Bürgermeister Günter Heyland (Freie Wähler) im Dezember in der Süddeutschen Zeitung, in seiner Gemeinde habe es bisher keine Beschwerden von Bürgern über zweckentfremdete Wohnungen gegeben. Wie passt das zusammen?

Bei einer Kontrolle öffnete niemand

Bernd Engelleder gehören zwei Läden im Haus an der Neubiberger Hauptstraße. Er ärgerte sich über zu viel Trubel in der Wohnung im zweiten Stock. (Foto: Claus Schunk)

Dass die angerufenen Stellen sich nicht für die Anliegen interessierten, kann so nicht gesagt werden. Sie konnten nur offenbar rechtlich nicht viel ausrichten. Nach Aussage des Landratsamts hatte bei Ortsbegehungen und einer Baukontrolle zunächst niemand die Tür der betreffenden Wohnung geöffnet. Robert Fritsch, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion 28 berichtet, dass sie dort "seit 2016 zwei Einsätze wegen Ruhestörung hatten", aber vor Ort nichts zu beanstanden gewesen sei.

Aus Sicht der Polizei sei das Haus unauffällig. Zudem könne man solche Wohnungen nicht überwachen. "Wir haben es aber im Auge und schauen es uns noch mal an", sagte er der SZ. Das tat die Polizei dann auch Anfang Januar. Bei der Gemeinde hatte Engelleder im Ordnungsamt mehrmals vorgesprochen, sein Anliegen war an das Landratsamt mit Bitte um eine Baukontrolle weitergeleitet worden.

Auf Engelleders erneute Anfrage im Dezember hin prüfte die Gemeindeverwaltung den Fall gründlich, der Bürgermeister sowie Mitarbeiter des Ordnungsamts trafen sich mit dem Beschwerdeführer zu einem Gespräch über das weitere Vorgehen. Das Ergebnis der Prüfung sah allerdings für Engelleder nicht unbedingt vielversprechend aus. Für das Haus in der Hauptstraße, in dem die Wohnung liegt, besteht laut Bürgermeister Heyland nur eine Genehmigung als Wohn- und Geschäftshaus.

Auch der Bebauungsplan hilft nur bedingt weiter: Darin ist nicht genau festgelegt, wofür das Gebäude genutzt werden darf; die unmittelbare Nachbarschaft entspricht jedoch einem allgemeinen Wohngebiet. Und in einem solchen sind nach der sogenannten Baunutzungsverordnung Betriebe des Beherbergungsgewerbes ausnahmsweise zulässig; dafür gibt es auch mehrere Beispiele in der Hauptstraße.

Wohnen
:Kampf gegen Zweckentfremdung: 2017 wurden 298 Wohnungen "gerettet"

Im vergangenen Jahr wurden außerdem mehr als 850 000 Euro an Bußgeld verhängt.

Von Anna Hoben

Das bedeutet: Würde der Eigentümer einer bislang nur für Wohnnutzung genehmigten Wohnung einen entsprechenden Antrag auf eine Nutzungsänderung für einen Beherbergungsbetrieb stellen, täte sich der Neubiberger Bauausschuss schwer, diesen abzulehnen, vorausgesetzt, alle Vorgaben wie Stellplätze sind erfüllt. "Selbst wenn die Gemeinde Neubiberg eine Zweckentfremdungssatzung hätte, würde diese hier nicht greifen", sagt Bürgermeister Heyland.

In einer solchen Satzung kann eine Kommune regeln, dass Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken nur mit einer Genehmigung verwendet werden darf. Im vorliegenden Fall liege aber auch keine Zweckentfremdung vor, sagt Heyland - denn in der Hauptstraße wäre ein Beherbergungsbetrieb laut Bebauungsplan ja grundsätzlich denkbar. "In einem reinen Wohngebiet wäre das etwas anderes."

Gleichwohl wollte die Gemeinde den Beschwerden weiter nachgehen. Man plante, den Eigentümer anzuhören und ihn gegebenenfalls aufzufordern, eine Nutzungsänderung zu beantragen. Der Eigentümer hatte auf Nachfrage der SZ angegeben, dass er die Wohnung an eine im Münchner Umland ansässige Firma vermietet habe; mit dieser sei eine Wohnnutzung vereinbart gewesen. Nach den Beschwerden Engelleders sagte auch der Eigentümer zu, dem Mieter ins Gewissen zu reden.

Die Wohnung stand bei einer neuen Begehung leer

Die Bemühungen haben offensichtlich Wirkung gezeigt: Anfang März habe das Landratsamt als Aufsichtsbehörde auf Bitten der Gemeinde hin eine weitere Begehung in der betreffenden Wohnung an der Hauptstraße gemacht, sagt Neubibergs Bürgermeister Heyland. Dabei fanden die Mitarbeiter eine leer stehende Wohnung vor. Damit ist der Mieter einer möglichen Nutzungsänderung zuvor gekommen - diese ist nach aktuellem Stand nicht mehr nötig.

"Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Mehrfachbelegung der Wohnung oder eine ständig wechselnde Belegung jetzt noch vorliegen", sagt Heyland. Die weiteren Bedenken Engelleders bestätigten sich übrigens nicht beziehungsweise will die Gemeinde diese weiter prüfen. So ist zum Beispiel das geltende Melderecht laut dem Rathauschef nicht verletzt. Denn nach Paragraf 29 Absatz 1 Bundesmeldegesetz ist meldepflichtig, wer für länger als sechs Monate in Einrichtungen aufgenommen wird, die der gewerbs- oder geschäftsmäßigen Aufnahme von Personen dienen. Dort steht außerdem, wer nicht für eine Wohnung im Inland gemeldet ist, muss sich innerhalb von zwei Wochen anmelden, wenn sein Aufenthalt länger als drei Monate dauert.

© SZ vom 28.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: