Zamma-Festival:Wenn Haarer erzählen

Haar, Seniorenzentrum, Zamma-Festival, Haarer Lebensgeschichten,  Foto: Angelika Bardehle

Margarethe Geiger versorgte Verletzte nach einem Bombenangriff und bekam auch mit, dass Patienten der Heil- und Pflegeanstalt ermordet wurden.

(Foto: Claus Schunk)

Eine Ausstellung anlässlich des Zamma-Kulturfestivals bereitet die Aussagen von Zeitzeugen auf. Erinnerungen an Euthanasie-Morde und Bombenangriffe stehen dabei neben heiteren Anekdoten aus der Nachkriegszeit.

Von Bernhard Lohr, Haar

Was Haarer Kinder und Jugendliche in Kriegszeiten zu sehen bekamen, mag sich heute kaum noch jemand vorstellen. Daran reicht allenfalls heran, was in gefilterter Form in den täglichen Fernseh-Nachrichten aus den Kriegsgebieten in Syrien und Irak berichtet wird. Margarethe Geiger, Jahrgang 1925, hat Fliegerangriffe erlebt und wurde zum "Engel von Haar", weil sie nach Bombentreffern auf einen Zug im Haarer Bahnhof als eine der ersten Helfer an der Unglücksstelle war und Verletzte versorgte. Sie bekam aber auch schmerzlich mit, dass vielen Menschen in Haar Leid zugefügt wurde, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte.

Die Ausstellung "Haarer Lebensgeschichten", in der die Gemeindewerke Haar anlässlich des Zamma-Kulturfestivals Bürger der Gemeinde von früher erzählen lässt, wirft Schlaglichter auf die Vergangenheit - auch auf die Euthanasie-Morde in der Heil- und Pflegeanstalt Haar-Eglfing, denen nach jüngsten Studien bis zu 1800 Menschen mit Behinderung zum Opfer fielen. Margarethe Geiger erinnert sich, wie das damals in Haar Thema war. Patienten seien in Bussen mit abgedunkelten Scheiben abtransportiert worden. Viele seien in der Kinderabteilung umgebracht worden, erzählt sie, und deren Schicksal sei mit fadenscheinigen Erklärungen abgetan worden. Es sei schmerzhaft, Fragen zu hören, warum man nichts dagegen getan habe. "Es hat sich einer vor dem anderen gefürchtet", sagt Geiger. Was hätte man tun können? Man sei damals schon wegen Kleinigkeiten verhaftet worden.

Sepp Maier und der Sportunterricht

Zu den Haarer Lebensgeschichten gehören aber auch amüsante Erinnerungen, etwa an eine gemeinsame Schulzeit mit Sepp Maier, dem legendären Torhüter der WM-Mannschaft von 1974. Richard Fechter, Jahrgang 1944, erzählt, dass Maier ein lebhafter Schüler war, der seine Lehrerin forderte. "Sepp, wennst koa Rua gibst, dann fallt der Sport aus!" So hat sie gedroht. Und weil er sich einfach nicht daran halten konnte, kam es auch so, was für den fußballverrückten Maier damals ein schwerer Schlag war. Dann habe er "immer bitterlich geweint", erzählt Fechter. Aber nicht unbedingt aus Verzweiflung. Es "war halt auch eine Methode", weiß der Mitschüler von damals und ruft ein Bild vom Maier Sepp wach, das an den späteren Spitzensportler erinnert, der als Spaßvogel im Tor des FC Bayern Weltkarriere machte.

Es sind sehr authentische Erzählungen, die dem Vergessen entrissen wurden. Ob es nun die Tochter des Forstmeisters aus der Finckschen Forstverwaltung ist, die berichtet, wie sie als Kind verstört aufnahm, dass ihr Vater von den Nazis weggesperrt wurde, weil er Königstreuer war, wie sie später erfuhr. Hubert Allekotte, Jahrgang 1937, erinnert sich, wie er als Siebenjähriger dem von den Nazis hochdekorierten Fliegergeneral Adolf Galland - einem Frauenschwarm - begegnete, der in Keferloh einquartiert war. Der Duft des französischen Parfums, das dessen Begleiterin trug, ist Allekotte ebenso in Erinnerung geblieben wie die Schokolade, die er von ihr bekam.

Die Geschichten sind noch bis Samstag, 8. Juli, als Foto- und Texttafeln in einer Ausstellung im Senioren-Club zu sehen. Dazu können per QR-Code und Smartphone Audio-Dateien der Interviews gehört oder Videomitschnitte angesehen werden. Die Symbole auf einer Karte führen zu den einzelnen Beiträgen. Zu finden ist das auch unter https://www.haar24.com/zamma.

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