Yusuf Islam/Cat Stevens in München:Zum Heulen. Schön.

Yusuf Islam alias Cat Stevens tritt in der Münchner Olympiahalle auf. Nach einer Pause von 35 Jahren ist es mit ihm wie mit einer alten Liebe: Die Erwartung ist hoch, das Zusammentreffen schön, man erinnert sich gern an gute gemeinsame Tage. Aber man spürt - die große Zeit ist unweigerlich vorbei.

Lars Langenau

Now that I've lost everything to you / You say you wanna start something new / And it's breakin' my heart you're leavin' Baby, I'm grievin' / But if you wanna leave, take good care (Wild World, Cat Stevens, 1970)

Yusuf Islam / Cat Stevens

Yusuf Islam alias Cat Stevens: Zeitlos schöne Lieder.

(Foto: Stefan M. Prager)

Mit Cat Stevens ist es wie mit einer alten Liebe. Man musste sie ziehen lassen, weil es nicht ging. Weil etwas nicht stimmte, weil sie etwas Neues wollte. Man leidet, sieht dann lange nichts von ihr, hört viel Verrücktes, reimt sich einiges zusammen - und später ist sie dann auch noch mit einem neuen Namen ausgestattet. Mancher Zauber mag nie verfliegen. Aber letztendlich sind es nur Erinnerungen an eine gute gemeinsame Zeit. Doch die scheint unweigerlich vorbei. Nun ja, "The First Cut Is The Deepest".

Nach 35 Jahren tritt Cat Stevens alias Yusuf Islam wieder mit seiner Akkustikgitarre in Deutschland auf. Nach Hamburg, Berlin und Oberhausen zog er gestern in die sehr gut gefüllte, wenn auch nicht ausverkaufte Münchner Olympiahalle ein. Nach einem sensiblen Anfang allein vor dem spartanischen Bühnenbild schien es, als sei seine berühmte Samtstimme durch seinen neuen Wohnort Dubai etwas sandig geworden. Er kam einfach nicht mehr so hoch wie vor vier Jahrzehnten. Verständlich und verzeihbar bei einem inzwischen 62 Jahre alten Musiker. Seine wundervollen Lieder können doch alles retten. Oder?

Doch warum er dann ganz zu Anfang drei Welthits in kurzen Medleys verhackstückte, bleibt sein Geheimnis. Leider fehlte auch "Lady d' Arbanville", ein Stück, das er heute wohl für zu frivol hält. Es wirkte zu diesem Zeitpunkt so, als würde Yusuf Islam nicht zu Cat Stevens, also seiner Geschichte, stehen.

Immerhin: Die Liebesballade "The First Cut Is The Deepest" sang er so schön wie damals zu seiner großen Zeit Anfang der siebziger Jahre. Und die Hoffnung stirbt zuletzt, wie auch die Hoffnung, dass er verstehen mag, dass seine Lieder längst Kulturgut geworden sind, das inzwischen allen zusteht.

Märchenstunde mit Yusuf

Nach und nach kam seine Band auf eine Bühne, die mit zunehmender Helligkeit wirkte, als sei sie von Bob dem Baumeister hingerotzt worden. Doch der Bass vermanschte sofort das Klangbild in der für solche Konzerte einfach ungeeigneten Olympiahalle. Gefühlte fünf Minuten brauchten die Tontechniker den Soundbrei wieder aufzulösen. Eine am Ende achtköpfige Band lieferte dann später doch noch den filigran austarierten Sound, der für die Umsetzung seiner Hits, aber auch für das Material aus zwei aktuellen Alben notwendig ist.

Dramaturgisch fahrlässig begann Yusuf dann, Teile aus seinem gerade im Entstehen begriffenen Musical "Moonshadow" in Form eines vollkommen seichten Märchens zu erzählen - und mit sehr einfachen Kinderliedern zu verbinden. Die Videoprojektionen zu dieser an Schwachsinn kaum zu überbietenden Story sind in ihrem Kitsch nicht zu rechtfertigen. Sollte da ein Urwald aus Tolkiens Auenland mystische Stimmung verbreiten? Oder sollten Planeten, die um die Erde kreisten, aber aussahen wie Ostereier auf Koks, Tiefe erzeugen? Kann jemand Yusuf Islam diese krude Idee bitte ausreden? Allein aus Gründen des Selbstschutzes?

All das trübte während des Konzertes nicht nur den Genuss der Musik, sondern verhinderte ihn. Zumindest wenn man dummerwiese die Augen geöffnet hatte. Es war zum Heulen in diesem Moment. Also: Augen zu und durch.

Zu diesem Zeitpunkt beschlich uns dann doch ein wenig das Gefühl, dass unsere alte Liebe heute ein wenig spinnt, ein wenig sonderbar geworden ist und es gut ist, wenn man sich nach zwei Stunden des Wiedersehens wieder trennt.

Er kann es noch - und zwar saugut

Die Pause nach gut einer Stunde war bitter nötig nach dieser fast durchgehend enttäuschenden ersten Halbzeit. Doch dann endlich versöhnte Yusuf seine Fans: mit seinen alten Welthits und Gassenhauern wie "Wild World", "Father and Son", "Morning Has Broken" und "Peace Train", mit denen er Anfang der siebziger Jahre vom Folksänger zum Popstar wurde.

Yusuf Islam alias Cat Stevens auf Tournee in Hamburg

Yusuf Islam alias Cat Stevens: Zeitlos schöne Lieder (Archivbild seines Konzertes in Hamburg)

(Foto: dpa)

Er kann es doch noch - und zwar saugut. Es ist in diesem Moment zum Heulen schön. Der alte junge Cat Stevens lebte und hatte sich eingesungen. Und endlich ist das Publikum vollkommen aus dem Häuschen.

Nervig war da nur, dass neben, hinter und vor uns plötzlich Frauen mit viel zu hohen Stimmen anfingen, sämtliche Lieder mitzusingen. In solchen Momenten kann selbst der bemühteste Tontechniker nichts mehr bewirken. Da ist man hilflos der Urgewalt seiner Nachbarschaft ausgeliefert und die Sehnsucht wächst, sich zu Hause, vor der Anlage, die alten Hits ganz in Ruhe noch mal und immer wieder reinpfeifen zu können.

1977 konvertierte der begnadete, aber introvertierte Brite zum Islam, zog sich - ausgebrannt und vom Rummel genervt - vollkommen aus dem Business zurück und änderte seinen Namen. Die Jahre danach waren vor allem eins: Suche. Er heiratete und baute in London eine Koranschule auf. Zwei Jahre später versteigerte er alle seine Instrumente und stiftete den Erlös wohltätigen Einrichtungen - an die auch seine Einnahmen aus Plattenverkäufen fließen.

1989 erlaubte er sich mit der Befürwortung der von iranischen Mullahs verhängten Fatwa gegen Salman Rushdie Unerlaubtes. Angeblich, denn er selbst kommentierte dies nie im Detail.

Als Quittung ließ die US-Regierung unter George W. Bush den längst wieder gemäßigten Muslim 2004 wegen Terrorverdachts nicht ins Land. Im selben Jahr entschloss sich Yusuf, wieder Popmusik zu machen und rächte sich an Bush mit dem sarkastischen Lied "Boots & Sands".

Vor fünf Jahren meldete er sich dann nach 28 Jahren Pause mit dem Tonträger "An Other Cup" zurück - aus der durchaus beachtliche Stücke wie "Heaven/Where True Love Goes", "Maybe There's a World" und "In the End" stammen.

Seine Tour fällt mit den Unruhen in Nordafrika und Nahost zusammen. So schrieb er den Song "My People" - angeregt durch den Aufstand in Ägypten - für die Menschen im Freiheitskampf. Ihre Hymne wird dieser eingängige, groovige Song nicht. Allein schon, weil er englischsprachig ist. Doch Yusuf macht allein durch seine Persönlichkeit Hoffnung auf einen aufgeklärten Islam.

Am Ende des Konzerts spielte er "Peace Train", auch ein Song, den er inzwischen dem Erfolg der Freiheitsbewegungen in der arabischen Welt gewidmet hat. Das Publikum hatte sich da schon wieder mit Yusuf versöhnt. So wie er sich längst wieder mit Cat Stevens.

Eine Liebe, die einen nicht will, muss man ziehen lassen, singt Yusuf alias Cat Stevens in der Ballade "Wild World". Aber insgeheim hofft man noch immer, sie werde zurückkehren. Irgendwie bekehrt, verändert, aber doch die gleiche.

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