Wrigley-Rochade in Unterhaching:Auf den Geschmack gekommen

Lesezeit: 3 min

Kaugummis kauen ist beliebt. Viele von ihnen landen jedoch auf Straßen, Bürgersteigen, Schulhöfen und Bahnhöfen. (Foto: imago stock&people/imago/MITO)

In der Zentrale des Kaugummi-Herstellers Wrigley tut sich was: Während ein Teil der Belegschaft nach London umzieht, wechseln bis zu 150 Mitarbeiter der Mars-Süßwarensparte nach Unterhaching.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Blickt man in der Firmengeschichte von Wrigley auf die Anfängen des Unternehmens zurück, stellt man fest: Flexibel war der Kaugummihersteller schon vor mehr als hundert Jahren. Damals, im Jahr 1891, hatte William Wrigley junior mit einem Startkapital von 32 Dollar im Alter von 29 Jahren in Chicago seine eigene Firma gegründet, allerdings verkaufte er zunächst Seife.

Als findiger Geschäftsmann schaffte er für potenzielle Kunden zugleich einen besonderen Anreiz, ausgerechnet seine Produkte zu kaufen: Als kleine Zugabe zur Seife gab es bei ihm ein Päckchen Backpulver. Eine Strategie, die aufging. Denn bald kauften die Leute seine Seife hauptsächlich wegen der Zugabe. So beschloss er umzusatteln und fortan Backpulver zu verkaufen. Allerdings nicht, ohne erneut auf das bewährte Lockmittel zu setzen, nur diesmal verteilte er jeweils zwei Päckchen Kaugummi zum Backpulver. Wieder kam das kleine Präsent besser bei den Kunden an als das eigentliche Produkt. Das war der Anfang von Wrigley als Kaugummi-Produzent.

Aber damit ist die Geschichte der Wrigley Jr. Company und seinen Veränderungen noch nicht zu Ende erzählt. Was allerdings damals offenbar der Experimentierfreude des jungen Unternehmers geschuldet war, ist heute durchkalkulierte Strategie auf einem gigantischen, weltweiten Süßwarenmarkt. Vor neun Jahren schlossen sich Wrigley und der Nahrungsmittelkonzern Mars Incorporated zusammen, im vergangenen Jahr wurde dieser zum alleinigen Besitzer des Kaugummi-Herstellers, als er die Anteile von US-Starinvestors Warren Buffett übernahm. Die ersten Folgen dieser Fusion, auch für den Standort Unterhaching, stehen nun fest: Die Europazentrale wird nach London verlegt, die gemeinsame Deutschland-Zentrale wird in Unterhaching entstehen.

Mitarbeiter ziehen von NRW nach Oberbayern

Seit 1991 residiert Wrigley bereits in der Gemeinde südlich von München, seit 2000 in seinem neuen Bürogebäude in der Biberger Straße. In den Fünfzigerjahren war die deutsche Tochter des US-Konzerns in Düsseldorf gegründet worden, 1972 zog sie nach München um. Nun sollen abermals etwa 100 bis 150 Mitarbeiter der inzwischen entstandenen Mars Wrigley Confectionary aus Nordrhein-Westfalen nach Oberbayern übersiedeln, und zwar allesamt aus dem Geschäftssegment Mars Chocolate, das bislang komplett in Viersen bei Düsseldorf beheimatet war.

Kaugummis kauen ist beliebt. Viele von ihnen landen jedoch auf Straßen, Bürgersteigen, Schulhöfen und Bahnhöfen. (Foto: imago stock&people/imago/MITO)

Die Schokoriegel werden allerdings weiterhin am bisherigen Standort am Niederrhein produziert, wo 1979 als erste Süßigkeit ein "Banjo" vom Band lief. Inzwischen sollen es 50 000 Tonnen Süßwaren im Jahr sein. Auch die anderen Standorte des Konzerns, Minden und Verden für Tierfutter, Mars Food und Mars Dinks, sind nach Auskunft des Unternehmens nicht von der Umstrukturierung betroffen. "Die Verlagerung betrifft nur die Verwaltungsangestellten, nicht die Produktion", bestätigt Unternehmenssprecherin Iris Radière.

Einen genauen Zeitplan für die Zusammenlegung der beiden Deutschland-Zentralen gebe es noch nicht. "Das wird nicht über Nacht passieren, aber zehn Jahre dauert so etwas auch nicht", lautet die vage Antwort. Es werde eine gewisse Übergangsphase geben, denn zunächst werde noch das Organisationsdesign für die neue Zentrale entwickelt und mit dem Betriebsrat gesprochen. "Es liegt uns viel daran, dass möglichst viele Mitarbeiter mit umziehen", sagt Radière, wohl wissend, dass manche Positionen derzeit doppelt besetzt sind und das Unternehmen "Synergieeffekte nutzen will". Von Jobverlusten will sie dennoch nicht sprechen, sondern verweist auf eine neue Organisation des Unternehmens, "neue Chancen und neue Karrierewege".

Ein Standort für Mars und Wrigley

Dass bei der Festlegung auf einen gemeinsamen Standort für Mars und Wrigley die Wahl auf Unterhaching fiel, begründet das Unternehmen mit der räumlichen Nähe zu Handelspartnern und der "Attraktivität" der Region München. Hier sei es leichter, auch in Zukunft qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen.

An der Biberger Straße in Unterhaching ist künftig die Deutschlandzentrale der neuen Mars Wrigley Confectionary. (Foto: Claus Schunk)

Im Unterhachinger Rathaus ist man über die Entscheidung erleichtert. Mit dem Wegzug der Europa-Zentrale nach London verliert die Gemeinde zwar etwa 150 Arbeitsplätze, durch die Mars-Leute, die nun hier anfangen sollen, kompensiere sich dies aber wieder. "Ich gehe sogar davon aus, dass der Standort gestärkt wird", sagt Rathaus-Sprecher Simon Hötzl. "Für uns ist es auch ein Bekenntnis zum Standort Unterhaching", fügt er hinzu, dies sei für die Gemeinde vor allem auch wichtig, da die Beziehung zwischen Wrigley und Unterhaching im Lauf der vielen Jahre gewachsen sei und es nicht nur um Arbeitsplätze und Gewerbesteuer, sondern auch um soziales Engagement gehe.

Ob der vorhandene Platz in dem Unterhachinger Bürokomplex zukünftig ausreicht, vermag das Unternehmen noch nicht zu sagen. Die Gemeinde hat offenbar schon weiter gedacht. "Wir sind in der Lage, flexibel zu reagieren", sagt Hötzl. "Solche planerischen Fragen würden uns nicht unvorbereitet treffen."

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: