OttobrunnSaftige Tragikomödie
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Gerhart Hauptmanns "Die Ratten" ist vielleicht nicht sein bekanntestes Stück, aber auch heute noch gesellschaftlich relevant und bühnenwirksam. Das Landestheater Schwaben zeigt eine neue Inszenierung im Wolf-Ferrari-Haus.
Von Udo Watter, Ottobrunn
Bekannt ist Gerhart Hauptmann, der bedeutendste Dichter des deutschen Naturalismus und Nobelpreisträger von 1912, vor allem für sein soziales Drama "Die Weber". Auch das Stück "Vor Sonnenaufgang" und die Novelle "Bahnwärter Thiel" sind Literaturfreunden ein Begriff, letzterer natürlich auch alternativ-hippen Münchner Nachtschwärmern, die gern im gleichnamigen Kulturzentrum in Sendling feiern. Wie aber steht es um die 1911 uraufgeführte Tragikomödie "Die Ratten", die am Dienstag, 28. Mai, im Ottobrunner Wolf-Ferrari-Haus in einer Inszenierung des Landestheaters Schwaben gezeigt wird?
Der renommierte Literaturwissenschaftler Hans Mayer nannte das Stück "Gerhart Hauptmanns wichtigsten Beitrag zum modernen Welttheater" und Benno von Wiese, einer der bekanntesten Germanisten der Nachkriegszeit, hält es für eine der bedeutendsten dramatischen Schöpfungen.
Auf jeden Fall gilt "Die Ratten", das in einer heruntergekommenen Mietskaserne in Berlin spielt, in der auch Ratten hausen, als bühnenwirksames Stück, was sich auch in der in Ottobrunn zu sehenden Produktion niederschlagen dürfte. Die Premiere Anfang 2024 in Memmingen wurde jedenfalls von der Kritik gelobt: Die Regisseurin Christine Hofer gebe "den Schauspielern Raum für saftiges Theater und vielschichtige Entfaltung. Das Ensemble läuft in seltener Geschlossenheit zu Höchstform auf."
Im Mittelpunkt der Handlung stehen Außenseiter der Gesellschaft, allen voran die Putzfrau Jette John, die sich nichts sehnlicher wünscht als ein Kind, das ihre Welt, die durch den Tod des eigenen Säuglings ins Wanken geriet, wieder in Ordnung bringen soll. Sie überredet die ungewollt schwangere Piperkarcka zum Kinderhandel und löst dadurch einen Strudel von Ereignissen aus, in dem sie sich nur noch aus Verzweiflung mit Lügen über Wasser halten kann. Denn die Piperkarcka will nach einiger Zeit ihr Kind wieder zurück.
In der Kaserne lagert zudem ein riesiger Theaterfundus und der dort weilende Theaterdirektor Hassenreuter philosophiert mit rhetorischem Popanz über die Relevanz und Ästhetik der Bühnenkunst. Wenn in den Welten des Mietshauses wahre Gefühle und echter Schmerz auf den reinen (hohlen) Kunstraum treffen, regt das an zur Reflexion über das Verhältnis von Tragödie und Komödie, von Kunst und Leben.
Die Aufführung am 28. Mai im Wolf-Ferrari-Haus beginnt um 19.30 Uhr. Karten gibt es über https://wfh-ottobrunn.de respektive Reservix oder 089/60 80 83 02.