Wirtschaft in der Corona-Pandemie:Chancen und Risiken der Krise

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Christoph Leicher lobt Fortschritte bei der Digitalisierung. Der Unternehmer und IHK-Sprecher im Landkreis kritisiert aber die aktuelle Lockdown-Politik als kurzsichtig. Er befürchtet "ein langsames Sterben" von Unternehmen

Von Martin Mühlfenzl, Kirchheim

Brutal viel habe sich auch bei ihm im Betrieb geändert, sagt Christoph Leicher. Das fängt ja schon damit an, dass der Kirchheimer Unternehmer und Vorsitzende des Regionalausschusses der Industrie- und Handelskammer (IHK), diesen Satz vor seinem Bildschirm am Schreibtisch sagt, und die Zuhörer unterschiedlich weit entfernt ebenfalls vor dem Schirm zuhören. Und weil Leicher in seiner Funktion als Wirtschaftsvertreter auch etwas Positives loswerden will, sagt er: "Ich sehe eine Krise, ein negatives Ereignis immer als Chance. Wir dürfen uns nicht nur über die Risiken Gedanken machen, sondern auch die Chancen sehen, die da sind."

Mit Krise ist natürlich die Corona-Krise gemeint, die auch in seinem Unternehmen, Leicher Engineering, zu großen Umwälzungen geführt hat, auch zu positiven. "Wir sind digitalisierungsmäßig ganz weit vorne. Etwa 80 Prozent seiner 35 Mitarbeiter am Standort Kirchheim würden im Homeoffice arbeiten, sagt Leicher - und jeder könne ins Homeoffice, wenn er denn will. "Die Mitarbeiter sind alle total begeistert."

Dann ist es mit der Begeisterung aber auch schon wieder vorbei in diesem Gespräch anlässlich der bevorstehenden Neuwahl der IHK-Vollversammlung und der IHK-Regionalausschüsse, die von 9. April bis 7. Mai stattfinden wird; im Landkreis München sind etwa 47 000 Unternehmer dazu aufgerufen, das "Parlament der Wirtschaft" neu zu bestimmen. Und Christoph Leicher würde gerne als Vorsitzender weitermachen. "Es ist schon eine Besonderheit, dass es in den vergangenen fünf Jahren erstmals einen Regionalausschuss im Landkreis gab. Wir haben bei Null angefangen", sagt der Gräfelfinger. "Wir haben dann aber hundert Aktionspunkte gesammelt und Schwerpunkte gesetzt, uns ein Arbeitsprogramm vorgenommen und sind recht gut vorangekommen."

Corona und seine Folgen: Tür eines Ladengeschäfts in der Schweriner Innenstadt. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Dann aber kam die Corona-Pandemie. "Das war schon ein besonderes Jahr", sagt Leicher. Es falle ihm natürlich schwer, ein paar Sätze ohne den Kontext "Corona" zu formulieren, das Thema sei zu omnipräsent. Mit der Politik geht der Interessenvertreter ins Gericht und findet dabei klare, ungewohnte Worte: Das Thema Corona-Pandemie müsse "deutlich relativer" formuliert worden, fordert Leicher. "Wir können nicht immer so tun, als wäre es die größte Katastrophe. Als müssten wir jedes Leben retten und alles andere ist wurscht. Das ist falsch." Vielmehr müsse die Politik die "Gesamtsituation" abwägen, sagt er, viele Politiker aber hätten den Bezug verloren, "auch zum Grundgesetz". Was ihn besonders ärgert, ist die aus seiner Sicht anhaltende Perspektivlosigkeit auch für die Unternehmen, egal ob im produzierenden Gewerbe, bei den Dienstleistern, in der Gastronomie - und auch in der Kultur.

Es sei den Menschen kaum mehr verständlich zu erklären, warum sie zwar durch einen Baumarkt laufen dürften, nicht aber durch ein Museum. In der ersten Phase der Pandemie, im ersten Lockdown vergangenes Jahr habe die Politik gut reagiert, jetzt aber lebe der Dilettantismus, kritisiert der IHK-Chef. "Macht auf" - das sei die Stimmung bei den Unternehmern, sagt Leicher. Mit Blick auf die Gesamtlage der Wirtschaft im Landkreis München, sagt Leicher, es gehe den Unternehmen "im Prinzip" wie allen im Freistaat. "Es gibt Gewinner, es gibt einige mit einem kleinen Plus oder Minus und es gibt ganz klare Verlierer. Das hängt auch nicht von der Größe des Betriebs ab, das liegt oft an der lokalen Situation."

Bisher sei nicht abzusehen, ob der Ökonomie im Landkreis noch eine Welle der Insolvenzen treffen könnte. Im Jahr 2020, sagt Robert Obermeier, Leiter der IHK-Geschäftsstelle, sei die Zahl auf sehr niedrigem Niveau hängen geblieben, dies liege vor allem an der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die im Januar bis Ende April verlängert worden ist. Es sei aber nicht abzusehen, was passiere, wenn diese wieder eingesetzt wird, sagt Obermeier. IHK-Chef Leicher befürchtet dann ein "langsames Sterben" von Unternehmen.

Es gibt aber auch Lob vom IHK-Vorsitzenden im Landkreis München - etwa für das Instrument der Kurzarbeit in der Krise. Diese sei wahrscheinlich das "wichtigste Instrument, das gewirkt hat", sagt er. "Es hat auch Unternehmen geholfen bei der Entscheidung, ob sie sich von Mitarbeitern trennen oder eben nicht. Das ist eine super Geschichte für Firmen und Mitarbeiter." Auch jetzt in einer Zeit, in der wieder verstärkt in vielen Branchen auf Kurzarbeit gesetzt werden müsse.

Es sei aber auch wichtig, den Blick nach vorne zu richten - und die Wirtschaftskraft des Landkreises zu erhalten. Dazu gehöre weiterhin die duale Ausbildung als zentraler Bestandteil bei der Fachkräftesicherung, auch wenn diese durch Corona gelitten habe, sagt Leicher. "Wir müssen hier weiter offen sein. Und ich appelliere auch an Unternehmen, im Zweifelsfall mal einem schwächeren Kandidaten eine Chance zu geben. Bei uns geht alles über die Ausbildung", sagt Leicher.

© SZ vom 22.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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