Wirtschaft:Auf der Suche nach Fachkräften

Wirtschaft: In vielen Berufen geht ohne ausländische Fachkräfte nichts mehr: Kinga Gavaller aus Ungarn (links) und Danjela Curak aus Bosnien verstärken das Team in einem Pflegeheim in Putzbrunn.

In vielen Berufen geht ohne ausländische Fachkräfte nichts mehr: Kinga Gavaller aus Ungarn (links) und Danjela Curak aus Bosnien verstärken das Team in einem Pflegeheim in Putzbrunn.

(Foto: Claus Schunk)

Der Wirtschaft gehen qualifizierte Mitarbeiter aus. Der Landkreis München überlegt, wie er die Betriebe unterstützen kann. Gedacht ist etwa an ein "Welcome-Center" für Migranten.

Von Laura Borchardt

Den meisten Unternehmen im Landkreis geht es gut. Die Zahl der Beschäftigten steigt. Das Münchener Umland zählt zu den stärksten Wirtschaftsregionen in ganz Deutschland. Wenn da nur nicht der große Mangel an qualifizierten Fachkräften wäre. Ein Risiko für die Geschäftsentwicklung, wie ein Drittel der Unternehmen der Region München in einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) von 2014 schätzt.

Auch im Landratsamt hat man das Problem erkannt. Bürgermeister, Wirtschaftsförderer und fachlich Verantwortliche aus den Kommunen haben über die Themen Integration und Wirtschaft sowie über mögliche Wege zur Sicherung des Bedarfs an Fachkräften diskutiert. "Wir wollen, dass die Wirtschaft im Landkreis nicht nur Spitze ist, sondern auch Spitze bleibt", sagt Landrat Christoph Göbel (CSU). Es sei an der Zeit, den Fachkräftemangel in der Region offensiv anzugehen.

In diesem Jahr fehlen in der Region 45000 Fachkräfte

Denn schon seit Jahren klagen die Unternehmen über zu wenige Bewerber. Zumal immer weniger junge Menschen und ein starker Zuwachs bei den Älteren ab 65 Jahren die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis prägen. Für das Jahr 2015 fehlen in der Region München laut IHK bereits 45 000 Fachkräfte, 2030 sollen es 73 000 Personen sein. Besonders bei technischen Berufen wie Maschinenbauer, Mechatroniker und Elektrotechniker gebe es einen großen Mangel an Fachleuten, wie Jens Wucherpfennig von der IHK München und Oberbayern berichtet.

Doch auch an Erziehern, Pflege- und Betreuungskräften und im Dienstleistungsbereich fehlt es. Die große Herausforderung bestehe darin, "neue Potenziale" zu erschließen, sagt Andreas Ortner, der Wirtschaftsbeauftragte des Landkreises. Neben Maßnahmen zur Inklusion und der Förderung von Frauen, die im Mint-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) stark unterrepräsentiert sind, konzentriere man sich vor allem auf Menschen mit Migrationshintergrund. Mehr als 51 000 Menschen mit anderer Nationalität aus mehr als 100 Ländern leben derzeit im Landkreis. Auch unter ihnen sollen Fachkräfte für den Markt gewonnen werden, so Göbel, denn auch unter Asylbewerbern gebe es teils ein "sehr hohes Maß an Qualifizierung", das man noch besser nutzen könne.

Einheimische Betriebe sind zunehmend "auf das Know-how von ausländischen Fachkräften angewiesen", sagt Wucherpfennig. Immer mehr Firmen rekrutieren Personal direkt aus dem Ausland. Jedes vierte oberbayerische Unternehmen hat in den vergangenen fünf Jahren (Studie 2014) bereits ausländische Fachleute eingestellt. Tendenz steigend.

Doch unzureichende Sprachkenntnisse und die schwierige Bewertung von Qualifikationen seien zwei der größten Hindernisse bei der betrieblichen Integration, so das Ergebnis der IHK-Umfrage. Auch Stephan Schiele, der Leiter des bayerischen Landesnetzwerks "Integration durch Qualifizierung" (IQ) sieht Nachbesserungsbedarf. Bisher seien die Anerkennungsprozesse "zu langsam und zu wenig passgenau". Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte IQ-Programm möchte Menschen mit Migrationshintergrund bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt unterstützen. Dazu bündelt das Landesnetzwerk Bayern Informationen, koordiniert Beratungsangebote, vernetzt Arbeitsmarktakteure und regt Projekte an.

Wirtschaft: Hans Sienerth, Bürgermeister in Straßlach-Dingharting, wünscht sich einen Behördenlotsen.

Hans Sienerth, Bürgermeister in Straßlach-Dingharting, wünscht sich einen Behördenlotsen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Im Landratsamt unterstütze man das IQ-Netzwerk , so Ortner. Regionale runde Tische sowie eine Umfrage in den Unternehmen des Landkreises seien geplant, um Verantwortliche zusammenzubringen und Problemfelder auszumachen. Themen wie die Unterbringung der Fachkräfte, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und das Angebot von Weiterbildungs- und Sprachkursen seien mögliche Schwerpunkte.

Mit einem Preis für Landkreis-Betriebe, die sich besonders für ausländische Fachkräfte engagierten, könnte ein Anreiz für eine verbesserte Integration mit Vorbildcharakter geschaffen werden, so Ortner. Darüber hinaus schlägt der Wirtschaftsbeauftragte die Einrichtung eines regionalen "Welcome-Centers" für Neubürger vor, wie es sie in München seit 2013 gibt. Hier werden Ansprechpartner rund um das Thema Neueinreise vermittelt und Fragen bei einzureichenden Unterlagen beantwortet, sodass Verwaltungsverfahren beschleunigt und die Arbeitsaufnahme erleichtert werden.

Bisher sind die Gemeinden auf sich allein gestellt.

Bisher müssten sich die Gemeinden im Landkreis selbst organisieren, sagt Hans Sienerth. Der Bürgermeister der Gemeinde Straßlach-Dingharting wünscht sich "mehr praktische Hilfen für den Alltag". Darunter stellt sich Sienerth zum Beispiel eine Art "Behördenlotse" vor, der bei Rechts- und Verwaltungsfragen weiterhelfen kann. Und eine "leicht bedienbare Homepage", auf der Ansprechpartner aufgelistet und wichtige Anträge und Unterlagen zum Download bereit stünden.

Eine weitere Idee sei eine Internet-Tauschbörse zur Vermittlung von Fachkräften an Unternehmen aus der Region - möglicherweise in Kooperation mit benachbarten Landkreisen. Das IQ-Netzwerk baut derzeit für Bayern bereits eine ähnliche Onlineplattform auf.

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