Nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) den Bau der drei Windkraftanlagen im Höhenkirchner Forst wegen möglicher Gefahren für das Trinkwasser gestoppt hat, wächst auch andernorts die Unsicherheit. Der für Oberbayern zuständige Windkümmerer der Staatsregierung, Peter Beermann, geht davon aus, dass der Verein für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität (VLAB) auch gegen die geplanten Windräder im Forstenrieder Park klagen wird. Sofern überhaupt eine Genehmigung ergeht – denn auch das ist fraglicher denn je. Der VLAB sei jetzt „im Aufwind“, sagt Beermann.
Der VLAB ist als offizieller Umweltschutzverband mit Verbandsklagerecht anerkannt. Zugleich ist er in der Windkraft-Szene berüchtigt, weil er schon gegen etliche geplante Anlagen juristisch vorgegangen ist und weiter vorgeht. Robert Sing, Geschäftsführer der Bürgerwind Höhenkirchner Forst GmbH & Co. KG., hat viele Projekte bearbeitet und sagt: „Der VLAB klagt immer.“ Allerdings habe der Verein lange Zeit jedes Verfahren verloren. Für ihn selbst sei der Fall Höhenkirchen die erste Niederlage dieser Art vor Gericht, sagt Sing. Er ist auch zuversichtlich, dass die Verfahrensfehler in dem nicht aufgehobenen Bescheid mit einem „ergänzenden Genehmigungsverfahren“ geheilt und das Windkraft-Projekt der Gemeinden Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Oberpframmern und Egmating gerettet werden könne.
Derweil bangt man anderswo, dass das Beispiel Höhenkirchner Forst Schule machen könnte. Laut Windkümmerer Peter Beermann liegen drei der sechs im Forstenrieder Park geplanten Anlagen in einem Wasserschutzgebiet. Der VLAB habe schon vor Jahren, als die Planungen dort noch ganz am Anfang standen, mit einer Klage gedroht. Beermann merkt nach eigener Aussage jetzt schon, dass auch die Behörden vorsichtiger würden. Eine entscheidende Stelle sei das Wasserwirtschaftsamt, das im Fall Höhenkirchen mit seinen Warnungen mit ausschlaggebend dafür war, dass das Gericht eine minimale Gefährdung des Trinkwassers dort während der Bauphase nicht ausschließen wollte.
Beermann registriert vermehrten Mail-Verkehr aus den Behörden und geht davon aus, dass diese jetzt noch stärker darauf achten, rechtssichere Bescheide zu erstellen. Für die Windkraftanlagen im Forstenrieder Park, die die Gemeinden Pullach, Neuried, Baierbrunn und Schäftlarn in einer gemeinsamen Gesellschaft errichten und betreiben möchten, steht die Genehmigung noch aus. Und Beermann sagt, es sei nicht leichter geworden, diese zu bekommen.
Der Windkümmerer hat nach eigener Aussage bereits vor einiger Zeit gemerkt, dass sich der Wind dreht. Anfangs habe die progressivere Gesetzgebung, die Windkraftprojekte begünstige, Eindruck gemacht. Doch jetzt brächten sich Kritiker und Skeptiker in den Ämtern vermehrt in Stellung. Zuletzt habe der VLAB doch einige Gerichtsverfahren gewonnen. Mit Spannung erwarte Beermann eine neue Richtlinie vom Landesamt für Umwelt (LfU). Die alte sehe Windkraft in Wasserschutzgebieten nicht als Problem. Das könnte sich ändern.
„Wir hätten das in die Tonne treten müssen“, sagt Robert Sing
Dabei spielten im Höhenkirchner Forst gerade die gesetzlichen Lockerungen bei der 10-H-Regelung und beim Artenschutz eine fatale Rolle. Denn als das Genehmigungsverfahren 2020 bis 2022 lief, gab es strenge Ausschlusskriterien für Standorte von Anlagen. Diese führten laut Sing dazu, dass alternative Standorte außerhalb von Wasserschutzgebieten ausgeschlossen worden seien. Als die Gesetzesänderungen dann im November 2022 gekommen seien, hätte man eigentlich das Genehmigungsverfahren kurz vor Schluss nochmal „auf null setzen“ müssen. Im März 2023 wurde die Planung zur Genehmigung eingereicht. „Wir hätten das in die Tonne treten müssen“, sagt Sing. Das habe man unterlassen, weil man sich auf der sicheren Seite gewähnt habe. „Wir haben alle nicht damit gerechnet“, sagt Sing. Er habe viele Windkraftprojekte in Wasserschutzgebieten begleitet, und es habe in der Vergangenheit keine Probleme gegeben.
Auch in der Politik schlägt der harte Kurs des VGH und der Stopp der Bauarbeiten im Höhenkirchner Forst hohe Wellen. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler aus Unterhaching spricht von einem „verheerenden“ Signal, stellvertretender Landrat Otto Bußjäger von den Freien Wählern von einem deutlichen „Schaden für die Energiewende“. Die Argumentation von Wasserwirtschaftsamt und Gericht hält Bußjäger für nicht nachvollziehbar. Jede Forstmaschine könne im Wasserschutzgebiet vollbetankt eingesetzt werden. Autobahnen verliefen durch sie und Landwirte bearbeiteten dort ihre Felder. Der Kirchheimer CSU-Landtagsabgeordnete Maximilian Böltl sieht das Urteil dagegen als Ergebnis erwartbarer Zielkonflikte in einem verdichteten Raum wie dem Landkreis München. Besser wäre seiner Meinung nach, auf Photovoltaik, Geothermie und auch auf Innovation zu setzen.
Ein Baustopp für die drei Windkraftanlagen im Hofoldinger Forst ist nach Aussage von Martin Sterflinger, Geschäftsführer der Bürgerwind Hofoldinger Forst, unterdessen nicht mehr zu erwarten. Die Klagefrist sei verstrichen. Auch liege keine der drei Anlagen in einem Wasserschutzgebiet. Ein Standort ist nach Angaben von Sterflinger zwar nah dran. Allerdings liege zwischen dem künftigen Windrad und der Schutzzone die Autobahn.