Windenergie:Aufs Tempo kommt es an, weniger auf Abstände

Windenergie: Ausschließlich über den Baumwipfeln in großen Forstgebieten wie hier in Erdweg bei Dachau sind aktuell Windräder im Landkreis München geplant.

Ausschließlich über den Baumwipfeln in großen Forstgebieten wie hier in Erdweg bei Dachau sind aktuell Windräder im Landkreis München geplant.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Ob die 10-H-Regel fällt, spielt für die Windkraft im Landkreis München aktuell weniger eine Rolle. Bisher sind Rotoren nur in großen Waldgebieten geplant. Deren Befürworter versprechen sich mehr von kürzeren Genehmigungsverfahren.

Von Michael Morosow, Pullach/Höhenkirchen

Als der bayerische Landtag im November 2014 die 10-H-Regel für den Bau von Windkraftanlagen beschloss, wirkte diese Entscheidung wie ein Keulenschlag für die Verfechter der regenerativen Energieform, die seither im Freistaat nur sehr schleppend vorankommt. Nun aber bläst Bundesklimaschutz- und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zur Aufholjagd und versuchte dazu am Donnerstag, den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) zur Abkehr von dieser Regel zu überreden, am Ende freilich vergebens. In einigen Gemeinden im Landkreis München, die beim Thema Windkraft am Ball geblieben sind und in insgesamt drei Arbeitsgemeinschaften (Arge) den Bau von Windrädern vorantreiben, war der Ausgang des Gesprächs mit Spannung erwartet worden. Ihre Hoffnung ist nun, dass nach diesem politischen Arbeitsgespräch wenigstens die Dauer der Genehmigungsverfahren in Bayern verkürzt wird.

Dass die Staatsregierung festhalten will an ihrer Vorschrift, wonach der Abstand zwischen einem Windrad und der nächsten Wohnsiedlung mindestens das Zehnfache der Höhe der Anlagen betragen muss, ficht Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) nicht an. Die bis zu sechs Rotoren, die sich dereinst im Forstenrieder Park drehen und Strom für circa 15 000 Haushalte generieren sollen, erfüllen die 10-H-Regel. Wenn der Bau von Windrädern aber erleichtert würde, dann könne dies für die Planungen im Forstenrieder Park nur von Vorteil sein, sagt Tausendfreund. Sie ist Vorsitzende der Arge, in der bislang neben Pullach nur Neuried saß, zu der nun aber auch noch Baierbrunn und Schäftlarn ihren Beitritt erklärt haben.

Ein Windrad würde für den Strombedarf von ganz Baierbrunn reichen

Für Baierbrunns Bürgermeister Patrick Ott (ÜWG) ist die Beibehaltung der 10-H-Regel sogar ausdrücklich gewünscht, zumindest in den nächsten zehn Jahren. "Wir bestehen sogar darauf", das habe er bereits in Vorgesprächen Tausendfreund und Neurieds Rathauschef Harald Zipfel (SPD) erklärt. Ott befürchtet, dass sonst Teile die Bevölkerung nicht mitziehen würden und Proteste aufkämen wie zuletzt in Berg. Wenn die Menschen nach zehn Jahren merkten, dass die Windräder für sie unproblematisch seien, nur dann könne man über weitere Standorte nachdenken, sagt Ott, der nachgerechnet hat, dass ein Windrad den Strombedarf seiner ganzen Gemeinde abdecken würde. Den Beschluss zum Beitritt zur Arge hat der Baierbrunner Gemeinderat im Dezember einstimmig gefasst.

An diesem Montag hat die Arge in erweiterter Besetzung ihre erste Online-Sitzung in diesem Jahr absolviert, mit am virtuellen Tisch saßen auch der Schäftlarner Rathauschef Christian Fürst (CSU), der in Sachen Windkraft ähnlich tickt wie Baierbrunns Bürgermeister: "Es hat schon auch einen Vorteil, wenn die 10-H-Regel eingehalten werden muss", sagte Fürst und erinnerte ebenso an die Proteste in Berg gegen die Windkraftanlagen nahe der Garmischer Autobahn. Auch er hofft aber, dass die Staatsregierung eine Verkürzung des Genehmigungsverfahrens zulässt. In zwei Jahren soll seiner Meinung nach das Projekt Planungsreife erreicht haben. Die Stadt und der Landkreis Starnberg sowie die Gemeinde Gauting haben bis zum Stichtag 31. Dezember eine Beitrittserklärung zur Arge unterlassen, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt Interesse zeigen, muss die Mehrheit der Arge-Mitglieder zustimmen.

Windenergie: Mindy Konwitschny, die Bürgermeisterin von Höhenkirchen-Siegertsbrunn, wünscht sich wie viele ihrer Amtskollegen vereinfachte Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen.

Mindy Konwitschny, die Bürgermeisterin von Höhenkirchen-Siegertsbrunn, wünscht sich wie viele ihrer Amtskollegen vereinfachte Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen.

(Foto: Claus Schunk)

Bis zum Jahr 2024 will Ayings Bürgermeister Peter Wagner (CSU) das zweite interkommunale Windkraftprojekt im Hofoldinger Forst zusammen mit Sauerlach und Otterfing so weit gebracht haben, dass die drei Windräder aufgestellt werden können. Die 10-H-Regel war dabei von vorneherein kein Hindernisgrund. Wenn die Genehmigungsverfahren beschleunigt würden, dann profitiere man aber auch davon, sagt Wagner. Bis jetzt laufe alles bestens, auch das erste Windgutachten sei sehr gut ausgefallen und die Bevölkerung in seiner Gemeinde trage das Projekt mit, das habe man bei den vielen Informationsveranstaltungen gemerkt. Wenn es schneller gehen solle, merkt Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner (ÜBV) an, dann müsste aber auch der Kreistag mitspielen und die als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesenen Flächen im Forst freigeben. Durch Windbruch seien bereits große Freiflächen entstanden, es müsste fast nicht mehr gerodet werden, sagt Bogner.

Auf eine Änderung der Landschaftsschutzverordnung hofft auch Mindy Konwitschny (SPD), die Bürgermeisterin der Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn, die zusammen mit Egmating und Oberpframmern eine Arge gegründet hat mit dem Ziel, drei Windräder im Höhenkirchner Forst zu errichten. "Es geht gerade nicht wirklich voran im Verfahren", sagt sie. Problem sei, dass im Jahr 2013 Konzentrationsflächen im Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen wurden, in der Satzung aber Windkraft nicht explizit erlaubt sei. "Wir wünschen uns, dass wir im Genehmigungsverfahren unterstützt werden und nicht bekämpft", sagt Konwitschny und spricht in diesem Zusammenhang von "Gegenwindkümmerern" in Anspielung auf Peter Beermann, der im staatlichen Auftrag als "Windkümmerer" den beteiligten Rathauschefs beratend zur Seite steht, was diese unisono zu würdigen wissen.

Windenergie: Seit dem Startschuss mit "Windkümmerer" Peter Beermann und Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ist die Nutzung der Windenergie im Forstenrieder Park nicht entscheidend weitergekommen. Daran konnten auch die Lokalpolitiker Andreas Most (links) und Harald Zipfel aus Pullach und Neuried nichts ändern.

Seit dem Startschuss mit "Windkümmerer" Peter Beermann und Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ist die Nutzung der Windenergie im Forstenrieder Park nicht entscheidend weitergekommen. Daran konnten auch die Lokalpolitiker Andreas Most (links) und Harald Zipfel aus Pullach und Neuried nichts ändern.

(Foto: Claus Schunk)

Für ihn wäre eine Beschleunigung etwa des immissionsrechtlichen Genehmigungsverfahrens aber nur ein "Tropfen auf dem heißen Stein". Da spare man bei vier- bis sechsjähriger Projektlaufzeit ein halbes Jahr. "Schön wäre es, wenn die ganze Projektzeit halbiert würde", sagt Beermann. Das aber sei schwierig, weil der Artenschutz ein Zeitfresser sei. Aber alleine, dass durch Habecks Vorstoß das Thema Windkraft wieder in der öffentlichen Diskussion sei, freue ihn. Er sei nun gespannt, welchen Vorschlag zum Ausbau der Windenergie die bayerische Staatsregierung bis März Habeck vorlegen werde. "Die CSU sperrt sich ja weiter gegen 10 H."

Das wird sie, wenn es nach dem Bundestagsabgeordneten Florian Hahn (CSU) geht, auch weiterhin tun. Grund für den langsamen Fortschritt bei der Windkraft sei nicht die 10-H-Regel, sondern "geringer Wind, geringe Ernte und deshalb geringe Bereitschaft, darin zu investieren" , sagt Hahn.

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