Ohne Rotoren im Perlacher und im Grünwalder Forst wird es nicht gehen. Auch andere Waldgebiete, Moore und Standorte an den Autobahnen geraten wieder in den Blick: Der Energiewende-Ausschuss des Münchner Kreistags hat am Mittwochnachmittag bei einer Gegenstimme Überlegungen eine Absage erteilt, den Ausbau der Windkraft im Süden von München auf den Hofoldinger Forst und den Forstenrieder Park zu konzentrieren. Die Kreisräte unterstützen damit den Widerstand mehrerer Kommunen gegen einen Vorabentwurf des Regionalen Planungsverbands (RPV) zur Ausweisung von Vorranggebieten. Und es wird bekräftigt: 100 Windräder strebt der Landkreis an.
Damit stehen die Debatten über Standorte für Windkraftanlagen im unmittelbaren Umland der Landeshauptstadt wieder ziemlich am Anfang. Die Stellungnahme des Landkreises lässt kaum etwas übrig von dem Anfang Januar vorgelegten Entwurf des Planungsverbands München, der ein Gesamtkonzept für Windkraft-Vorranggebiete in der Stadt und in den acht umliegenden Landkreisen Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, Starnberg, Landsberg am Lech und München erarbeiten sollte.
Kritik gab es seit Bekanntwerden des Vorabentwurfs im Januar, der außer an kleinen Standorten im Bereich Ismaning und Garching eine Priorisierung des Baus von Rotoren nur in den Waldgebieten im Hofoldinger Forst und Forstenrieder Park vorsieht. Der RPV-Vorsitzende und Oberhachinger Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) rechtfertigte das damit, dass in der gesamten Region mit 2,26 Prozent die Flächenvorgabe des Bundes von 1,8 Prozent übertroffen werde. Doch in den Rathäusern und auch im Kreistag wuchs schnell der Verdruss, weil viel Fläche nicht gleich viele Rotoren bedeutet – und zudem Bemühungen von Kommunen ausgebremst würden.
Das hat jetzt der Landkreis in seiner Stellungnahme deutlich gemacht und auch auf ein von der TU München in eigenem Auftrag erarbeitetes Gutachten gestützt erklärt, dass nach dem Vorabentwurf des Planungsverbands mindestens 30 Windräder im Hofoldinger Forst und weitere 30 im Forstenrieder Park notwendig werden würden. Dies würde, wie Brunnthals Bürgermeister Stefan Kern (CSU) im Ausschuss unmissverständlich sagte, „große Widerstände auslösen“. Man könne nicht einfach Windkraftanlagen in so großer Zahl irgendwo „reinknallen“. Fünf bis sechs Rotoren wären verträglich, sagte Kern. Der RPV habe sich mit seinem Entwurf über die eingebrachten Wünsche des Landkreises und der Kommunen „hinweggesetzt“. In der verabschiedeten Stellungnahme wird der Verzicht auf Rotoren im Perlacher und im Grünwalder Forst „als willkürlich und nicht nachvollziehbar“ kritisiert.
Sollte der RPV auf die jetzt mit größerem Nachdruck vorgebrachten Forderungen eingehen, würde es zu einer größeren Verteilung von Windkraftanlagen im Landkreis kommen. Nicht nur in den Wäldern, wie etwa auch im Höhenkirchner Forst, wo bereits in einem interkommunalen Projekt drei Windkraftanlagen entstehen sollen, gegen die jetzt allerdings der Ottobrunner Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) juristisch vorgehen will. Der Landkreis pocht auf Windkraft-Vorranggebiete auch entlang der windhöffigen Hangkanten der Münchner Schotterebene, wie beim Vorbild Berg am Starnberger See. Favorisiert werden kleine Ballungen mit drei bis fünf Anlagen, auch in siedlungsfernen Moos- und Heidegebieten und als sogenannte „Energiealleen“ an den Autobahnkorridoren. Eine Nord-Süd-Ausrichtung der Anlagen wird dringend empfohlen. Damit soll der Blick auf das Alpenpanorama freigehalten werden.
Kleinere Cluster sollen die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen
Grünen-Kreisrat Oliver Seth sagte, das Konzept des Planungsverbands komme einer Blockade der Energiewende-Bemühungen gleich. Das vom Landkreis in Auftrag gegebene Gutachten zeige, dass 100 oder zumindest realistisch 70 Windräder im Landkreis München möglich seien. Die Bürger erwarteten konkrete Schritte bei der Energiewende. Ingrid Lenz-Aktas (SPD) argumentierte, eine Planung mit vielen kleinen Clustern werde „mehr Akzeptanz in der Bevölkerung haben“. Landrat Christoph Göbel (CSU) betonte, dass der Landkreis nur auf Berücksichtigung eines Gutachtens poche, das bereits vor Monaten dem RPV vorgelegt worden sei. Im übrigen bleibe die Planungshoheit der Kommunen unberührt, darüber hinaus Windkraftanlagen zu ermöglichen.
Manfred Riederle (FDP) äußerte scharfe Kritik, die sich weniger gegen die Stoßrichtung der Stellungnahme richtete, als gegen das Gutachten der TU an sich, das er als „unterirdisch“ bezeichnete. Zentrale Fragen etwa zum flächenmäßig überproportionalen Beitrag des Landkreises zu den Vorranggebieten in der Region blieben unbeantwortet. Fragwürdig sei, den mit „Negativeinrichtungen“ belasteten Kommunen im Norden an der Autobahn auch noch Rotoren zuzumuten.
Der Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbands tagte am Mittwochvormittag im Münchner Rathaus. Die Möglichkeit, bis Ende Mai zu dem Konzept Stellung zu beziehen, nutzten 147 Landkreise, Kommunen und Institutionen. Der Landkreis München reicht seine Missbilligung wegen der knappen Fristen nach. Der Kreistag muss das Votum des Ausschusses noch betätigen. Die Abwägungen der Stellungnahmen und ein überarbeiteter Entwurf will der Planungsausschuss im September vorstellen und behandeln.