Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Ökostrom aus Hochbrück

Eine Privatfirma will im Norden Garchings eine 250 Meter hohe Windkraftanlage und Photovoltaik-Elemente aufbauen. Der Stadtrat unterstützt die Pläne, muss aber erst einen Bebauungsplan aufstellen.

Von Irmengard Gnau, Garching

In Garching könnte sich schon bald ein Windrad drehen. Die Mitglieder des Bauausschusses haben am Dienstagabend mit großer Mehrheit der Firma Ostwind Erneuerbare Energien den Rücken gestärkt, die am nördlichen Rand der Garchinger Flur, an der Grenze zu Eching, eine bis zu 250 Meter hohe Windkraftanlage sowie Photovoltaik-Elemente errichten will. Die Stadt hat das Gebiet westlich der B 11 und des Forschungscampus als Sondergebiet für Windkraft vorgesehen. Das Windrad läge 1,1 Kilometer Luftlinie vom Ortsteil Hochbrück und etwa 670 Meter vom Forschungscampus entfernt. Bis zum Wohngebiet in der Nachbargemeinde Eching sind es knapp 1,5 Kilometer.

"Die Technik hat sich in den letzten Jahren so verbessert, dass sich auch in windärmeren Gegenden wie Garching eine Anlage wirtschaftlich rentabel betreiben lässt", erklärt Georg Aretin, Leiter der Projektentwicklung bei Ostwind. Wenn alles gut geht, will die Firma das Windrad in Garching 2024 in Betrieb nehmen.

Die Diskussion um mögliche Standorte, um Windenergie zu nutzen, führen die Garchinger Kommunalpolitiker schon lange. Dass im Flächennutzungsplan 2009 eine Fläche für die Form der Erneuerbaren Energiegewinnung festgesetzt wurde, sollte ein Bekenntnis sein - allein, die Umsetzung verzögerte sich ein ums andere Mal. Mit Ostwind hofft Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) nun, das Projekt endlich vollenden zu können.

"Ich sehe uns in der Pflicht, diese Möglichkeit zu nutzen, wenn wir dem Generationenvertrag, unseren Nachkommen eine möglichst saubere Umwelt zu hinterlassen, gerecht werden wollen", sagt Gruchmann. Gerade die Wissenschaftsstadt Garching müsse die Produktion von Windenergie ermöglichen, zumal der Lehrstuhl für Windenergie der Technischen Universität auf dem Forschungscampus ansässig sei, der aus einer solchen Anlage neueste Forschungsergebnisse ableiten könnte. Tatsächlich sei man im Gespräch mit dem Lehrstuhl wie auch dem Anlagenhersteller Siemens-Gamesa und wolle mögliche Kooperationen ausloten, heißt es von Ostwind.

Die 10-H-Regelung greift nicht

Die Stadt Garching muss nun den Weg für das Windrad ebnen und einen Bebauungsplan für das angestrebte Areal aufstellen. Dieser beinhaltet auch die Festlegung der Abstände zur nächsten Wohnbebauung, so wie es die Bayerische Bauordnung vorsieht; die sogenannte "10-H-Regelung" greift dann, wenn eine Anlage ohne Bebauungsplan errichtet werden soll.

Das Garchinger Windrad soll auf der Sonderfläche zwischen Feldern auf einer Gesamthöhe von maximal 250 Metern in die Höhe ragen. Damit sich der Aufbau rentiert, soll zudem die Nutzungsdauer auf 25 Jahre festgeschrieben werden, hat der Betreiber Ostwind beantragt.

Etwa elf bis zwölf Millionen Kilowattstunden Leistung pro Jahr will Ostwind in Garching erzielen. Damit könnten etwa 4000 Haushalte versorgt werden. Die meisten Fraktionen begrüßten das Projekt. SPD-Fraktionssprecher Götz Braun hätte es sogar noch lieber gesehen, wenn die Sonderfläche mit mehr als einer Anlage bebaut worden wäre. Auch mit einem Windrad aber hofft er, nun die Gesamtenergiebilanz der Stadt positiv zu beeinflussen. Auch die Fraktion der Grünen sieht das Projekt positiv. "Das ist ein gutes Signal. Ich hoffe, dass wir damit große Akzeptanz schaffen können", sagt Fraktionssprecher Hans-Peter Adolf.

Wie die Nachbarn in Eching die Windkraftpläne der Garchinger auffassen werden, bleibt abzuwarten. Falls Bedenken aufkommen, wollen die Kommunalpolitiker in den Dialog treten. "Ich denke, ein Kilometer Abstand ist eine ganze Menge", sagt SPD-Stadtrat Braun. Alles weitere werde das Emissionsgutachten zeigen, das im weiteren Planungsschritt ansteht.

Der künftige Betreiber wird als nächstes Fragen zum Natur- und Artenschutz der umliegenden Gebiete klären. Außerdem liegt das geplante Windrad unweit des Münchner Flughafens. Erste Voraussetzung für den nächsten Schritt ist aber, dass der Garchinger Stadtrat dem Vorhaben am kommenden Mittwoch zustimmt. Wenn das geschieht, "gehen wir in die Planung", sagt Aretin.

Damit geht Garching im Münchner Norden in die Offensive, wo sich seit 1999 zwar weithin sichtbar das Windrad der Münchner Stadtwerke auf dem Müllberg dreht, aber ansonsten der Ausbau der Windkraft mit Ausnahme von Projekten in den Landkreisen Dachau und Freising kaum vorankam. Unterschleißheim will einen Schwerpunkt in nächster Zeit auf den Ausbau auch von Freilfächen-Photovoltaik-Anlagen legen.

Größere Windkraftprojekte mit mehreren Anlagen stehen dagegen im Hofoldinger Forst und im Höhenkirchner Forst an, wo entsprechende Untersuchungen weit vorangeschritten sind und womöglich Ende des Jahres noch Ergebnisse zur Wirtschaftlichkeit und zur Naturverträglichkeit vorgelegt werden. Die Gemeinden Pullach und Neuried prüfen gemeinsam den Bau von Windkraftanlagen im Forstenrieder Park.

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SZ vom 03.12.2020
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