Süddeutsche Zeitung

Wettkampf in Grasbrunn:Motorsport in Schrittgeschwindigkeit

Lesezeit: 2 Min.

Beim Trial kommt es auf Geschicklichkeit und Koordination an. Schon Neunjährige nehmen bei den Oberbayerischen Meisterschaften mit Elektromotorrädern spielend die verschiedenen Hindernisse

Von Julia Fietz, Grasbrunn

Lukas ist die Anspannung anzusehen. Er lässt sich bis zum Eingang seiner Sektion rollen. Hörbar atmet er tief ein und aus. Sein Blick fokussiert sich, er nickt Preisrichter Stefan Resch zu. Es kann losgehen: Der Neunjährige startet sein Elektromotorrad und nimmt das erste Hindernis, einen dicken Reifen, spielend. Den Hügel schafft er ohne Probleme. Fehlerfreie Runde. Angst hat Lukas keine. "Ich weiß ja, dass mein Papa da ist und mich auffängt", sagt der Nachwuchsfahrer. Und wirklich, bei den beiden Club-Sport-Läufen zur Oberbayerischen Meisterschaft am Wochenende, ausgerichtet vom 1. Münchner Trial-Club auf dem Fackler-Gelände in Grasbrunn, steht immer wieder ein sogenannter "Minder", ein Helfer, in den einzelnen Sektionen.

"Wenn mal doch jemand bei den steilen Hindernissen wegrutscht, kann sich der Helfer die Maschine schnappen", erklärt Stefan Resch, Schriftführer im Verein und selbst seit vier Jahren Fahrer. Der Wettbewerb am Wochenende mit mehr als 70 Teilnehmern aus dem Umkreis von München war nach mehreren Jahren Pause wieder der erste, den der 1. Münchner Trial-Club für die Oberbayrische Meisterschaft ausgerichtet hat. Im nächsten Jahr feiert der Verein sein 40-jähriges Jubiläum und zählt mittlerweile mehr als 200 Mitglieder.

Wer nun ein klassische Motorsportrennen vor Augen hat wie mit der Enduro, der täuscht sich. Beim Trial kommt es weniger auf PS und eine ausgefeilte Kurventechnik als auf Geschicklichkeit und Koordination an, meistens wird in Schrittgeschwindigkeit gefahren. Die 70 Kilogramm leichten Maschinen durchqueren dreimal in jeweils maximal 90 Sekunden sieben sogenannte Sektionen, in denen die Hindernisse aufgebaut sind. Pfeile in entsprechenden Farben markieren die verschiedenen Schwierigkeitsgrade und die dazugehörigen Routen. Ein Preisrichter steht am Anfang der Sektion, ein anderer am Ende.

Es gilt, am Ende mit so wenig Strafpunkten wie möglich herauszukommen. Die Abstände und Rangiermöglichkeiten sind je nach Schwierigkeitsgrad bewusst klein gewählt, ein Profi kann aus dem Stand Stufen in Brust- oder Kopfhöhe überwinden. "Die Kontrolle über das Motorrad ist dann echt beeindruckend", sagt Julia Preithner bewundernd. Die 17-Jährige fährt seit neun Jahren Trial und war 2015 bayerische Meisterin in ihrer Schwierigkeitsklasse. "Mein Papa hat mich damals mal mitgenommen zum Fahren und dann wollte ich auch direkt", erzählt sie. Ein halbes Jahr später sei schon das erste kleine Motorrad vor der Tür gestanden. Gerade zum Abschalten von der Schule sei Trial besonders geeignet, die Konzentration werde unheimlich geschärft, betont die Motorsportliebhaberin.

An diesem Wochenende sitzt sie in einem Campingstuhl am Ende einer Sektion und hilft als Preisrichterin mit. Aufmerksam sieht sie zu ihrem Kollegen in gelber Warnweste hinüber, der drei Finger in die Luft hält. Drei Strafpunkte bedeutet das für den Fahrer, der fluchend an ihr vorbeifährt. "Schon die Kinder fahren hier mit ganz viel Entschlossenheit mit", erzählt Stefan Resch schmunzelnd. Da könne es auch mal zu wütenden Tränen kommen. "Aber selbst, wenn es mal nicht klappt und sie enttäuscht sind, stehen sie trotzdem von allein beim nächsten Fahrer ihrer Altersgruppe, feuern an oder helfen mit", betont der 46-Jährige. Echter Sportsgeist eben - und das, obwohl jeder für sich die Sektionen allein überwinden muss.

Jonas Resch, sein Sohn, steht gerade neben einem Anfänger, der zum ersten Mal an einem Wettbewerb teilnimmt. Ruhig gibt der 19-Jährige dem Jüngeren Tipps und stellt sich als Helfer mit in die Sektion. Für Notfälle haben die Fahrer ein Abreißband um das linke Handgelenk, mit dem sie auf der Stelle das Motorrad stoppen können, falls sie die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren. Angefeuert von Jonas, schafft der Neuling einen fehlerfreien Durchgang. Der Stolz ist ihm anzusehen.

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Quelle:
SZ vom 30.09.2019
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