BundestagswahlDer Pott geht nach Köln

Lesezeit: 3 Min.

Baierbrunns Bürgermeister Patrick Ott mit dem Pokal des Vereins „Demokratieverliebt“.
Baierbrunns Bürgermeister Patrick Ott mit dem Pokal des Vereins „Demokratieverliebt“. (Foto: Claus Schunk)

Die kleine Gemeinde Baierbrunn im Münchner Süden muss den Pokal für die höchste Wahlbeteiligung abgeben.  Allerdings wandert die Trophäe nicht wie gedacht ins nahe Planegg. Das hat mit den Spielregeln des Vereins „Demokratieverliebt“ und der komplizierten Statistik zu tun.

Von Iris Hilberth, Baierbrunn

Stolz ist man im Baierbrunner Rathaus schon auf die goldene Trophäe, die seit dreieinhalb Jahren das Foyer schmückt. Immerhin attestiert der Pokal, der die Form einer Wahlurne hat, den Baierbrunnern, dass die ihr Wahlrecht sehr ernst nehmen und für die bundesweit höchste Beteiligung bei der Bundestagswahl 2021 vom Verein „Demokratieverliebt“ ausgezeichnet wurden.  Doch obwohl auch diesmal 90,7 Prozent der Wahlberechtigten in der kleinen Gemeinde im Münchner Süden ihre Stimme abgegeben haben, dürfen sie den Pokal nicht behalten.  Und das liegt nicht nur daran, dass andere noch besser waren.

Bürgermeister Patrick Ott (Überparteiliche Wählergruppe Baierbrunn) war bereits am Abend der Bundestagswahl vom 23. Februar klar, dass seine Gemeinde die Titelverteidigung knapp verpasst hat. Zu stark waren auch die Ergebnisse anderer Gemeinden ringsherum. Im Landkreis München gehen die Leute zuverlässig zur Wahl: in Straßlach-Dingharting etwa 90,9 Prozent, in Sauerlach 90,6 und in Planegg sogar 92,9 Prozent. So stellte Ott sich darauf ein, demnächst den Pokal im Würmtal abzuliefern. Doch es kommt anders – und das liegt an den offiziellen Wahlergebnissen, die jetzt vorliegen.

Wie Timo Albeshausen, der Vorsitzende von „Demokratieverliebt“ mitteilt, muss Ott eine weitere Reise antreten, um die goldene Wahlurne an den Sieger zu übergeben: Der Pott geht nach Köln. Denn nach den Regularien des Vereins wird der Wahlkreis mit der höchsten Wahlbeteiligung deutschlandweit ausgezeichnet und die Trophäe dort wiederum in der Gemeinde ausgestellt, die die Nase vorn hat. Und das war bei der Wahl vor vier Wochen nicht der Landkreis München, der es sonst gewohnt ist, immer und überall ganz vorne mitzuspielen und 2021 noch das Rennen um die höchste Wahlbeteiligung gemacht hatte.

Dieses Mal aber reichte eine Beteiligung von 87,5 Prozent nicht für den Sieg, auch wenn das noch einmal 2,7 Prozentpunkte mehr waren als vor dreieinhalb Jahren. Der Wahlkreis München-Land kommt damit nur auf Rang drei. Der Wahlkreis Köln II, wo der Grüne Sven Lehmann das Direktmandat holte, wählte sich mit 88,0 Prozent an die Spitze.  Auch im demokratieverliebten Münster, das den zweiten Platz belegte, setzte sich in Sylvia Rietenberg eine Grüne durch.

Es gibt Gemeinden, die kommen sogar auf mehr als 100 Prozent Wahlbeteiligung

Wer sich nun fragt, wo die 88,1 Prozent Wahlbeteiligung geblieben sind, die noch am Wahlabend aus dem Landratsamt München für den Landkreis gemeldet wurden: Das war nur das vorläufige Resultat. Das endgültige Ergebnis der Bundewahlleiterin liegt erst seit 14. März vor – und in diesem wurden die Zahlen aus München-Land nach unten korrigiert. Timo Albeshausen von „Demokratieverliebt“ bestätigt das:  „Das vorläufige Ergebnis ging davon aus, dass München-Land der Wahlkreis mit der höchsten Wahlbeteiligung sei.“ Doch die damals vermeldeten 88,1 Prozent haben sich mit dem endgültigen Ergebnis auf 87,5 Prozent reduziert.

Das hat zur Folge, dass die Kölner den Pokal erhalten, obwohl mehrere Gemeinden im Landkreis München eine höhere Wahlbeteiligung hatten. Denn ein Ranking aller deutschen Gemeinden gibt es nicht.  Möglicherweise ist Planegg also Spitzenreiter, vielleicht waren aber auch vor drei Jahren die Wähler andernorts besser als in Baierbrunn – man weiß es einfach nicht. Albeshausen teilt dazu mit: „Da müssen wir auf die Wahlleitungen beziehungsweise die Statistikämter verweisen. Wir sind uns allerdings nicht sicher, ob dort insoweit überhaupt bundesweit aussagekräftige Statistiken vorliegen können.“

Bundestagswahl im Landkreis München
:Demokratie ist, wenn alle mitmachen

Der kleine Ort Baierbrunn im Süden Münchens hatte 2021 die höchste Wahlbeteiligung in ganz Deutschland. Diesen Titel wollen die Einwohner der auch sonst politisch sehr engagierten Gemeinde an diesem Sonntag unbedingt verteidigen – und den metergroßen Pokal, den sie damals gewonnen haben. Das Ergebnis ist mit 90,7 ähnlich hoch wie vor vier Jahren.

SZ PlusVon Iris Hilberth

Dazu kommt dem Verein zufolge ein weiterer Umstand. Das Bundeswahlgesetz erlaubt, dass eine Gemeinde die Briefwahl für andere Gemeinden mit auszählt. Das hat zur Folge, dass in einer solchen Gemeinde eine Wahlbeteiligung von mehr als 100 Prozent möglich ist. „Dann werden dort mehr Stimmen abgegeben, als es in der Gemeinde Wahlberechtigte gibt. Dieses Phänomen gibt es jedenfalls in Sachsen und führt dort wiederholt zur Verwunderung“, erläutert Albeshausen die Problematik. So kam etwa die Gemeinde Panschwitz-Kuckau bei der Wahl 2021 auf dem Papier zu einer Wahlbeteiligung von 115,7 Prozent.

Nach Köln ist es für den Baierbrunner Bürgermeister natürlich nicht der nächste Weg. Ott erwägt trotzdem – wenn es sich irgendwie einrichten lässt – den Pokal persönlich zu überreichen, denn er findet: „Das gehört sich unter guten Demokraten und fairen Verlierern so.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Sportschützen
:„Wer Lust aufs Ballern hat, ist bei uns komplett verkehrt“

Schützenvereine kämpfen gegen ihr schlechtes Image und müssen aufpassen, dass sie nicht die falschen Leute anziehen.

SZ PlusVon Stefan Galler und Claus Schunk

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: