Vorwürfe gegen Wiesnwirt Sepp Krätz:Die handfeste Art

"Ich achte darauf, ihm nicht zu begegnen": Mehrere Bedienungen im Hippodrom werfen Wiesnwirt Sepp Krätz vor, Angestellte auf dem Oktoberfest getreten und beleidigt zu haben - der weist alle Beschuldigungen zurück.

Bernd Kastner

Sepp Krätz, der Wirt des Hippodrom auf dem Oktoberfest, sieht sich heftiger Kritik aus Reihen seiner Kellner ausgesetzt. Mehrere Bedienungen schildern im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung teils katastrophale Arbeitsbedingungen. Krätz soll seine Angestellten immer wieder beleidigt und beschimpft haben, teilweise soll er auch handgreiflich geworden sein. Am letzten Wiesnabend soll es zu einem Eklat mit den Servicekräften gekommen sein. Krätz bestreitet die Vorwürfe rundweg: "Das ist alles erfunden."

177. Oktoberfest - Eröffnung

Sepp Krätz, "Gastronom des Jahres 2011" weiß sich zu inszenieren. Hier posiert er im Hippodrom mit der Schauspielerin Christine Neubauer (li.) und Bierkönigin Franziska Sirtl.

(Foto: dpa)

"Die Stimmung ist wesentlich schlechter als nach außen sichtbar", sagt einer aus dem Kreis der rund 170 Bedienungen im Zelt von Sepp Krätz, der zu den bekanntesten Wirten Münchens gehört. Er betreibt unter anderem die Waldwirtschaft in Großhesselohe und den Andechser am Dom. Einen kleinen Einblick in die Stimmung unter den Wiesn-Bedienungen hätten einige Gäste wohl am Abend des 4. Oktober, dem letzten Wiesntag, bekommen.

Zum Schankschluss gegen 22.30 Uhr soll sich eine Szene abgespielt haben, die bei manchen Kellnern das Fass zum Überlaufen brachte. Es sei Tradition, erzählen mehrere Mitarbeiter übereinstimmend, dass sich in den letzten Minuten des Oktoberfestes die Kellner auf die Bühne stellen und "We are the Champions" singen. Diesmal aber habe Krätz die Kellner, die sich wenige Minuten zuvor zur Bühne begeben hätten, mit wüsten Beschimpfungen vertrieben, er soll dabei sogar mindestens einen Mitarbeiter geschlagen haben.

Daraufhin hätten sich Dutzende wütende Bedienungen in der Küche des Zeltes versammelt, wo es zu einem heftigen verbalen Streit gekommen sein soll. Im Laufe dessen soll Krätz Mitarbeiter derb beschimpft und beleidigt haben, Worte wie "Arschloch" sollen gefallen sein. Sinngemäß soll er gesagt haben: Wer im Hippodrom arbeiten wolle, müsse auch etwas aushalten.

Dieses Verhalten sei symptomatisch für Krätz' Umgang mit Mitarbeitern, schildern mehrere Bedienungen. Der kürzlich zum "Gastronom des Jahres" gekürte Wirt benehme sich wie ein "Sonnenkönig". Er sei cholerisch und erzeuge unter seinen Wiesn-Mitarbeitern ein Klima der Angst. "Man ist von der Willkür und der Tagesform des Sepp Krätz abhängig", sagt eine Bedienung. "Ich achte immer darauf, ihm im Zelt nicht zu begegnen."

Krätz schrecke auch nicht davor zurück, seine Beschäftigten vor den Gästen an den Tischen herunterzuputzen oder bestimmte Bedienungen in den Tagen vor Wiesnstart vor der versammelten Kollegenschaft bloßzustellen. Immer müsse man damit rechnen, wegen kleinster angeblicher Fehler gefeuert zu werden. "Dieses Damoklesschwert hängt ständig über einem", sagt ein Kellner. "Das Betriebsklima ist sehr schlecht."

Neben verbalen Ausfällen berichten Kellner auch von Handgreiflichkeiten, nicht nur am letzten Wiesnabend: Von schmerzhaften Tritten in die Hacken oder in den Hintern ist die Rede, von Watschn und vom Ziehen an den Ohren.

Anlässe für die Ausbrüche seien nichtig

Die Anlässe für die Ausbrüche des Wirts seien meist nichtig: Am Krug herunter tropfendes Bier; Gäste, die zu lange an ihren Tischen sitzen bleiben; Mitarbeiter, die in seinen Augen zu lange Pausen einlegen. Die Fluktuation unter den Bedienungen sei sehr hoch im Hippodrom, heißt es, viele hielten es trotz des sehr guten Verdienstes nicht lange aus.

Dass die Kellner sich dies gefallen ließen, liege fast ausschließlich am Geld: Der Job als Wiesn-Bedienung ist finanziell sehr lukrativ. Deshalb trauten sich viele Mitarbeiter auch nicht, den Chef zu kritisieren: Sie müssten damit rechnen, im kommenden Jahr keinen Vertrag mehr zu bekommen. "Sie akzeptieren es, dass sie würdelos behandelt werden", beschreibt ein Mitarbeiter das Klima.

So hart die Kritik aus Reihen der Bedienungen auch ist, so erkennen sie umgekehrt auch die Leistung des Chefs als Wirt an: Das Zelt sei immer sehr gepflegt und ordentlich, auch die Toiletten pikobello, und das Publikum im Zelt, das auch wegen des Prominenten-Status des Wirts kommt, sei sehr nett und angenehm. "Bei uns gibt es keine Besoffenen", sagt ein Kritiker, und ein anderer lobt, trotz allem, den Chef: "Es ist wirklich toll, was er auf die Beine stellt."

Sepp Krätz nennt die Anschuldigungen seiner Mitarbeiter "böswillig" und weist sie allesamt zurück. Zum letzten Wiesnabend sagt er, dass sich die Kellner an die "Ordnung und Disziplin" im Zelt halten müssten. Er habe angeordnet, dass sie nicht die Bühne betreten sollten. Dennoch seien einige zehn Minuten vor Schankschluss mit "halb leer getrunken Maßkrügen" an der Bühne gestanden. Er habe sie aber weder beleidigt noch sei er handgreiflich geworden. Für ihn gelte immer: "Der Gast ist der König."

Der 55-jährige Krätz inszeniert sich gerne selbst als sehr bedeutenden Wirt. Im Hippodrom hängt ein gewaltiges Portrait des gelernten Metzgermeisters. Als er im September zum Gastronom des Jahres 2011 gekürt wurde, mietete er drei Prunksäle in der Residenz und ließ sich vor 500 Gästen, darunter Ministerpräsident Horst Seehofer, feiern.

Zu den Laudatoren gehörte auch Gerd Käfer. Schwer in Ordnung sei sein Freund, der Sepp, sagte er, aber wenn in seinen Häusern nicht alles perfekt laufe, dann balle dieser schon mal "die Faust im Samthandschuh". Und manchmal sei der Sepp Krätz auch "etwas cholerisch".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: