Südliche Fröttmaninger Heide:Ramadama mit Granaten

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Die Fröttmaninger Heide ist Naturschutzgebiet und zugleich beliebt als Naherholungsfläche. Viele Bereiche sind aber nicht zugänglich. (Foto: Robert Haas)

In diesen Tagen beginnt in der Südlichen Fröttmaninger Heide eine groß angelegte Räumaktion, bei der zunächst herausgefunden werden soll, wie hoch die Kampfmittelbelastung auf dem ehemaligen Militärgelände ist.

Von Bernhard Lohr, Garching

Als vor Jahren die Arbeiten am neuen Heidehaus liefen, meinte mancher, seinen Augen nicht trauen zu können. Denn wo man unverfälschte Natur vermutete, kam eine Unmenge an Metallschrott zum Vorschein. Walter Hilger erinnert sich noch gut: Auch ein paar Panzersprenggranaten fand man und eine Mine. Spätestens da war allen klar, dass dringend geklärt werden muss, was in der 350 Hektar großen Südlichen Fröttmaninger Heide unter der Grasnarbe liegt. In diesen Tagen beginnt auf dem ehemaligen Militärgelände und heutigen Naturschutzgebiet eine groß angelegte Sondierungs- und Räumaktion.

Für Walter Hilger und all die anderen, die sich am Umweltbildungszentrum Heidehaus für den Erhalt des Naturraums einsetzen und weitergeben wollen, was für eine große Bedeutung die Heide für die Artenvielfalt im Münchner Norden hat, ist es ein weiterer Schritt hin zur tatsächlichen Inbesitznahme des Gebiets, das der Heideflächenverein 2007 dem Bund abgekauft hat. Bis heute ist das Betreten weiter Teile der Flächen aus Sicherheitsgründen verboten. Hilger wohnt in der Nachbarschaft, er ist Vorsitzender des Siedlervereins Kieferngarten und fungiert immer wieder als Verbindungsmann zwischen Heideflächenverein und Bürgerschaft. Als Bundeswehrsoldat war er in der Offiziersausbildung Mitte der Sechzigerjahre selbst in der Heide im Einsatz. Damals probten die Pioniere dort den Brückenbau. Die scharfe Munition, die man heute noch im Untergrund vermutet, stammt aus dem Zweiten Weltkrieg, als die Alliierten Flakstellungen bombardierten.

Genau genommen ist wegen möglicher Blindgänger im Boden bis heute nur ein Teil der Wege in der Südlichen Fröttmaninger Heide begehbar. Warnschilder weisen darauf hin. Doch auch weil bis heute nichts passiert ist, hält sich kaum jemand an die Beschränkungen. Spaziergänger mit Hunden, spielende Kinder - das alles ist Alltag in der Heide. "Die Bürger wissen, dass man sich da nicht aufhalten darf", sagt Hilger, "die wissen das schon, aber sie wollen es nur nicht glauben." In den nächsten Wochen gilt nun der verschärfte Hinweis, sich von den Räumstellen fernzuhalten, an denen Fachleute jetzt zugange sind.

Luftbilder und bisherige Räumberichte wurden ausgewertet

Der Heideflächenverein hat mit Unterstützung der Landeshauptstadt München eine Fachfirma damit beauftragt, als erstes ein Kampfmittelräumkonzept zu erstellen. So ist zu klären, welche Flächen belastet sind und was getan werden muss. Die Auswertung von Luftbildern und der bisherigen Räumberichte habe gezeigt, dass die Lage sehr diffus sei, sagt die Geschäftsführerin des Heideflächenvereins, Christine Joas. Auf ganz unterschiedliche Weise sei die Munition ins Erdreich gelangt. Pauschale Aussagen seien nicht möglich, weder wo sich Kampfmittel befänden, noch wie gefährlich diese seien.

Deshalb sind Fachfirmen für Kampfmittelbeseitigung dieser Tage im Gebiet damit beschäftigt, kleine Testfelder zu räumen, um mehr Klarheit zu gewinnen. Die 21 jeweils 400 Quadratmeter großen Flächen wurden festgelegt, nachdem man im Frühjahr mit einer computergestützten Mehrkanalsonde circa 210 Hektar befahrbares Gelände geomagnetisch durchleuchtet hatte. Mit dieser Methode wurden Verzerrungen im Erdmagnetfeld ausgemacht, die vermutlich durch Metallgegenstände im Boden entstehen. Nun wird nach diesen Metallgegenständen gegraben, in der spannenden Erwartung, was man denn nun vorfinden wird: Granaten, Kleinmunition oder auch das eine oder andere Fahrrad, das man laut Walter Hilger in der Heide schon geborgen hat. Denn in Kratern, die durch Granaten gerissen wurden, wurde oft auch Müll unter Erdreich entsorgt.

Von dem, was in den nächsten Wochen in der Südlichen Fröttmaninger Heide gefunden wird, hängt dann das weitere Vorgehen ab. Erst dann könne die "tatsächlich vorhandene Kampfmittelbelastung" eingeschätzt werden, sagt Joas vom Heideflächenverein. "Das Konzept ist wichtig, um eine Strategie zu bekommen." Im Herbst oder Winter werde es vorliegen. Davon hänge dann das weitere Vorgehen ab.

Erste Schritte zur endgültigen Räumung von Flächen sind aber bereits fest geplant. Mit dem Ziel, das Umweltbildungsgelände für alle Menschen ohne Gefahr zu öffnen, hat Joas zufolge der Verein eine umfassende Kampfmittelräumung auf etwa 20 Hektar im weiteren Umfeld des Heidehauses in Auftrag gegeben. Die Erkundung beginnt im September. Parallel dazu arbeitet eine Landschaftsbaufirma daran, die Flächen dafür vorzubereiten. Dafür werden Wiesen und auch kleinere Gehölze abgemäht.

In Gehölzbereichen, die erhalten werden sollen, wird von Oktober an der Unterwuchs entfernt, damit die Räumkommandos die Flächen betreten können. Bei dieser Gelegenheit wird auf kleinen Teilflächen der gesamte Gehölzaufwuchs entfernt, weil dort artenreiche Magerwiesen entstehen sollen. Die Räumarbeiten, bei denen stärker eingegriffen wird, laufen dem Heideflächenverein zufolge in den Wintermonaten, weil dann die Tier- und die Pflanzenwelt in der Heide am wenigsten beeinträchtigt wird.

Das Wegenetz s soll nächstes Jahr in der Südlichen Fröttmaninger Heide komplett freigegeben werden. Dafür werden noch Wege auf circa drei Kilometer Länge geräumt. Auf weiten Teilen des Geländes aber wird auch kommendes Jahr niemand garantieren können, dass nicht doch eine Granate im Boden liegt.

Die Erfahrung am Heidehaus hat gezeigt, dass sich manche Metallteile nur wenige Zentimeter unter der Grasnarbe befinden und andere in bis zu drei Metern Tiefe. Warnschilder wird es also weiter geben. Mehr aber nicht, trotz der nicht ganz auszuschließenden Gefahr. Hilger: "Der Bürger würde es nie verstehen, wenn dort ein Zaun stehen würde."

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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