Vorausgeschaut - Das wird nächste Woche wichtig:Die Ein-Drittel-Frage

Vorausgeschaut - Das wird nächste Woche wichtig: Die Tassilostraße in Aschheim ist bereits ausgebaut, andere sollen folgen. Der Streit geht darum, ob die Anlieger 90 Prozent oder zwei Drittel bezahlen müssen.

Die Tassilostraße in Aschheim ist bereits ausgebaut, andere sollen folgen. Der Streit geht darum, ob die Anlieger 90 Prozent oder zwei Drittel bezahlen müssen.

(Foto: Claus Schunk)

In Aschheim entscheiden die Bürger am nächsten Sonntag darüber, wie die Gemeinde Straßenertüchtigungen abrechnet und wie sie Anlieger beteiligt

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Es ist das zweite Mal innerhalb von zwei Jahren, dass die Aschheimer zur Abstimmung gebeten werden über ein kommunalpolitisches Thema. Wie schon 2016, als es um die Ansiedlung eines Schlachthofs im Gewerbegebiet ging, hat sich eine Gruppe von Bürgern gegen einen einstimmigen Beschluss des Gemeinderats gewandt und ein Bürgerbegehren initiiert. Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) regte seinerseits an, die Bürger selbst über den Sachverhalt entscheiden zu lassen. Das tun sie nun am kommenden Sonntag, 16. September. Von 8 bis 18 Uhr sind die Abstimmungslokale geöffnet. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Bürgerentscheid.

Worum geht es?

Wie so oft um die Frage: Wer zahlt? In diesem Fall geht es um die Aufteilung der Kosten der nachträglichen Erschließung von sogenannten Altstraßen in Aschheim und Dornach. Das sind Anliegerstraßen, die vor 25 Jahren oder früher gebaut wurden, allerdings noch nicht als vollständig erschlossen gelten, weil sie beispielsweise keine frostfeste Unterschicht, keine Entwässerung, Beleuchtung oder Gehwege haben. Werden solche Straßen nun ausgebaut gilt dies als nachträgliche Ersterschließung und die Kommune kann die Arbeiten nach ihrer Erschließungssatzung abrechnen. Diese besagt in Aschheim wie in den meisten bayerischen Kommunen: 90 Prozent der Kosten entfallen auf die anliegenden Grundstückseigentümer, zehn Prozent auf die Gemeindekasse. Schließlich, so die Logik, profitierten die Anwohner am meisten von der Straße. Dass die Gemeinde Aschheim seit einiger Zeit ihre Altstraßen mit großem Eifer ertüchtigt, hat mit dem Bayerischen Kommunalabgabengesetz (KAG) zu tun. Weil das Verfassungsgericht bemängelt hatte, dass im Erschließungsrecht bislang nicht die sonst übliche Verjährungsfrist galt, hat der Landtag das KAG geändert: Von 2021 an gelten Forderungen für Straßen, mit deren Erstbau vor mehr als 25 Jahren begonnen wurde, als verjährt. Nach 2021 muss die Gemeindekasse allein für solche Straßenertüchtigungen zahlen - die Straßenausbaubeiträge wurden ja abgeschafft. Damit die Übergangsjahre für Altstraßenanlieger nicht zu hart werden, bietet das KAG Kommunen die Möglichkeit, bei den Altstraßen, die zwischen April 2012 und März 2021 nachträglich hergerichtet werden, einen Teil des Kostenanteils der Straßenanlieger zusätzlich zu übernehmen, bis zu einem Drittel. Ob Aschheim diesen so genannten Drittelerlass in seiner Satzung festschreiben soll, darüber entscheiden die Bürger am Sonntag.

Wie viele Menschen in Aschheim würden von der Regelung profitieren?

Die Grundstückseigentümer an bis zu 25 Straßen, 16 davon in Aschheim, neun in Dornach. Bei zwei dieser Straßen prüft die Gemeinde noch, ob sie bereits nachweislich ersterschlossen sind, dann hätten die Anlieger gar keine Kosten zu befürchten.

Wie teuer wäre die Einführung des Drittelerlasses für die Gemeinde?

Konkret ist das schwer zu sagen, weil noch nicht alle Altstraßen, auf die der Erlass anwendbar ist, abgerechnet sind. Nach Hochrechnungen von Aschheims Kämmerer Marko Zschoch von Ende Juni dürften es mindestens 1,85 Millionen Euro sein, die die Gemeinde übernehmen müsste.

Was spricht dafür, den Drittelerlass in Aschheim einzuführen?

Die Grundstückseigner an den betroffenen Straßen in Aschheim und Dornach erwarten Rechnungen im fünfstelligen Bereich, je nach Größe ihres Grundstücks und Hauses. Für Rentner beispielsweise ist das eine hohe Belastung, die durch den Drittelerlass deutlich gemildert würde. Außerdem hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eigens für Altstraßen eingerichtet, argumentiert die "Bürgerinitiative Straßenerschließung Aschheim-Dornach". Da die Gemeinde finanziell nicht schlecht da steht, sieht die Initiative keinen Grund, den Drittelerlass zu verweigern.

Warum hat sich der Gemeinderat einstimmig gegen den Drittelerlass ausgesprochen?

Der Gemeinderat sieht in der Anwendung des Drittelerlasses eine Bevorzugung weniger. Die Anlieger der Altstraßen, die zwischen 2012 und 2021 hergerichtet werden, würden mit allgemeinen Steuergeldern unterstützt, während bis 2011 abgerechnete Anlieger ihre Erschließungskosten allein zahlen mussten. Härtefälle sollten lieber individuell bewertet und Nachlassmöglichkeiten gegeben werden.

Haben andere Kommunen den Drittelerlass angewendet?

Ja, die Stadt München zum Beispiel. Sie gewährt den Nachlass pauschal für alle berechtigten Altstraßen. Im Landkreis hat ihn bislang nur Unterhaching in seine Satzung aufgenommen, dort sind Altstraßen aber auch kein großes Problem. In Unterschleißheim kommt der Drittelerlass nach langer Debatte nun wohl an der Südlichen Ingolstädter Straße zum Tragen.

Wie läuft die Abstimmung ab?

Die Bürger können ihre Stimme per Brief oder am Sonntag zwischen 8 und 18 Uhr in Dornach im Feuerwehrhaus oder in Aschheim im Kulturellen Gebäude abgeben. Die Auszählung erfolgt im Feststadl.

Wer gewinnt?

Welche Seite am Ende eine einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen auf sich vereinen kann, vorausgesetzt, diese Mehrheit stellt mindestens 20 Prozent der stimmberechtigten Aschheimer. Das sind 6925 - das Quorum liegt also bei 1385. Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet. Die Bürgerinitiative beklagte im Vorfeld, dass der Abstimmungstermin eine Woche nach den Sommerferien zu wenig Zeit für Wahlwerbung ließe. Da Aschheim seit 2016 bei Bürgerentscheiden automatisch Briefwahlunterlagen verschickt und das Thema im Ort zuletzt sehr präsent war, darf es aber als ziemlich sicher gelten, dass sich genügend Bürger beteiligen werden.

Wie geht es nach dem Entscheid weiter?

Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses und kann innerhalb eines Jahres nur durch einen neuen Bürgerentscheid geändert werden, wenn sich die Rechtslage nicht grundlegend ändert. Heißt: Wenn für den Drittelerlass gestimmt wird, nimmt die Gemeinde diesen in ihre Satzung auf. Sonst bleibt die Handhabe bei der Abrechnung der Straßen wie gehabt.

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