Volksfestsaison:Wiesn ist überall

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Essen und gemeinsam feiern: Volksfeste sind bei Besuchern beliebt. (Foto: Robert Haas)

Wer Bierzelt, Tracht und Alpen-Pop mag, muss nicht bis zum Oktoberfest warten: Im Landkreis München hat die Volks- und Burschenfestsaison begonnen. Bis zum Herbst lässt sich fast jedes Wochenende in einer Gemeinde feiern - und der Zulauf nimmt seit Jahren zu.

Von Christina Hertel

Außen prasselt der Regen gegen das Festzeltdach, Frauen in Dirndl versinken mit ihren Absätzen im Schlamm. Drinnen sitzt Jochen Mörz am Biertisch vor einem fast leeren Masskrug und ist zufrieden. Er ist ein stämmiger Mann, Anfang 60, in Lederhose mit Hosenträgern. Früher einmal spielte er in der Nationalmannschaft Eishockey. Das gab er auf, um ein Leben zwischen Brathendl und Bierkrügen zu führen, um in ganz Deutschland Bierzelte aufzubauen, mit Blasmusik und Coverbands auf der Bühne. Dieses Geschäft, sagt der Festwirt, sei schon lange nicht mehr so gut gelaufen. Dass das Wetter an diesem Mittwochabend zum Start des Ismaninger Volksfestes schlecht ist, dass der Umzug der Vereine ausfällt, stört ihn nicht. Sein Zelt ist fast voll. Und seine Kellnerinnen tragen zehn Maßkrüge auf einmal an die Tische.

Tracht ist nicht mehr verpönt

Vergangenes Jahr organisierte Mörz zum ersten Mal ein Oktoberfest in Paris. In zehn Lastwagen karrte er Obazda, Griebenschmalz und Schweinshaxen nach Frankreich. Jeder Gast trank im Schnitt jeden Tag mehr als zweieinhalb Liter Bier. Und auch hier im Münchner Umland bei den kleineren Volksfesten verdiene er seit einiger Zeit jedes Jahr um die zehn bis 15 Prozent mehr. "Die Menschen", sagt er, "fühlen sich mit ihrer Heimat wieder mehr verbunden." Tracht sei nicht mehr verpönt, man werde eher schief angeschaut, wenn man in Jeans statt in Lederhose ein Festzelt betritt. Im Ismaninger sehen sogar die Kleinkinder aus, als wären sie aus einem Fünfzigerjahre Heimatfilm entsprungen: Sie tragen nicht nur Lederhosen, sondern auch Filzhut, Weste, Strümpfe und Haferlschuhe.

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(Foto: Robert Haas)

O'zapft is: Zu allgemeinen Erheiterung hat Nadine Mößbauer von der Deandlschaft das Anzapfen übernommen. Das Bier spritzt in alle Richtungen.

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Die Männer vor ihr werden nass, das Zelt lacht.

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Bürgermeister Alexander Greulich moderiert.

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Die Jüngeren drehen derweil eine Tanzrunde.

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Und halten sich an Pommes.

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Die Bedienungen bringen Speis'...

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... und Trank.

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(Foto: Robert Haas)

Das Volksfest läuft noch bis kommenden Montag.

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(Foto: Robert Haas)

Und ist auch bei Japanern beliebt, die gleich ein Fernsehteam mitgebracht haben.

Es ist 19 Uhr und Zeit, das Volksfest offiziell zu eröffnen. Wie überall in Bayern geschieht das auch in Ismaning durch den Bieranstich. Den soll diesmal Nadine Mößbauer vornehmen. Sie ist Vorsitzende des Ismaninger Deandlvereins, des weiblichen Pendants zu den Burschen. Bei ihrem ersten Schlag spritzt das Bier in alle Richtungen. Die Männer vor ihr werden nass, das Zelt lacht. Was ist so toll an diesen Festen, die in den nächsten Monaten im ganzen Landkreis fast jedes Wochenende stattfinden? Und praktisch immer gleich ablaufen: Bier, Tracht, Blaskapelle. Nach dem Volksfest in Ismaning kommt das Unterföhringer Bürgerfest, die Garchinger Bürgerwoche, das Kirchheimer Volksfest. Davor waren das Lohhofer und das Oberschleißheimer Volksfest, Bierfeste von Burschenvereinen, Maibaumaufstellen, demnächst auch noch Sonnwendfeiern. Wer wollte, könnte wohl jedes Wochenende in einer anderen Gemeinde feiern.

Bayerisch-Pop kommt an

Herbert Baur, der als zweiter Vorsitzender des FC Ismaning das Volksfest in der Gemeinde mitorganisiert, meint: "Die Menschen sehnen sich wieder nach einem Zuhause." Gerade weil die Welt immer komplizierter, globaler und schneller geworden sei. Und aus seiner Sicht betreffe dieses Gefühl besonders die 20- bis 30-Jährigen. Um die ins Festzelt zu bewegen, veranstaltete der Fußballverein früher Mallorcapartys auf dem Bürgerfest. Aber Mickie Krause und Co. würden heutzutage niemanden mehr anlocken. "Was gut geht, ist Bayerisch-Pop." Bands wie La Brass Banda, die in Lederhosen auf der Bühne stehen, in Dialekt singen, Trompete und Posaune spielen.

Das sieht auch Bastian Siebauer so, der in Unterföhring das Bürgerfest organisiert. Vor ein paar Jahren stellte er die Musikauswahl um. Seitdem kommen statt englischer Rockbands Gruppen aus der Region. Nächste Woche Sonntag steht zum Beispiel DeSchoWieda auf der Bühne - drei Erdinger Brüder, die in Mundart singen. Siebauer sagt, auch er merke, dass die Volksfeste immer besser besucht sind - vor allem von jungen Leuten, die gerade mit dem Studium beginnen oder zu arbeiten anfangen. Warum das so ist? "Gute Frage. Aber ich finde es schön." Auch, wenn man seitdem auf Volksfesten immer ein paar "Kuriositäten" sehe: "Spinnerte Dirndl oder Sneaker zur Lederhose."

"Die Leute haben keine Lust mehr auf Stress"

Siebauer glaubt, dass sich die ganzen Volksfeste im Landkreis gegenseitig keine Konkurrenz machen. Vergangenes Jahr fand das Ismaninger Volksfest gleichzeitig zum Bürgerfest in Unterföhring statt. "Wir haben das gar nicht gemerkt." Vielleicht liege es daran, dass jede Gemeinde sowieso zu ihrem eigenen Fest gehe. "Das Schöne bei uns ist, dass es ganz familiär zugeht. Die meisten Leute kennt man - zumindest vom Sehen." Und obwohl immer mehr Besucher kommen, gehe es immer friedlicher zu. Eine Bierzeltschlägerei habe er in Unterföhring schon lange nicht mehr erlebt. Der Grund aus seiner Sicht: die vielen Sicherheitsleute, die Absperrungen. "Die Leute haben einfach keine Lust mehr auf Stress."

In Ismaninger Bierzelt sitzt Manfred Schwarzbauer, 26 Jahre und Mitglied des Ismaninger Burschenvereins, vor seinem Masskrug. Er trägt Lederhosen und eine grüne Weste. Der Tisch klebt, es riecht nach Bier und Herrenparfüm. Früher sei er manchmal zum Feiern in die Stadt gefahren. Irgendwann jedoch habe ihm das keinen Spaß mehr gemacht. "Ich bin halt kein Mingerer, sondern Ismaninger", sagt er und hebt darauf seinen Krug.

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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