Süddeutsche Zeitung

Verwaltungsgericht:Unterhaching hat sich verzockt

Weil die Gemeinde den Bebauungsplan nicht geändert hat, muss sie ein Wettbüro im Ortszentrum wohl dulden. Die Richterin am Verwaltungsgericht verlangt vom Betreiber lediglich eine Verkleinerung um wenige Quadratmeter.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Wettbüros im Ortszentrum sind der Gemeinde Unterhaching schon lange ein Dorn im Auge. Im Rathaus befürchtet man durch derartige Vergnügungsstätten ein "Downgrading" des Gebiets, außerdem gibt es laut Bauamtsleiter Stefan Lauszat immer wieder Beschwerden der Anwohner. Die Leute hätten Angst vor der Klientel, die solche Läden anlocke. Will die Gemeinde nicht den Bebauungsplan ändern, bleiben ihr allerdings wenige Möglichkeiten, Wettbüros aus Mischgebieten wie dem Ortszentrum herauszuhalten.

Das Unternehmen Tipico, das sich seit fünf Jahren an der Münchner Straße angesiedelt hat, darf dort jedenfalls voraussichtlich erst einmal bleiben. Das Verwaltungsgericht machte der Betreiberin am Mittwoch lediglich zur Auflage, die Ladenfläche um ein paar Quadratmeter zu reduzieren, um dem eingereichten Bauantrag zu entsprechen. Das Urteil steht noch aus.

Eingegangen war der Bauantrag bei der Gemeinde im Jahr 2013. Genehmig ist er vom Landratsamt bis heute nicht, auch Unterhaching erteilte kein Einvernehmen. Eingerichtet und eröffnet wurde das Wettbüro dennoch, "ein Schwarzbau", wie Lauszat sagt. Gegen die Verweigerung der Baugenehmigung war die Betreiberin nun gerichtlich vorgegangen. Denn laut Bebauungsplan von 1977, der nach wie vor für das Ortszentrum gilt, sind solche Vergnügungsstätten in gewissem Maße zugelassen. Nun stellte sich vor Gericht die Frage, ob dies im Falle des Wettbüros zutrifft.

Knackpunkt bei der Entscheidung ist das leicht irritierende Wörtchen "kerngebietstypisch". Dies ist nur gegeben, wenn es sich bei der Vergnügungsstätte um einen zentralen Dienstleistungsbetrieb handelt, der für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar sein soll. Dann nämlich stört es in einem Gebiet mit Wohnungen. Da das oftmals schwierig zu beurteilen ist, hat sich in der Rechtsprechung ein Richtwert von 100 Quadratmetern Grundfläche durchgesetzt. Allerdings bezieht der sich hauptsächlich auf Spielhallen. Und Wettbüros seien keine Spielhallen, argumentiert die Gemeinde.

Der Vergleich mit Spielhallen hinkt

Auch wenn die jetzige Größe dieser Vergnügungsstätte knapp unter 100 Quadratmetern liegt und laut Plan im Bauantrag sogar nur 76 Quadratmeter haben dürfte, findet die Gemeinde, dass der Vergleich mit den Spielhallen hinkt. In Mischgebieten dürfen in diesen nämlich nur acht Automaten aufgehängt werden, an denen eben nur acht Kunden gleichzeitig spielen könnten, während sich im Wettbüro mit acht Selbstbedienungs-Terminals und 32 Sitzplätzen, von denen aus die Spiele und Quoten auf den Monitoren verfolgt werden, ungleich mehr Leute aufhalten könnten, argumentiert Michael Beisse, der Anwalt der Gemeinde.

Die Vorsitzende Richterin Cornelia Dürig-Friedl orientiert sich an der bisherige Rechtsprechung und stuft das Wettbüro als nicht kerngebietstypisch ein. "Es wäre sinnlos, dagegen anzurennen", sagte sie. Zuvor hatte sie sich bei der Betreiberin vergewissert, dass sich über den Tag verteilt maximal 40 bis 50 Kunden in den Räumlichkeiten aufhielten. Zu Stoßzeiten etwa am Samstagnachmittag seien es gleichzeitig höchstens etwa 15 Personen.

Allerdings besteht die Richterin auf die genaue Umsetzung des Bauantrags und damit auf einen Rückbau im Eingangsbereich. Auch die beantragten Öffnungszeiten bis 22 Uhr müssen eingehalten werden, tatsächlich hat das Wettbüro bislang bis 23 Uhr geöffnet. Der Gemeinde gab sie mit auf den Weg: "Sie hatten fünf Jahre Zeit, das städtebaulich mit einer Änderung des Bebauungsplans zu regeln."

Das sieht Lauszat nach wie vor problematisch. Dort könnte die Gemeinde zwar ein Ausschluss von derartigen Vergnügungsstätten formulieren, doch würde durch den aktualisierten Plan auch eine neue Rechtslage gelten, die etwa in Mischgebieten 50 Prozent Gewerbe vorschreibe. "Und wir haben hier wesentlich mehr Wohnbebauung." Nun muss der Gemeinderat entscheiden, ob Unterhaching in die nächste Instanz geht oder tatsächlich den Bebauungsplan ändert.

Aufgeben will Lauszat nicht. Auf der anderen Seite des Gebäudekomplexes, am Bahnhofsweg, hat die Gemeinde bessere Karten. Hier droht dem Betreiber eines Wettbüros Ende Mai die Vollstreckung. Die Gemeinde hatte ihr Einvernehmen verweigert, weil ein Stellplatz fehlt. Der Betreiber war nicht gerichtlich dagegen vorgegangen.

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SZ vom 09.05.2019/belo
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