Gemeinden bauen Verkehrsüberwachung aus:Schlechte Zeiten für Raser und Falschparker

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Hier wird geblitzt. Wie Hohenbrunn überwachen auch andere Gemeinden den Verkehr. (Foto: Claus Schunk)

Weil der Polizei Personal fehlt, übernehmen immer mehr Gemeinden Verkehrskontrollen selbst - jetzt auch Kirchheim probeweise. Ein einträgliches Geschäft ist es entgegen Abzocke-Vorwürfen jedoch nicht.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Einen kommunalen Verkehrswächter muss Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) ersetzen. Der Kontrolleur hat seinen Job gekündigt - allerdings nicht, weil er unzufrieden gewesen wäre.

"Er hat mir aber einmal gesagt, als Verkehrswächter sollte man nicht in der Gemeinde wohnen, in der man auch arbeitet", sagt die Rathauschefin und lacht. "In diesem Beruf hat man es nicht immer mit netten Begegnungen zu tun."

Die Verkehrsüberwachung ist ein Thema, das Bürger und Verwaltungen auf vielfältige Art und Weise beschäftigt. Wenn wieder einmal zu viele Laster die Parkplätze in der eigenen Straße zuparken, greifen die Anwohner schnell zum Hörer, um sich bei der Gemeinde zu beschweren. Ähnliche Reaktionen sind zu erwarten, wenn an der eigenen Windschutzscheibe ein Knöllchen hängt.

Die Gemeinde Kirchheim wird sich wohl auf intensiveren Kontakt mit einigen Bürgern vorbereiten müssen. Auf einen Antrag der CSU-Fraktion hat der Gemeinderat beschlossen, probeweise eine kommunale Verkehrsüberwachung einzuführen. Und zwar in Kooperation mit dem Zweckverband kommunale Verkehrsüberwachung Südostbayern, der sich den Kirchheimer Gemeinderäten vorgestellt und eine Zusammenarbeit angeboten hat. Weit mehr als hundert Kommunen arbeiten mit der Behörde mittlerweile zusammen, die im Auftrag der Städte und Gemeinden als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Verkehr überwacht. Im Landkreis München ist Oberschleißheim bisher die einzige Kommune, die mit dem Zweckverband kooperiert. Die Gemeinden Sauerlach, Aying, Hohenbrunn und Höhenkirchen-Siegertsbrunn kooperieren stattdessen mit dem Zweckverband Oberland.

Dem Bürgermeister ist die Überwachung ein Anliegen

Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) ist die Verkehrsüberwachung ein Anliegen, "weil auch immer viele Bürger mit diesem Thema auf mich zukommen", wie er sagt. Vorhergehende Messungen hätten ergeben, dass auf den Hauptverkehrsstraßen wie der Münchner oder Feldkirchener Straße zwei Drittel aller Verkehrsteilnehmer zu schnell unterwegs seien: "Wenn die Leute wissen, dass nicht kontrolliert wird, fahren sie zu schnell."

Die Verkehrsüberwachung im Freistaat fällt sowohl in die Zuständigkeit der Polizei als auch der Kommunen selbst. Letztere können diese als hoheitliche Aufgabe selbst organisieren - oder in einem sehr engen gesetzlichen Rahmen auf private Dienstleister übertragen. Die Gemeinde Aschheim hat vor drei Jahren ein weiteres Modell gewählt: Sie hat die Verkehrsüberwachung der Gemeinde Markt Schwaben im Landkreis Ebersberg übertragen, die mit einer Firma aus dem Nürnberger Raum zusammenarbeitet. "Wir haben lang darüber diskutiert, ob wir es brauchen", sagt Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU). "Aber letztlich wollten wir neuralgische Punkte unter die Lupe nehmen."

Vor allem vor Kindergärten und Schulen wird seitdem geblitzt, aber auch auf viel befahrenen Trassen wie der Münchner und Erdinger Straße wird der fließende Verkehr kontrolliert. Auch den sogenannten ruhenden Verkehr hat die Gemeinde im Blick. "Uns war wichtig, dass in Gewerbegebieten wie in Dornach Parkplätze, die dringend gebraucht werden, nicht ständig von Dauerparkern belegt werden", sagt Glashauser. "Bisher haben wir nur positive Erfahrungen gemacht. Auch wenn mal wieder eine Mutter bei der Kita die Feuerwehrzufahrt blockiert und sich über den Strafzettel ärgert."

Ein mäßiges Geschäft für die Gemeinden

Ein gutes Geschäft ist die Verkehrsüberwachung für die Städte und Gemeinden indes nicht. "Wir gehen da - wenn überhaupt - mit einer schwarzen Null raus", sagt Pullachs Bürgermeisterin Tausendfreund. Die Gemeinde Aying etwa hat im Jahr 2016 sogar nahezu 7000 Euro Verlust eingefahren. Eine Stunde Radarkontrolle kostet etwa 130 Euro - plus 50 Euro für die Anfahrt der Kontrolleure. Dennoch vermuten manche Verkehrssünder hinter den Kontrollen Abzocke. "Aber der Fall ist doch ganz einfach: Wer sich an die Regeln hält, muss auch nicht zahlen", sagt dazu Aschheims Bürgermeister Glashauser. Dass die Gemeinde Kirchheim Verkehrskontrollen einführt, hat auch einen weiteren Grund: Die Polizei, lässt die CSU in ihrem Antrag wissen, komme aufgrund ihrer Personalsituation nur noch selten zu Kontrollen. Ein Problem, das auch in andern Kommunen bekannt ist.

Im Einsatzgebiet der Polizeiinspektion 28, zu dem die Gemeinden Ottobrunn, Neubiberg, Putzbrunn, Hohenbrunn, Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Brunnthal und Aying gehören, sind in der Regel zwei Streifen unterwegs. Die Kollegen, sagt Inspektionsleiter Armin Ganserer, wählten ihre Routen selbst, könnten aber nicht überall gleichzeitig sein. Das hat auch die Gemeinden Ottobrunn und Neubiberg bewogen, in die Verkehrsüberwachung einzusteigen.

Anders als die bevölkerungsreichste Kommune des Landkreises: Immer wieder wird im Unterschleißheimer Stadtrat über Verkehrskontrollen diskutiert, bisher aber erachtet eine Mehrheit die kommunale Verkehrsüberwachung für nicht erforderlich. Bürgermeister Christoph Böck (SPD) befürwortet indes Kontrollen: "In einem ersten Schritt sollten wir uns mit dem ruhenden Verkehr befassen. Auch, weil es bei uns das Problem mit den Flughafen-Parkern gibt."

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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