Verkehrspolitik in Pullach:Die Entdeckung der Langsamkeit

Verkehrspolitik in Pullach: Wie soll das Miteinander von Autofahrern, Radlern und Fußgängern in Pullachs guter Stube aussehen? Die Agenda hat dazu Ideen.

Wie soll das Miteinander von Autofahrern, Radlern und Fußgängern in Pullachs guter Stube aussehen? Die Agenda hat dazu Ideen.

(Foto: Claus Schunk)

Die lokale Agenda stellt Konzepte zur Verkehrsberuhigung des Pullacher Ortskerns vor. Am Ende sind sich alle einig: Nur eine Reduzierung der Geschwindigkeit und Zebrastreifen erhöhen die Sicherheit der Fußgänger.

Von Julian Carlos Betz, Pullach

Das Thema Verkehr erhitzt die Gemüter. Nicht nur, wenn es um Autoabgase oder Missachtung von Tempolimits geht, sondern auch bei der Frage, wie Autofahrer, Radler und Fußgänger rücksichtsvoll miteinander umgehen können.

Bei einer Diskussion der lokalen Agenda mit Anwohnern über ein Konzept zur Verkehrsberuhigung des Pullacher Ortskerns herrschte jedenfalls viel Redebedarf.

In Pullach geht es vorrangig um eine mögliche Verbesserung der Verkehrslage im Ortszentrum, das heißt rund um den Kirchplatz und seine Zubringerstraßen wie die Münchner Straße, die Habenschadenstraße und die Heilmannstraße beispielsweise. Ob man sich nur auf den Kernbereich beschränken oder ein erweitertes Konzept erarbeiten sollte, das auch Rathaus und Schulen mit einbeziehen würde, ist noch unklar. Nach den Worten von Sprecher Bert Eisl soll die lokale Agenda 21 zunächst einmal ein Grobkonzept erarbeiten, das als Grundlage für ein Leitbild dienen könnte, das ein Expertenteam ausarbeitet.

Zusammen mit den weiteren Sprechern des Arbeitskreises, Justus Thyroff, Peter Kloeber und Hans Eschler, hat Eisl vier mögliche Modelle für eine Verkehrsberuhigung recherchiert und den Besuchern des Diskussionsabends vorgestellt.

Fußgänger und Autofahrer gleichberechtigt

Zwei dieser vier Alternativen, nämlich der sogenannte "Shared Space" mit vollkommen gleichberechtigten Verkehrsteilnehmern ohne Tempolimit und die "Begegnungszone" mit einer Bevorrechtigung der Fußgänger, sind laut Agenda in Deutschland jedoch rechtlich noch gar nicht möglich, weil sie in der Straßenverkehrsordnung nicht definiert sind, wie es bei der Diskussion hieß. Einige Zuhörer beklagten daraufhin, dass man mit offenbar nicht realisierbaren Modellen nur seine Zeit vertue. Thomas Aigner, 47, Immobilienmakler aus Pullach, forderte daher kurzfristig umsetzbare und pragmatische Lösungen, die sich nicht an fragwürdigen Konzepten ohne Chance auf Realisierung orientierten.

Andere aber widersprachen: Man solle durchaus auch Konzepte mit reinem Modell-Charakter diskutieren, vor allem in Hinblick auf den weiten Zeitrahmen des Ortsentwicklungsplans, nämlich 2030. Bis dahin könne sich einiges ändern und Modelle könnten schließlich als Vorläufer für Gesetzesänderungen gelten, wurde argumentiert. Zwei Vorschläge ließen sich bereits jetzt problemlos umsetzen: So könne es im Pullacher Ortskern entweder einen verkehrsberuhigten Bereich mit Tempo 20 oder Schrittgeschwindigkeit geben. Ersterer ist bereits teilweise vorhanden, sodass es schlussendlich nur um die Reduzierung des Tempolimits ginge.

Vehemente Kritik kam in Sachen Geschwindigkeit schließlich von mehreren Anwesenden, die sich teils massiv über zu schnelle und rücksichtslose Radfahrer beschwerten, die man ja nicht kontrollieren könne wie Autofahrer. Ein weiterer großer Streitpunkt ist unter anderem auch das Thema Parkplätze. Manfred Müller, 63, der bei der Diskussion als Vertreter des Gewerbeverbands anwesend war, warnte vor einer Überregulierung und betonte, dass die örtlichen Geschäfte auf diese Parkplätze angewiesen seien und man keinesfalls, in welchem Konzept auch immer, deren Anzahl verringern dürfe. Der Kirchplatz sei ohnehin schon "eingefriedet" und bedürfe keiner weiteren Beruhigung, sagte Müller. Auch liege das Problem überhaupt nicht am Kirchplatz, sondern eben an den umliegenden Straßen.

In einem waren sich die Anwesenden am Ende der Diskussion einig: Die erlaubte Geschwindigkeit im Pullacher Ortskern müsse auf Tempo 20 reduziert werden. Davon sollten mindestens der Kirchplatz und eventuell auch die Zubringerstraßen betroffenen sein. Darüber hinaus sollen mehrere Zebrastreifen die Sicherheit der Fußgänger in diesem Bereich erhöhen - und auf diese Weise einen Kompromiss mit dem nicht angenommenen Konzept der Spielstraße herstellen.

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