Süddeutsche Zeitung

Kirchheim: Studie zur intelligenten Verkehrsführung:Sensoren gegen den Stau

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Die Industrie- und Handelskammer startet ein Smart-Mobility-Pilotprojekt in Kirchheim. Mit Big Data und Pendlerbussen soll die Verkehrssituation am Ort entschärft werden.

Von Christina Hertel, Kirchheim

Der Verkehr ist ein Dauerproblem im Landkreis München. An einer Lösung der Frage, wie Stau verringert und der Verkehr flüssiger werden könnte, beteiligen sich nun auch Unternehmen.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat die Arbeitsgruppe "Smart Mobility und aktive Verkehrssteuerung mit Big Data" gegründet und startet nun in Kirchheim ein Pilotprojekt. Ziel ist, der Gemeinde und den Gewerbetreibenden Strategien und Möglichkeiten zu zeigen, wie sie auf Grundlage von Daten Verkehrsströme verändern könnten.

Dafür will die Arbeitsgruppe zunächst einen Studenten suchen, der sich in Form einer Masterarbeit mit dem Thema befasst. "Zuerst wollen wir festhalten, was es in anderen Ländern bereits gibt", sagt René Fassbender, der den Arbeitskreis leitet. Er ist Astrophysiker und arbeitet in einem Start-up, das sich mit Datenanalyse beschäftigt. Spanien, Österreich und asiatische Länder, sagt er, würden im öffentlichen Raum mehr Daten sammeln und auswerten, um Verkehrsströme gezielt zu beeinflussen. Teil der Masterarbeit soll laut Fassbender auch eine Befragung in Kirchheim sein - von Verkehrsteilnehmern und Gewerbetreibenden. "Wir wollen wissen, warum sie das Auto nehmen und nicht auf Alternativen umsteigen", sagt Fassbender. Ziel ist es, möglichst bald einen Studenten zu finden und noch in diesem Jahr mit der Befragung zu beginnen.

Außerdem möchte die Arbeitsgruppe Firmen zeigen, wie sie gezielt Pendlerbusse einsetzen könnten. Auch dafür muss zuerst eine Analyse erstellt werden. Es sollen Mitarbeiter von mehreren Kirchheimer Unternehmen befragt werden, welche Wege sie zur Arbeit nehmen. In einer Karte sollen diese Ströme erfasst und so Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wo Pendlerbusse eingesetzt werden könnten. Umsetzen müssten dieses Konzept dann die Firmen oder die Gemeinde selbst.

Eine App für den Autofahrer

Die Arbeitsgruppe plant zudem, mit Sensoren den Verkehrsfluss zu messen und daraus Rückschlüsse zu ziehen. Die Sensoren sollen laut Fassbender am Straßenrand aufgestellt werden und nur die Umrisse der Fahrzeuge erfassen. Deshalb gebe es auch keine Datenschutz-Probleme. Erkenntnisse sollen die Messungen darüber bringen, wann der Stau eintritt, wann er sich auflöst und welche Routen Autofahrer sonst nehmen könnten. Später sei es möglich, den Autofahrern auf einer Website oder einer App die Informationen zur Verfügung zu stellen. Auch dynamische Schilder an den Straßen könnte sich Fassbender vorstellen. Sein Ziel ist, Datenanalysen nicht allein amerikanischen Firmen wie Google zu überlassen.

Dass sich die IHK dem Thema widmet, hat damit zu tun, dass für Unternehmen die Verkehrssituation im Landkreis München immer problematischer wird. "Es ist immer schwieriger für Lieferanten, ihre Ware pünktlich zu den Herstellern zu bringen", sagt Tina Emslader, die in der IHK für Mobilität zuständig ist. "Arbeitszeit geht verloren, weil Mitarbeiter im Stau stehen." Außerdem würden alle Unternehmen um qualifizierte Fachkräfte ringen. Wenn man zu lang zur Arbeit braucht, sei das für viele ein Ausschlusskriterium, sich bei der Firma zu bewerben. Zwar versucht das Pilotprojekt hauptsächlich, den Verkehrsfluss auf der Straße zu verbessern, insgesamt sei für die IHK aber auch der öffentliche Nahverkehr relevant: "Wir merken, dass es besonders für die letzten Kilometer vom S-Bahnhof zum Unternehmen noch keine guten Verbindungen gibt."

Auch Garching, Unterschleißheim und Unterföhring seien als Pilotgemeinde für das Verkehrsprojekt in Betracht gezogen worden. Dass ausgerechnet Kirchheim ausgewählt wurde, liegt nach den Worten von Fassbender nicht nur daran, dass die Gemeinde ein Stauproblem habe. Vor allem sei der Grund, dass Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) sofort bereit gewesen sei, das Ganze zu unterstützen, sagt Projektleiter René Fassbender.

Der Bürgermeister erhofft sich durch das Projekt Erkenntnisse für die neue Ortsmitte. Auf dem Areal plane die Gemeinde neue Verkehrswege - bei denen der Fokus nicht mehr nur auf dem Auto liegen solle, sondern bestenfalls aus einer Kombination aus Fahrrad, öffentlichem Nahverkehr und Carsharing. "Wir hoffen", sagt Böltl, "dass am Ende nicht mehr jeder Pendler alleine in seinem Fahrzeug sitzt".

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SZ vom 09.03.2018
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