Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Vorfahrt für Busse

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Mit eigenen Spuren, grüner Welle und neuen Haltestellen will der Landkreis München mehrere Linien beschleunigen.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die in der Summe aber eine enorme Auswirkung haben. Wenn etwa der 231er-Bus in Unterföhring die Haltestelle Bergstraße anfährt, muss der Fahrer immer etwas mehr Abstand zum Bordstein einplanen, weil das Dach des Unterstands, der die Fahrgäste trocken halten soll, zu weit an die Straße heranreicht. Wollen dann Eltern mit Kinderwagen oder ein Rollstuhlfahrer einsteigen, wird es komplizierter - und das kostet Zeit. Kostbare Sekunden.

Der Landkreis München evaluiert derzeit seinen Nahverkehrsplan, der Mitte 2020 in Kraft treten wird. Erstes Ergebnis: Im öffentlichen Personennahverkehr werden künftig Busse eine entscheidende Rolle spielen. Sie sollen auf den wichtigsten Verbindungen mit dem größten Fahrgastaufkommen pünktlicher, verlässlicher, komfortabler und vor allem schneller werden. Hierfür wird vom Kreis ein eigenes Beschleunigungsprogramm aufgelegt.

"Ich bin überzeugt, uns erwartet ein Jahrzehnt der Busse im Landkreis", sagte SPD-Kreisrätin Annette Ganssmüller-Maluche im Kreistagsausschuss für Mobilität und Infrastruktur, wo Planer Mathias Schmechtig das Konzept vorstellte. U-Bahn-Planungen etwa bräuchten einen langen Atem. Der Grünen-Kreisrat und Landtagsabgeordnete Markus Büchler bezeichnete Busse als "Brückentechnik". "Das Verkehrsaufkommen wird weiter spürbar zunehmen. Aber noch mehr Autoverkehr wird nicht auf die Straßen passen."

Die besondere Situation insbesondere in urbanen Gebieten des Landkreises betonte auch Verkehrsplaner Schmechtig: etwa deutliche Staubildungen auch außerhalb der Hauptverkehrszeiten, einen ausgeprägten und weiter zunehmenden Schwerlastverkehr, hohen Parkdruck in den Stadt- und Ortskernen. Was auf den Straßen des Landkreises spürbar zunehme, seien "temporäre Konfliktpotenziale" wie das Parken in zweiter Reihe, Liefer- und Logistikverkehr. All das zusammengenommen führe zu "signifikanten Zeitverlusten" für den Busverkehr.

Zwei konkrete Beispiele: In Tempo-30-Zonen mit Rechts-vor-links-Regelungen müssen Busse permanent abbremsen und wieder anfahren. Dies hat Verzögerungen zur Folge und erhöht zudem die Sturzgefahr für stehende Passagiere. Muss ein Bus an einer Hauptverkehrsachse an einer Busbucht halten, wird er von Autos überholt, am nächste Knotenpunkt entwickelt sich der Stau vor dem Bus.

Um diese Verzögerungen zu minimieren, müssen laut Verkehrsplaner Schmechtig drei Bausteine beachtet werden: Verlustzeiten an Knotenpunkten müssen reduziert, die Aufenthalte an den Haltestellen minimiert und eine störungsfreie Fahrt gewährleistet werden. Busse sollten möglichst als "Pulkführer" bevorzugt werden, dabei könnten sogenannte Kaphaltestellen helfen, die in die Fahrbahn hineingebaut werden. In Tempo-30-Zonen müssten die Trassen mit Vorfahrtsberechtigungen für Busse versehen werden, Ampelanlagen sollten technisch die Bevorzugung des Busverkehrs garantieren. Und natürlich verwies Schmechtig auch auf die "dynamische Straßenraumfreigabe", soll heißen: Sonderfahrspuren für Busse auf besonders belasteten Abschnitten.

Diese Idee wird im Landkreis bereits intensiv diskutiert, etwa wenn es um die Idee einer Ring-Expressbus-Linie geht, die als Ersatz für eine Stadt-Umland-Bahn durch den gesamten Landkreis führen könnte. So wird immer wieder von einer eigenen Spur nur für Busse auf der A 99 gesprochen, vor allem auf den Abschnitten, die zunächst auf acht Spuren ausgebaut werden. CSU-Fraktionssprecher Stefan Schelle plädierte dafür, das "Gefährt", das am meisten Menschen transportiere, zu fördern - und das seien im Landkreis die Busse.

Landrat Christoph Göbel (CSU) ergänzte, es gehe nicht um den ländlichen Raum, sondern um die Gebiete, "in denen es brennt": etwa im Norden auf der B 471 von Dachau über Oberschleißheim bis Garching. Es gibt auch bereits Vorbilder im Landkreis, etwa die Linie 210 von Neuperlach Süd über Neubiberg und Ottobrunn bis ins Taufkirchner Gewerbegebiet. Die dortige Busbeschleunigung hat laut Neubibergs Bürgermeister Günter Heyland (FW) keine "negativen Diskussionen" ausgelöst: "Autofahrer nehmen das hin."

Die Pläne für den Ausbau des Nahverkehrs werden immer konkreter. So gibt es einen Vorschlag, am Ludwig-Bölkow-Campus in Ottobrunn einen neuen Busbahnhof einzurichten, von dem aus der gesamte Südosten des Landkreises schneller bedient werden könnte. Genau dort, wo einmal die Verlängerung der U 5 von Neuperlach Süd aus enden könnte. Im Norden wird wieder eine Verlängerung der Tram von St. Emmeram nach Unterföhring ins Spiel gebracht, ebenso eine Seilbahntrasse von Haar über die Messestadt bis in den Norden nach Unterschleißheim.

Oberste Priorität, sagte Planer Schmechtig, müsse aber zunächst der Aufbau eines "Hauptbusnetzes" haben, das die "zentralen Orte im Kreisgebiet" verbindet und enge Verknüpfungen mit der Landeshauptstadt herstellt. Und das in einem konsequenten Zehn-Minuten-Takt auf allen relevanten Achsen. Alles diene einem Ziel: "Die Reisezeiten müssen kürzer werden."

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Quelle:
SZ vom 19.09.2019
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