Verkehr:Vom Umland lernen

Verkehr: Die Münchner SPD fordert den Ausbau des S-Bahn-Netzes auch im Umland.

Die Münchner SPD fordert den Ausbau des S-Bahn-Netzes auch im Umland.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Münchner SPD will mit dem Kreis in den Dialog eintreten, um gemeinsam Verkehrsprobleme in der Boomregion zu lösen. Kommunalpolitiker begrüßen das - glauben aber, schon einen Schritt weiter zu sein

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Der Traum von der Stadt-Umland-Bahn ist mittlerweile 22 Jahre alt. Dieses visionäre Gedankenspiel einer Stadtbahn, mit der Pendler an Staus auf den Autobahnen sowie Ein- und Ausfallstraßen vorbei stressfrei etwa von Kirchheim über Feldkirchen, die Messe, Neuperlach, Neubiberg bis nach Taufkirchen in die Arbeit fahren. Und natürlich weiter in den Münchner Osten und Norden, einmal - wie der Name sagt - um die Landeshauptstadt herum.

Dieser Vorschlag kommt immer wieder auf. Jetzt hat ihn die SPD in der Landeshauptstadt erneut aus der Taufe gehoben; eingebettet in eine Reihe von Vorschlägen, die den Nahverkehr in der Stadt, aber auch im Umland attraktiver gestalten sollen. Für Markus Büchler ist diese "Ausbauoffensive" der Genossen grundsätzlich "absolut zu begrüßen". Allerdings kommt der Grünen-Kreisrat nicht ohne einen Seitenhieb auf die Münchner SPD aus: "Bisher ist die ja nicht gerade mit innovativen Ideen aufgefallen. Vielleicht hat es das Feinstaubdesaster und die Androhung von Fahrverboten gebraucht, damit die SPD mit Vorschlägen für den ÖPNV daherkommt. Wir im Landkreis sind da einen Schritt weiter."

Der Landkreis forciert die Tangentialen

Büchler spielt auf die Machbarkeitsstudie des Landkreises zu "Perspektiven im ÖPNV" an. Darin steht zwar nichts mehr von einer Stadt-Umland-Bahn, allerdings listet der Plan in detaillierten Zügen Projekte auf, die als Querverbindungen zusammengenommen den Sinn und Zweck der ursprünglichen Idee erfüllen könnten. Stadtbahnen von Neuperlach über Neubiberg und Ottobrunn bis Brunnthal Nord. Eine Tram im nördlichen Ballungsraum von Ober- und Unterschleißheim über Garching bis Unterföhring und weiter nach Ismaning - womöglich gar bis Feldkirchen. Eine Stadtbahn im Würmtal, die Verlängerung der U 5 im Südosten, die S-Bahn-Tangente Nord ab Haar.

Neubibergs Bürgermeister Günter Heyland (Freie Wähler), Mitglied im Kreisausschuss für Mobilität, sagt, die Stadt-Umland-Bahn wolle er nicht schon wieder beerdigen. "Darüber gilt es natürlich nachzudenken", findet er. "Aber ob so eine riesiges Projekt überhaupt noch zu verwirklichen ist, bleibt fraglich." Viele Kommunen, sagt Heyland, haben die dafür nötigen Grundstücke längst nicht mehr. "Bei uns in Neubiberg ist das anders, wir haben die Trasse freigehalten", sagt er. "Aber es ist gegenwärtig wahrscheinlicher, dass dort eine Stadtbahn entsteht, wie im Kreis auch vorgeschlagen und diskutiert."

Fehlende Grundstücke, wenig Platz, fortschreitende Verdichtung - all das sind Faktoren, die auch Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) beschäftigen. "Vor allem hier im Norden, wo wir im Verkehr ersaufen." Grundsätzlich sei es zu begrüßen, sagt Greulich, dass jetzt auch aus der Landeshauptstadt Gesprächsangebote an die angrenzenden Landkreise erfolgten: "Es sind, wenn es um die ganze Verkehrsthematik geht, so viele Player dabei. Wir müssen uns austauschen, reden, gemeinsam Konzepte entwickeln. Alleine reißt hier niemand mehr etwas."

Kreisrat Markus Büchler wirft dem Freistaat "Totalversagen" vor

Das gilt insbesondere für eine prosperierende Gemeinde wie Ismaning: "Natürlich, das gehört zur Wahrheit, ist ein Großteil des Verkehrs hausgemacht. Wir spüren aber auch den Druck von nebenan", sagt Greulich. Etwa durch die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme München Nord-Ost. "Ein Riesen-Stadtteil", sagt Greulich über das 30 000-Einwohner-Projekt, das "vor allem die Kreisstraße M 3 komplett überlasten wird, wenn nichts passiert".

Wenn es um konkrete Handlungsanweisungen für die Lösung von Verkehrsproblemen gehe, sagt Kreisrat Büchler, könne die Stadt vom Kreis profitieren: "Wir haben erkannt, dass wir tangentiale Lösungen finden und jede einzeln auf den Bedarf überprüfen müssen. Es ist aber auch klar, dass wir uns mit unseren Beschlüssen teilweise am Rande unserer Zuständigkeit bewegen." Denn eine U-Bahnverlängerung etwa wird der Kreis allein nicht beschließen und finanziell gar nicht stemmen können.

Einig sind sich Büchler, Greulich und Heyland darin, dass alle Optionen geprüft werden müssten. "Wir dürfen keine Scheuklappen haben", sagt Greulich. Heyland verweist auf die Idee von Seilbahnen, die keineswegs mehr "nur Luftschlösser" seien. Markus Büchler fordert einen weiteren Partner zum Handeln auf: "Der Freistaat muss zwingend mehr investieren - bisher ist er nur durch Totalversagen beim ÖPNV aufgefallen. "Bayern muss in die Boomregion investieren", ergänzt Greulich. "Das soll keine Neidedebatte entfachen, aber hier im Landkreis sind die Anforderungen an die Verkehrspolitik überwältigend."

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