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Verkehr im Münchner Norden:So soll der Föhringer Ring endlich ausgebaut werden

  • Vielleicht wird der Föhringer Ring im Münchner Norden jetzt doch geweitet.
  • Ein Beschlussentwurf des Planungsreferates sieht nun die "schnellstmögliche Realisierung" einer vierspurigen Straße vor.
  • Das Problem ist schon seit 20 Jahren bekannt, wurde vom Münchner Stadtrat aber immer wieder aufgeschoben.

Von Ulrike Steinbacher

Seit 20 Jahren steht der Verkehr auf dem Föhringer Ring. Endlose Autoschlangen zwischen Oberföhring und Freimann, nach Osten wie nach Westen, vor allem im Berufsverkehr. Vielleicht wird dieses Nadelöhr im Münchner Norden jetzt aber doch geweitet. Eine Entscheidung zum vierspurigen Ausbau muss der Münchner Stadtrat fällen, der das Problem seit 1998 immer wieder vertagt hat.

Ein Beschlussentwurf des Planungsreferates sieht nun die "schnellstmögliche Realisierung" einer vierspurigen Straße vor. Die Bezirksausschüsse Bogenhausen und Schwabing-Freimann haben dem am Dienstagabend zugestimmt. Die Gemeinde Unterföhring, die im Verkehr erstickt, fordert den Ausbau ohnehin seit Langem, ebenso der Freistaat Bayern. Die Zeit drängt, sagen die Experten. Aber das sagen sie schon seit 20 Jahren.

Der Föhringer Ring ist ein Nadelöhr für Autofahrer

Der Stau entsteht, weil der Verkehr auf dem gut zwei Kilometer langen Föhringer Ring, der bei den Behörden Staatsstraße 2088 heißt, auf eine Spur zusammengedrängt wird. Wo im Osten die zweispurige Effnerstraße, die schnurgerade aufs Heizkraftwerk Nord zuläuft, in einer Linkskurve Richtung Isar schwenkt und zum Föhringer Ring wird, endet der linke Fahrstreifen. Die Straße bleibt einspurig, bis sie in Freimann in die Nürnberger Autobahn A 9 mündet. In der Gegenrichtung werden zwei Fahrstreifen, die von der Ungererstraße abzweigen, mit der Abfahrt von der A 9 zu einer einzigen Spur zusammengefasst. Erst östlich von Unterföhring, am Beginn der Effnerstraße, stehen dem Verkehr wieder zwei Fahrstreifen zur Verfügung.

Am mangelndem Platz liegt es nicht: Die asphaltierte Fläche des Föhringer Rings ist groß dimensioniert. Aus den elf Metern Fahrbahnbreite pro Richtung ließen sich schon fast zwei Spuren machen. Das eigentliche Nadelöhr ist die Herzog-Heinrich-Brücke über Isar und Isarkanal. 1962 wurde die etwa 200 Meter lange Stahlkonstruktion eröffnet, seit Langem ist sie sanierungsbedürftig. Wegen des verwendeten Stahls, so fasst das Planungsreferat die Einschätzung des Freistaates zusammen, bestehe "die Problematik des Versagens ohne Ankündigung".

Die marode Herzog-Heinrich-Brücke drängt zum Handeln

Es ist der schlechte Zustand dieser Brücke, der den Föhringer Ring jetzt auf die Tagesordnung der Politik bringt. Inzwischen ist sie so marode, dass die Behörden darüber nachdenken, sie für Laster und Busse zu sperren; seit 2008 ist die Geschwindigkeit sicherheitshalber auf Tempo 50 beschränkt. Schon 2015 begann das Staatliche Bauamt Freising, einen Neubau südlich der alten Brücke zu planen, allerdings nur mit einem Fahrstreifen pro Richtung. Hinzu kommen jedoch Verflechtungsspuren, auch um den Unfallschwerpunkt an der Einmündung der Rampe von Unterföhrings Münchner Straße zu entschärfen.

2018 sollen die Brücken-Bauarbeiten beginnen und 2020 beendet sein. Dann wird die alte Brücke abgerissen. Falls inzwischen der vierspurige Ausbau beschlossen wird, müsste danach zusätzlich ein zweiter identischer Brücken-Neubau errichtet werden. Geht man wieder von zwei Jahren Bauzeit aus, hätte der Föhringer Ring also frühestens 2024 durchgehend vier Spuren.

Zahlen, Daten, Fakten

Der Ausbau selbst dürfte inzwischen unstrittig sein, die Finanzierungsdetails sind es nicht. Das lässt zähe Verhandlungen der drei Protagonisten erwarten: Der Föhringer Ring ist eine Staatsstraße, fällt also in die Zuständigkeit des Freistaates Bayern. Auf Münchner Stadtgebiet liegen 1,4 Kilometer, 0,9 Kilometer gehören zu Unterföhring.

Geplant wurde der Ausbau des Föhringer Rings 1998 in Kombination mit dem Neubau einer Tangente von Feldkirchen nach Unterföhring, der sogenannten Nordost-Verbindung. Beide Straßen zusammen sollten die Anbindung der neuen Messe und der Messestadt Riem sicherstellen. 2001 schlossen Stadt und Freistaat dazu eine Verwaltungsvereinbarung: München würde eine freiwillige Sonderbaulast übernehmen und die Kosten für Föhringer Ring inklusive Herzog-Heinrich-Brücke und Nordost-Verbindung tragen, soweit sie auf Stadtgebiet lägen. Der Freistaat würde im Gegenzug Zuschüsse von 70 bis 80 Prozent zahlen und die Planung übernehmen, deren Kosten geteilt würden.

Auf diese Vereinbarung pocht der Freistaat heute: Der Ausbau sei eine "Gemeinschaftsmaßnahme" von Stadt und Freistaat. Allerdings hat Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) im Oktober 2016 angeboten, das Staatliche Bauamt Freising könne das gesamte Projekt abwickeln. Die Stadt sieht aber bei der Finanzierung allein den Freistaat in der Pflicht: Da die Nordost-Verbindung nie gebaut wurde und jetzt offiziell gestrichen werden soll, "entfällt" "eine wesentliche Geschäftsgrundlage" der Vereinbarung von 2001, urteilt das Planungsreferat. Außerdem sei ja auch Unterföhring Nutznießer eines Ring-Ausbaus; Sondierungsgespräche sind geplant.ust

Die Befürworter halten den Ausbau noch aus weiteren Gründen für dringend erforderlich, wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der auch für Verkehr zuständig ist, im Oktober 2016 an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schrieb. Die Verbindung müsse mehr Verkehr aufnehmen können, da im Nordosten Bogenhausens ein neues Stadtviertel mit 30 000 Bewohnern entstehe. Außerdem sind da die Pläne für den Englischer-Garten-Tunnel am Isarring: Wenn die Bauarbeiten Staus auf dem Mittleren Ring auslösen, müsse anderswo eine leistungsfähige Straße über den Fluss zur Verfügung stehen.

Das Projekt wanderte auf der Prioritätenliste rauf und runter

Mit nur zwei Spuren kommt der Föhringer Ring schon heute an seine Grenzen: Nach einer Verkehrszählung des Planungsreferates im November 2014 sind pro Werktag 46 000 Fahrzeuge auf der Herzog-Heinrich-Brücke unterwegs, sechs Prozent davon Lastwagen. 4000 Fahrzeuge pro Stunde befahren die Strecke in den Stoßzeiten. Im Modell für 2030 erwartet das Planungsreferat eine Belastung von 75 000 Fahrzeugen pro Tag, wenn die Brücke vierspurig wird - das neue Wohnviertel im Nordosten ist dabei nicht komplett eingerechnet.

Dass die Ausbau-Entscheidung trotz aller Überlastung der Straße seit Jahrzehnten aussteht, hat viel mit unterschiedlichen Koalitionen im Rathaus zu tun. Das Projekt wurde auf Prioritätenlisten rauf- und runtergestuft, erklärte Gegner waren die Grünen. Sie setzten zum Beispiel durch, dass eine Entscheidung vertagt wurde, bis die Auswirkungen des 2009 eröffneten Richard-Strauss-Tunnels auf den Verkehr untersucht waren. Das Ergebnis: Der Tunnel mindert den Druck im Norden kaum. Danach wurde der Ausbau vom Zuschlag für die Olympischen Spiele 2018 abhängig gemacht - als München dann leer ausging, kam das Thema zu den Akten.

Die Stadtviertelvertreter plädieren in Mehrheit für den Ausbau

Für die Grünen im Bezirksausschuss Bogenhausen attestierte Holger Machatschek am Dienstag dem Ausbau "zwar eine momentane Leistungssteigerung, aber keine Zukunftsfähigkeit". Mit ähnlichen Worten wandten sich auch die Grünen im Bezirk Schwabing-Freimann gegen das Projekt. Doch mehrheitlich waren beide Gremien dafür; in Bogenhausen schlossen sich die Stadtviertelvertreter zudem der Forderung der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) an, mindestens eine Busspur zu errichten. Noch besser wären zwei, also ein sechsspurige Ausbau, dann könnte irgendwann auch die Tram den Föhringer Ring bedienen, hieß es. Solche Überlegungen hatte das Planungsreferat im Entwurf aus Naturschutzgründen verworfen. Außerdem komme auch der Bus voran, wenn die Straße vierspurig sei. Und eine Tram sei Zukunftsmusik.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2017/jey
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