Landgericht München:"Ich hab' dem Kerl so vertraut"

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Um mehr als zwei Million Euro haben falsche Polizisten eine Frau aus Vaterstetten betrogen. (Symbolfoto) (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Eine Wissenschaftlerin aus Vaterstetten lässt sich von falschen Polizisten um 2,1 Millionen Euro betrügen. Wie konnte das passieren? Einblicke in ein wochenlanges Lügenkonstrukt.

Von Andreas Junkmann, Vaterstetten/München

Ein falscher Polizist soll gemeinsam mit anderen von einer Frau aus Vaterstetten eine Summe von 2,1 Millionen Euro erbeutet haben. Vor dem Münchner Landgericht hat am Dienstag ein Prozess gegen einen 36-Jährigen aus dem Landkreis München begonnen, der sich dort wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs verantworten muss. Der Verteidiger erklärte zu Beginn des Prozesses, dass der Angeklagte zu Unrecht mit dem Fall in Verbindung gebracht werde. "Mein Mandant hat mit der ganzen Sache nichts zu tun", sagte er. Auch der Beschuldigte selbst bestritt alle Anschuldigungen gegen ihn.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, dass er zu einer Bande aus mindestens drei Personen gehörte, die durch den Polizistentrick Geld von älteren Menschen erbeuten wollte - und im Falle der Vaterstettenerin auch erfolgreich war. Im Oktober 2020 trat ein Mann, der sich als "Kriminaloberkommissar König" von der Kripo Erding ausgab, telefonisch an die heute 77-Jährige heran und teilte ihr mit, dass Einbrecher festgenommen worden seien, bei denen ein Zettel mit persönlichen Daten der Geschädigten gefunden worden seien. Einen Tag darauf meldete sich ein "Herr Münz", angeblich von Interpol, bei der Frau und behauptete, dass mit ihrem Konto etwas nicht stimme. Er brachte die Frau dazu, mehrere Auslandsüberweisungen zu veranlassen.

Die Täter haben sich vollen Zugriff auf das Bankkonto der Frau verschafft

Doch die Täter gingen noch weiter. "Herr Münz" wurde durch einen "Herrn Weber" abgelöst. Eben hinter jenem soll sich laut dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft der Angeklagte verborgen haben. Er und ein weiterer Mittäter sollen die Frau dazu gebracht haben, ein Konto bei einer Internetbank zu eröffnen, auf das sie insgesamt rund 2,1 Millionen Euro überwies. Das neue Konto wurde mit einem neu eröffneten Wallet verbunden. Auf dieses Konto hatten die Betrüger ebenso wie auf das Wallet uneingeschränkt Zugriff. Sie wandelten im Anschluss die überwiesenen Gelder in die Kryptowährung Bitcoin um. Für die Frau war das Geld verloren.

Mitten in der Falle
:"Officer Anderson speaking..."

Vorsicht bei Anrufen von angeblichen Beamten der europäischen Polizeibehörde "Europol". Über ein Telefonat mit einem Mann, der sich "Ronnie Anderson" nennt.

Glosse von Korbinian Eisenberger

Das ist inzwischen auch der 77-Jährigen klar. "Die 2,1 Millionen Euro sind komplett weg", sagte sie am Dienstag vor Gericht. Dort schilderte die Frau, die als Wissenschaftlerin arbeitet, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Ihr sei von einem Anrufer der Kripo Erding gesagt worden, dass sie Opfer eines Einbruchs werden könnte und deshalb ihr Vermögen in Sicherheit bringen müsse. Nach den ersten Überweisungen änderten die Täter aber ihre Taktik und überzeugten die Frau davon, dass ihr Bankberater sie bestehlen wolle und sie deshalb ihr Geld auf ein anderes Konto schaffen müsse. Gemeinsam mit dem vermeintlichen Interpol-Agenten "Herrn Münz" überwies sie daraufhin Betrag um Betrag - zumeist deutlich über 100 000 Euro. "Er hat mich total um den Finger gewickelt", so die Vaterstettenerin.

Fast täglich telefonierte die 77-Jährige mit den Betrügern

Über mehrere Wochen hinweg setzten die Täter ihre Betrugsmasche fort, sie habe fast täglich mit "Herrn Münz" telefoniert. "Ich hab' dem Kerl so sehr vertraut", so die 77-Jährige. Das sei sogar so weit gegangen, dass sie dem angeblichen Ermittler einen Fernzugang auf ihren Computer ermöglichte. Während dieser Zeit habe "Herr Münz" das vermeintlich gerettete Geld in Kryptowährung umgewandelt und nach und nach verschwinden lassen.

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Dass sie hinters Licht geführt worden war, sei ihr erst klar geworden, als sie einer Freundin von den Vorgängen erzählte. Als sie am nächsten Tag persönlich nach Erding zur Kripo gefahren sei, "dann ist das Kartenhaus in sich zusammengefallen". Die Täter blieben zunächst aber hartnäckig. "Herr Münz" wurde zwischenzeitlich durch "Herrn Weber", ebenfalls angeblicher Mitarbeiter von Interpol, ersetzt - "ein furchtbar lieber Kerl" sei das gewesen, sagte die 77-Jährige. Die Rolle des "Herrn Weber" soll der nun beschuldigte 36-Jährige aus dem Landkreis München gespielt haben. Wie die Geschädigte vermutete, war es dessen Aufgabe, sie weiter hinzuhalten. Denn wenige Monate später wären weitere Wertpapiere im Wert von einer Million Euro freigeworden, auf die es die Täter ebenfalls abgesehen hätten. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen.

Der Angeklagte war bereits in einen ganz ähnlichen Fall verwickelt

Inzwischen nämlich liefen die Ermittlungen der "echten" Polizei an, die schließlich zu dem 36-jährigen Angeklagten als einen der Verdächtigen führten. Der gelernte Buchbinder, der inzwischen für eine Sicherheitsfirma arbeitet, bestritt vor Gericht zwar, dass er etwas mit der Sache zu tun habe, allerdings war er bereits früher in ähnliche Betrügereien verwickelt gewesen. Seine beiden Cousins hatten vor mehreren Jahren einen älteren Mann mit falschen Telefonanrufen um sein Geld gebracht. Die Aufgabe des 36-Jährigen war es damals, die ergaunerte Beute ins Ausland zu schaffen. Für diese vorsätzliche Geldwäsche war der Mann 2014 vom Amtsgericht München zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Mit solchen krummen Geschäften habe er inzwischen aber nichts mehr zu tun, beteuerte er vor Gericht. Insofern sei er in diesem Verfahren auch unschuldig. Ob das der Wahrheit entspricht, wird sich in den weiteren Verhandlungen bis Ende Mai klären. Fest steht bereits jetzt, dass die 77-Jährige eine Erfahrung gemacht hat, die sie nie mehr vergessen wird. Sie sei zu der Zeit sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt gewesen, antwortete sie auf die Frage von Richter Thomas Lenz, wie einer "erfahrenen, hochgebildeten Dame" so etwas passieren konnte. "Ich bin einfach drauf reingefallen."

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