US-Wahl:Die Wirtschaft bangt – und schweigt

Lesezeit: 3 Min.

Deutschland und die USA verbinden wichtige wirtschaftliche Beziehungen. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Unternehmer und Firmen im Münchner Umland wollen sich vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl nicht zu Auswirkungen auf ihr Geschäft äußern – sie fürchten, auf eine schwarze Liste von Donald Trump zu geraten.

Von Sabrina Proske, Landkreis München

„Als Unternehmen äußern wir uns nicht zu möglichen Wahlausgängen.“ So oder so ähnlich antworten Firmen rund um München wenige Tage vor der US-Wahl auf Presseanfragen zur wohl bedeutendsten Präsidentschaftswahl des Jahres. Es herrscht einheitliches Schweigen und der Tenor macht deutlich: Die Firmen vor der Stadt halten so kurz vor der Wahl erst mal die Füße still. Hat hier womöglich jemand Angst vor Donald Trump?

„Egal, was ich sage, es ist falsch“, meint zum Beispiel der Exportleiter einer bekannten Privatbrauerei im Münchner Umland. Oder: „Zu solch brisanten politischen Themen möchten wir uns ungern äußern“, erklärt die Sprecherin eines Familienunternehmens im Landkreis München, das 70 Prozent seiner Produkte international exportiert. Klar ist: Das Thema ist zu heiß. Unternehmer und Firmenchefs blicken in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gespannt und besorgt auf die Bildschirme, wenn die letzten Wahllokale schließen und die Hochrechnungen beginnen.

Denn für europäische und deutsche Unternehmen steht bei der Wahl des Staatsoberhauptes der Supermacht USA viel auf dem Spiel. Ein Sieg von Donald Trump würde die amerikanische Außen- und Wirtschaftspolitik stark verändern und der EU neue Herausforderungen aufbürden, deren Wellen bis ins Münchner Umland spürbar wären. Vor allem Unternehmen aus den Branchen Autos, Maschinen und Pharmazie wären betroffen, aber auch die Luft- und Raumfahrt sowie Erdöl- und Erdgasindustrie.

Die Handelsbeziehungen zwischen der Großmacht USA und Deutschland überschlägt sich aktuell in Superlativen: Mit einem Wert von 157,9 Milliarden Euro sind die USA der wichtigste Abnehmer deutscher Exporte. Außerdem stehen die Vereinigten Staaten seit fünf Jahren auf Platz drei der wichtigsten Importländer und sind seit 2021 zweitwichtigster Handelspartner Deutschlands hinter China. Könnte damit bald Schluss sein?

Trump wird eine aggressive, auf Protektionismus ausgelegte Handelspolitik verfolgen, erklärt Andreas Etges, USA-Experte am Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Diese Politik verfolgte der Republikaner bereits in seiner ersten Amtszeit. Doch dieses Mal werde Trump weiter gehen, da seine Administration auf einen Sieg vorbereitet sei, ist Etges überzeugt.

Bei der Frage, wieso sich lokale Unternehmen nach dem Wahlausgang nun bedeckt halten, verweist der Experte auf eine „schwarze Liste“, auf die Trump seine Gegner womöglich setzen könnte. „Donald Trump hat Drohungen gegen diejenigen ausgesprochen, die er im In- und Ausland als seine Gegner sieht“, erklärt der Amerika-Experte. Erst vor wenigen Tagen bezeichnete Trump in einem Gespräch mit dem konservativen Podcast-Moderator Hugh Hewitt die Europäische Union als „Mini-China“ und bezog sich damit auf das Handelsdefizit der USA gegenüber der EU.

Aber auch bereits davor hatte Trump im Wahlkampf seine handelspolitische Agenda klargemacht: Er plant, alle Importe mit einem Zoll von 20 Prozent zu belegen, chinesische Importe sogar mit 60 Prozent. Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo würden dadurch die deutschen Exporte in die USA um knapp 15 Prozent sinken.

44 Prozent der bayerischen Firmen rechnen laut einer Umfrage mit negativen Folgen

Das wäre ein massiver Einbruch in der transatlantischen Handelsbeziehung und der Exportindustrie, den viele Unternehmen in Bayern nun berechtigt fürchten. Aus der Ifo-Umfrage geht außerdem hervor, dass rund 44 Prozent der Firmen in Bayern bei einem Sieg von Trump negative Auswirkungen auf ihren Betrieb fürchten. Auch Wissenschaftler Andreas Etges schätzt die Gefahr für die deutsche Industrie bei einem Wahlsieg Trumps deutlich größer ein als unter der Demokratin Harris. Der Experte vom Amerika-Institut der LMU erwartet, dass Harris den Kurs von Joe Biden mit einer Tendenz zu mehr Handelsprotektionismus fortsetzen würde.

Unter Trump rückt jedoch das Risiko eines größeren Handelskriegs mit China und der EU in greifbare Nähe, erklärt er weiter. Dann bestünde dringend Handlungsbedarf. Laut Ifo planen aktuell aber nur vier Prozent der Industrieunternehmen konkrete Anpassungsmaßnahmen. Welche genau das sind, möchten die hiesigen Unternehmen aktuell jedoch nicht verraten. Ein nicht unbedeutendes Unternehmen in Oberschleißheim, welches seinen Namen in diesem Kontext nicht in der Zeitung lesen möchte, spricht davon, sich erst nach Beruhigung der politischen Lage über seine Wachstumspläne in Nordamerika öffentlich äußern zu wollen.

Egal, wer in dieser Nacht gewinnt, so Etges, die Zeiten für umfassende Freihandelsprojekte mit den USA sind vorerst vorbei. Fakt ist, die USA sind nicht mehr der sichere Handelspartner, der sie einmal waren. Es braucht Neuauflagen – sowohl unter Trump als auch unter Harris.

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