Urteil zu Stasispitzeln:Agent "Schubert" darf nicht abtauchen

Der ehemalige Stasispitzel Herbert G. darf weiterhin im Internet mit Namen und Foto gezeigt werden - obwohl er vor Gericht seine Rolle kleinredet.

E. Müller-Jentsch

Ein früherer Elite-Spitzel der Stasi muss es sich gefallen lassen, mit Foto und Namen im Internet gezeigt zu werden. Das Oberlandesgericht München hat am Dienstag die Klage des 56-jährigen Herbert G. gegen den Münchner Umweltwissenschaftler Joachim Heinrich abgewiesen, der als ehemaliger Bürgerrechtler die Rolle der Stasi in Erfurt wissenschaftlich aufzuarbeiten versucht.

Berufungsprozess eines früheren Stasi-Spitzels

Der ehemalige Stasispitzel Herbert G. darf weiterhin im Internet mit Foto und Namen gezeigt werden, zum Beispiel auf stasi-in-erfurt.de.

(Foto: dpa)

Der 18. Senat hat damit das Recht auf Meinungsfreiheit sowie die Freiheit von Forschung und Lehre höher bewertet, als das Persönlichkeitsrecht des ehemaligen IM "Schubert", in der Anonymität untertauchen zu können.

Herbert G. gehörte zu einem kleinen Kreis hochkarätiger Agenten, die zur Abwehr von "feindlich tätigen Personen" eingesetzt wurden. Diese sogenannten Informellen Mitarbeiter Beobachtung (IMB) wurden entsprechend gut entlohnt. Also sei die Stasi ein Teil seiner Berufsausübung und seiner Sozialsphäre gewesen, stellte deshalb der Vorsitzende Richter fest - "darüber darf auch gesprochen werden". Damit hatte das Gericht schon frühzeitig durchblicken lassen, dass es der Berufungsklage des Herbert G. keine Aussicht auf Erfolg einräumte.

Der frühere Haushandwerker einer Apotheke hatte seine Rolle als IM "Schubert" in der Verhandlung noch kleinzureden versucht: "Ich war ein Niemand", sagte er, "der Arsch der Nation." Was wirklich gewesen sei, wissen nur wenige - "und die reden nicht darüber".

Das sieht der Epidemiologe und Mathematiker Joachim Heinrich, Abteilungsleiter am Helmholtz-Zentrum und Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilian-Universität, ganz anders. Er ist Initiator eines Projektes, das die Tätigkeit und Präsenz der Stasi in Erfurt erforscht. Und deshalb ist es ihm besonders wichtig, auch ein Foto zeigen zu dürfen, das G. in der Rolle eines vorgeblichen Bürgerrechtlers zeigt, der im Dezember 1989 einen Militärstaatsanwalt bei der Versiegelung der Erfurter Stasi-Zentrale überwacht: Es setze den Schlusspunkt der Bespitzelung der DDR-Bevölkerung durch die Stasi in Szene und zeige, wie Herbert G. sich anschicke, "vom Stasispitzel zum Helden" zu werden.

Auch wenn G. vielleicht selbst unter dem Druck der Staatssicherheit gestanden habe, so hätten diejenigen, die er verraten habe, viel massivere Nachteile erlitten, sagte Heinrich. Herbert G. fuhr hoch: "Wer denn?" Die Antwort kam prompt von den vollen Zuhörerbänken: "Ich zum Beispiel", rief der Erfurter Pfarrer Wieland Plicht, der sich als ein "Hauptopfer" von Herbert G. sieht.

Das Gericht wies schließlich die Klage des Mannes ab und bestätigte so das Urteil der ersten Instanz: Die Aufarbeitung historischer Ereignisse und die Ermittlung der geschichtlichen Wahrheit würden "in nicht hinnehmbarem Maße zurückgedrängt", wenn über solch bedeutsame Ereignisse nicht umfänglich berichtet werden dürfte. Das OLG ließ die Revision gegen sein Urteil ausdrücklich nicht zu.

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