Radweg-Urteil:Die blauen Schilder müssen weg

Radweg-Urteil: Dort wo am Ortsausgang der Rad- und Fußweg die Straße quert, fühlen sich die Gegner der Radwegebenutzungspflicht auf der Straße besser aufgehoben.

Dort wo am Ortsausgang der Rad- und Fußweg die Straße quert, fühlen sich die Gegner der Radwegebenutzungspflicht auf der Straße besser aufgehoben.

(Foto: Claus Schunk)

Ein Rennradler klagt das Recht ein, bei Brunnthal auf der Kreisstraße zu fahren. Der Radweg in seiner jetzigen Form ist dadurch nicht mehr zulässig. Bürgermeister Kern sieht dadurch die Sicherheit von Schülern in Gefahr.

Von Iris Hilberth

Wenn Martin Glas sich auf sein Rennrad schwingt, um von Perlach aus im Landkreis München seine Trainingsrunde zu drehen, dann fährt er meist auf der Straße. Wohl wissend, dass die blauen, runden Verkehrsschilder mit den weißen Fahrradsymbol nicht als freundliche Einladung zu verstehen sind, vielleicht doch den Radweg zu nutzen, sondern Radfahrer verpflichten, sich dort fortzubewegen. Nun ist Glas aber davon überzeugt, dass 80 Prozent der Radwege zu Unrecht mit solch einem Schild ausgestattet sind. Wegen der damit verbundenen "Radwegebenutzungspflicht" auf der Strecke zwischen Sauerlach und Brunnthal entlang der Kreisstraße M 11 hat er jetzt vor dem Verwaltungsgericht gegen diese Anordnung des Landratsamts geklagt und Recht bekommen. Der Brunnthaler Bürgermeister Stefan Kern (CSU) ist entsetzt über diese Entscheidung.

Rennradfahrer Glas, zugleich Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) in München, hat sich gegen die Benutzungspflicht des Radwegs gestemmt, da bereits vor 17 Jahren die Straßenverkehrsordnung entsprechend geändert worden war. Seitdem gehören Fahrräder prinzipiell auf die Straße, es sei denn es handelt sich um Strecken mit außerordentlicher Gefahrenlage.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2010 in einem Urteil bekräftigt, dass ein benutzungspflichtiger Radweg nur ausgewiesen werden darf, wo das Fahren auf der Straße "eine außerordentliche Gefahr" bedeuten würde. Die sieht Rennradfahrer Glas auf der Strecke zwischen Lanzenhaar, Otterloh und Brunnthal nicht. Er findet, dass die Straße weder besonders stark befahren ist, noch dass sie zu schmal sei oder dass man als Radfahrer leicht übersehen werden könnte. Was also spricht dagegen, hier auf der Straße zu fahren, fragte er sich.

Der ADFC hält das Fahren auf Radwegen für gefährlicher

Argumente gegen die Radwegenutzung haben Glas und der ADFC einige. Auf baulich abgesetzten Radwegen sei das Unfallrisiko viel höher als bei der Führung des Radverkehrs auf der Straße, sagen sie. Insbesondere Kreuzungen und Einmünden böten ein hohes Konfliktpotenzial. Die Autofahrer nähmen den Radler auf der Straße viel eher wahr, vor allem beim Abbiegen fehle sonst die Sichtbeziehung. Auch verhielten sich Radfahrer auf den ausgeschilderten Radwegen wegen eines subjektiven Sicherheitsgefühls oft zu sorglos.

"Im Längsverkehr passiert weitaus weniger", sagt Glas, die Statistik bestätige, dass durch Querungen deutlich mehr Unfälle passierten. "Angst, dass ich von hinten angefahren oder knapp überholt werde, habe ich jedenfalls nicht", sagt Glas. Vor allem als Rennradfahrer wolle er auch nicht alle paar Kilometer abbremsen, um die Fahrbahn zu wechseln, sondern die Wahlfreiheit haben, den Radweg zu nutzen oder die Straße. Vor etwa einem Jahr hat er mit Anträgen im Landratsamt bereits durchgesetzt, dass die Radwegebenutzungspflicht auf den Ortsdurchfahrten in Brunnthal aufgehoben wird. Hier hatte er moniert, dass die Wege entlang der Straße für Radfahrer zu schmal seien. Seither sind sie als Fußwege ausgeschildert, auf denen das Radfahren erlaubt ist.

Radweg-Urteil: Kämpft gegen die Radwegebenutzungspflicht: Der Münchner Vorsitzendes des ADFC, Martin Glas.

Kämpft gegen die Radwegebenutzungspflicht: Der Münchner Vorsitzendes des ADFC, Martin Glas.

(Foto: Zeevaert-Senger)

Das Gericht hat sich die Situation bei einem Ortstermin angeschaut

Aber auch außerhalb der Ortschaften sieht er auf seiner Trainingsstrecke gute Gründe für seine Forderung, als heikel schätzt er vor allem die wenig durchschaubare Vorfahrt-Regelung am Ortsausgang von Brunnthal gegenüber der Feuerwehr sowie Querungshilfen ein. Das Gericht hat sich die Sache angeschaut, hat Straßen- und Radwegbreiten nachgemessen, Sichtbeziehungen überprüft und während dieses Ortstermins so einige Rennradfahrer auf der Straße an sich vorbeiflitzen sehen.

Es kam zu dem Schluss: Die Radwegebenutzungspflicht wird hier aufgehoben. Die Begründung dieser Entscheidung wird erst in einigen Wochen vorliegen. So lange will sich das Landratsamt auch nicht dazu äußern. Es hatte diese Straße sehr wohl als gefährlich eingestuft. Insbesondere die Autobahnunterführung, in der Tempo 100 erlaubt ist, hatte die Behörde für Radfahrer als ungeeignet befunden.

Brunnthals Bürgermeister Kern schüttelt über die Entscheidung des Gerichts nur den Kopf: "Das ist grotesk", sagt er. Seit Jahren bemühten sich seine Gemeinde und der Landkreis um den Ausbau von Radwegen. Es werde viel Geld investiert, und vor allem die Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern seien oft sehr mühsam. Sehr lange habe es zum Beispiel gedauert, den 800 000 Euro teuren Radweg nach Höhenkirchen vor allem auch für die Schüler durchzusetzen, "wenn jetzt keiner mehr darauf fahren muss, ist das doch ein Witz", ärgert sich der Bürgermeister, "das ist eine Gefährdung der Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen."

Wenn jetzt die blauen Radweg-Schilder abgeschraubt werden müssen, blieben zwei Alternativen. Ohne Schild wäre es dem Radfahrer freigestellt, den Weg zu nutzen, es würde dann aber der Hinweis auf den Radweg fehlen. Ein Fußweg-Schild mit dem Zusatz " Radfahrer frei" hieße hingegen auch außerhalb der Ortschaften: Schritttempo fahren.

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