Süddeutsche Zeitung

Unterschleißheim:Tiefer Graben auf dem Rathausplatz

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In Unterschleißheim stehen sich am Montagabend Befürworter und Gegner der Corona-Maßnahmen gegenüber. Es bleibt alles friedlich, aber die Differenzen werden klar.

Von Martin Mühlfenzl, Unterschleißheim

Da stehen sie sich nun gegenüber, nur wenige Meter voneinander entfernt - und auf den ersten Blick wird schon deutlich, was sie trennt: Direkt vor dem Eingang zum Unterschleißheimer Bürgerhaus hält ein Mann ein Transparent in die Höhe, "Impfen statt Schimpfen" ist darauf zu lesen. Er selbst trägt eine FFP-2-Maske und hält gebührenden, also nahezu genau 1,5 Meter Abstand zur nächsten Person. Etwas weiter von ihm entfernt halten mehrere Frauen ein etwas größeres Plakat ebenfalls nach oben. Für die selbst ernannten "Pflegerinnen mit Herz" ist die Impfpflicht die "Rote Linie". Kommt diese, so signalisieren es die maskenlosen Frauen, seien sie "weg".

An diesem Montagabend bietet sich in der Kälte auf dem Unterschleißheimer Rathausplatz ein Bild der Spaltung, der Zerrissenheit. Auf der einen Seite etwa hundert Menschen, die dem Aufruf der beiden Grünen Bernhard Schüßler und Helmut Göbel zu der Kundgebung unter dem Motto "Solidarisch statt Schwurbeln" gefolgt sind, um für Solidarität, Zusammenhalt und Impfen in der Pandemie zu protestieren. Und direkt daneben, nur sichtbar von ein paar Polizisten getrennt, deutlich mehr Menschen, die sich zu einem Corona-Protestmarsch verabredet haben.

Es ist Helmut Göbel, der die von ihm als überparteilich angekündigte Demonstration für die Corona-Maßnahmen eröffnet und zunächst auf die Masken- und Abstandspflicht hinweist, die auch Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD) akkurat einhält. Ein Blick auf die andere Seite des Platzes verrät, dass diese Maßnahmen dort nicht sehr gut gelitten sind.

Bernhard Schüßler sagt in seinem Statement, es gehe vor allem darum ein Zeichen für eine "solidarische Pandemie-Bekämpfung" zu setzen, sich für die Leistung aller in den Pflegeberufen zu bedanken, auf die Wissenschaft zu hören - und klar gegen Rechtsextremismus zu positionieren. Der Unterhachinger Thomas Schulze, der sich spontan entschieden hat, etwas zu sagen, ringt mit den Worten; er hat seinen Schwager durch Corona verloren. "Förmlich krepiert" sei dieser, sagt Schulze. "Lasst euch impfen", fordert er noch.

Lissy Meyer, Stadträtin der Grünen, sagt, als Krankenschwester erkläre sie sich solidarisch mit allen Pflegenden und Patienten und als Hospizbegleiterin mit den schwer Kranken, den Sterbenden. Allen werde viel abverlangt. Auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler ruft dazu auf, sich solidarisch zu zeigen - "mit Maske, Anstand und Abstand". Protest sei legitim, sagt Köhler noch, nicht aber gemeinsam mit Rechtsextremen.

Von der anderen Seite kommen nur vereinzelt Zwischenrufe. "Impfzwang!", ruft einer aus der Gruppe. Als sich der maskenlose Pulk um 18.30 in Bewegung setzt, wird er von Polizisten begleitetet. "Freiheit!", tönt es aus der Menge. Aber alles bleibt friedlich.

Dann stehen nur noch Menschen mit Masken im Gesicht in der Kälte auf dem Rathausplatz.

In einer früheren Fassung wurde behauptet, der Corona-Protestmarsch sei nicht angemeldet worden. Dies ist falsch, die Demonstration wurde im Vorfeld offiziell angemeldet, wie das Landratsamt bestätigt.

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