Infrastruktur:Tiefe Wasser sind sauberer

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Sauberes Trinkwasser ist ein hohes Gut. Derzeit wird südlich von Unterschleißheim ein neuer Brunnen gebohrt und das Schutzgebiet erweitert. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

In Unterschleißheim und Oberschleißheim gab es zuletzt Probleme mit einem Flachbrunnen, Tausende Haushalte mussten ihr Trinkwasser abkochen. Weil so etwas immer wieder vorkommen kann, wird derzeit im Berglwald bis auf eine Gesteinsschicht aus dem Tertiär gebohrt.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim/Oberschleißheim

Gerade noch mussten Tausende Haushalte in Unterschleißheim und Oberschleißheim ihr Wasser abkochen. Kaum ist die Anordnung aufgehoben, verkündet der Zweckverband zur Wasserförderung Ober- und Unterschleißheim, dass sich Anrainer des Berglwalds auf nächtliche Bohrgeräusche einstellen müssen. Es wird ein neuer Tiefbrunnen gebaut. Die Arbeiten waren laut Zweckverband-Geschäftsleiter Josef Geitner bereits seit längerer Zeit geplant – und doch besteht ein Zusammenhang: Um eine sichere Versorgung zu garantieren, setzt man im Münchner Norden zunehmend auf Wasser aus tieferen Schichten.

Bei einer Routineuntersuchung des Wassers, das aus Brunnen im Berglwald zwischen Unterschleißheim und Oberschleißheim gefördert wird, war Anfang November die zu hohe Konzentration an coliformen Keimen entdeckt worden. Das Gesundheitsamt reagierte und erließ am 8. November eine Abkochanordnung wegen Verunreinigungen in der Wassergewinnung sowie im Versorgungsnetz. Wie sich zeigte, handelte es sich um Citrobacter freundii, die als Krankheitserreger bei Vorerkrankungen oder reduziertem Immunsystem gefährlich werden können. Seit 18. November ist Wasser aus dem Hahn dem Gesundheitsamt zufolge wieder bedenkenlos genießbar. Die genaue Ursache für die Verunreinigung ist laut Geitner noch nicht gefunden. Ein Fachbüro sei eingeschaltet.

Es kommt manchmal vor, dass Kleinigkeiten eine große Wirkung haben. In Baierbrunn reichte eine verunreinigte Fugenabdichtung in einem Hochbehälter aus, dass die Bevölkerung über Wochen zum Abkochen des Wassers aufgerufen war. In Oberschleißheim und Unterschleißheim wurde diesmal schnell als Quelle der Keimbelastung ein Flachbrunnen ausgemacht. Er wurde stillgelegt und in der Folge ging es darum, die Keime, die sich im Leitungsnetz verbreitet hatten, aus dem System herauszubekommen. Es wurde kräftig gespült und die Keimbelastung nach und nach reduziert, bis zehn Tage nach dem Alarm Entwarnung gegeben werden konnte. Anders als 2017, als zurückfließendes Wasser eines kontaminierten Hausanschlusses Probleme bereitete, musste diesmal in dem 180 Kilometer langen Rohrverbund der Stadt kein Chlor zur Reinigung eingesetzt werden.

Der Berglwald ist für 45 000 Menschen in Oberschleißheim und Unterschleißheim ein wertvolles geschütztes Trinkwasserreservoir. (Foto: Florian Peljak)

Josef Geitner ist im Zweckverband als Geschäftsführer für die Wassergewinnung beider Kommunen verantwortlich. Die Leitungsnetze betreiben die Gemeindewerke Oberschleißheim und die Stadtwerke Unterschleißheim separat. In Unterschleißheim ist Geitner als Fachbereichsleiter Wasserversorgung auch dafür zuständig. Man sei permanent im Einsatz für eine sichere Trinkwasserversorgung, betont er. Alte Brunnen würden immer wieder durch neue, leistungsfähige Brunnen ersetzt. Bei den Bohrungen im Berglwald handelt es sich Geitner zufolge um Arbeiten für einen neuen Tiefbrunnen, mit denen bereits im Oktober begonnen wurde. Dieser soll einen aus dem Jahr 1972 stammenden Brunnen ersetzen, bei dem erheblicher Sanierungsbedarf bestehe. Wegen geologischer und technischer Gegebenheiten müsse das Bohrgerät an manchen Tagen rund um die Uhr eingesetzt werden. Man habe die Bürger über mögliche Lärmbelästigungen informiert.

Die Wasserversorgung für Oberschleißheim und Unterschleißheim hängt an einer Kombination von relativ nah beieinander liegenden Flach- und Tiefbrunnen, die in Bereichen zwischen 25 Metern und 140 Metern wasserführende Schichten anzapfen. Zwei der drei Flachbrunnen laufen aktuell noch, dazu gibt es sechs Tiefbrunnen. Doch warum muss in einer Region, in der das Grundwasser mancherorts so nah an der Oberfläche liegt, dass es nach oben drückt, so tief gebohrt werden? Schließlich hatten die Bewohner in den Orten über Jahrhunderte vor allem damit zu kämpfen, Flächen zu entwässern und urbar zu machen. Kanäle durchziehen die Landschaft, wie etwa am Schleißheimer Schloss. Erst langsam wird das Dachauer Moos wieder als wertvoller vom Wasser geprägter Naturraum geschätzt. Feuchte Moore gelten als wertvolle Kohlenstoffsenken, die Klimagase binden.

Deshalb funktionieren auch die Flachbrunnen, bei denen die Güte des Wassers Geitner zufolge grundsätzlich nicht infrage steht. Diese sei durch regelmäßige Proben gewährleistet. „Man kann die gut nutzen, wir haben das Glück, dass diese durch den Berglwald gut geschützt sind.“ Zusätzlich greift der Zweckverband bereits seit Jahrzehnten auf eine tiefere, etwa eine Million Jahre alte Wasser führende Gesteinsschicht aus dem Tertiär-Zeitalter zu. Das Wasser, das von dort nach oben gepumpt wird, hat laut Zweckverband ein Alter von mehr als tausend Jahren. Dieses Wasser sei von Natur aus von bester Qualität, sagt Geitner, weil alle vom Menschen ausgehenden Einflüsse per se ausgeschlossen seien.

Das Wasser aus tieferen Stockwerken gilt eigentlich als eiserne Reserve

Das ist in einem dichten Siedlungsraum wie dem Münchner Norden ein wichtiges Kriterium. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich manchmal gezeigt, dass der Mensch ein nicht zu vernachlässigender Risikofaktor ist. In Ismaning gab in den Achtzigerjahren eine Ruhrepidemie den Anstoß, Tiefbrunnen zu bohren und so bei der Versorgung auf die sichere Seite zu kommen. In Oberschleißheim und Unterschleißheim schreckte man im Sommer 2019 auf, als im Raum Freising mit perfluorierter Alkylsubstanz belastete Fische in der Moosach entdeckt wurden. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit warnte vor dem Verzehr der Fische auch im Landkreis München. Das Wasserwirtschaftsamt wies in der Folge flächenhaft perfluorierte und polyfluorierte Chemikalien im Grundwasser nach. Man sprach von einer erheblichen Verunreinigung, aber Grenzwerte wurden nicht überschritten. Ein Grundwassermonitoring wurde etabliert. Der Zweckverband Wasserversorgung Ober- und Unterschleißheim wurde eingebunden, sogenannte Vorfeldmessstellen wurden eingerichtet.

Eine Gefährdung der Trinkwasserqualität in den Flachbrunnen wurde damals ausgeschlossen. Nur geringste Mengen weit unterhalb des Leitwerts wurden nachgewiesen. „Das Wasser wird ebenfalls regelmäßig auf PFAS untersucht, sowohl in den Brunnen als auch an sogenannten Grundwasserpegelmessstellen“, sagt Geitner. Es lägen keine Belastungen vor.

Dennoch setzt man auch auf Wasser aus tieferen Stockwerken, das eigentlich nur sparsam genutzt werden sollte. Das Landesentwicklungsprogramm Bayern spricht gar von einer „eisernen Reserve“. Der Zweckverband Oberschleißheim und Unterschleißheim fühlt sich laut Geitner diesem Grundsatz verpflichtet und setzt bewusst auf die Kombination aus Flach- und Tiefbrunnen. Das Wasser aus größerer Tiefe enthalte höhere Konzentrationen an Mangan und Eisen und werde eigens gefiltert. Danach werde das Wasser gemischt und vom Wasserwerk am Berglwald in die Leitungsnetze der beiden Kommunen eingespeist.

Die Sicherung der Trinkwasserversorgung sei eine permanente Herausforderung, sagt Geitner. „Wir sind gerade wieder dran, das Schutzgebiet zu erweitern.“ Insgesamt wurden laut Zweckverband vor zehn Jahren noch etwa 2,7 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich im Berglwald gefördert. Künftig stellt man sich auf 3,5 Millionen Kubikmeter ein.

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