Früher soll sich dort die Hautevolee ausgetobt haben. Die Wiesen und Wälder nördlich der Schleißheimer Schlösser galten als beliebte Jagdgründe. Und so erzählen Ortskundige bis heute, dass ein unscheinbarer Hügel mitten im Feld zwischen Oberschleißheim und Unterschleißheim mal eine von Wasser umgebene Schanze und Ausgangspunkt für manche Fasanenjagd oder Wildtierhatz war. Jetzt erfährt das ganze Gebiet neue Aufmerksamkeit. Es soll zum „Schleißheimer Landschaftsband“ werden.
Dabei denkt keiner an eine Spielwiese für extravagante Freizeitgestaltung. Im Gegenteil: Der Bund Naturschutz und die Grünen haben vor Jahren schon für einen „Moos-Heide-Park“ gekämpft. Nun hat sich das Duo Böck und Böck in den beiden Rathäusern zusammengetan, um Reste einer Naturlandschaft zu bewahren, wieder herzustellen oder auch für Menschen nutzbar zu machen.
Die Bürgermeister Christoph Böck (SPD) in Unterschleißheim und Markus Böck (CSU) in Oberschleißheimhaben sich darauf geeinigt, für den schmalen Grünzug zwischen ihren Kommunen ein „kooperatives Entwicklungskonzept“ zu erstellen. Ziel und Zweck der Planung sei die Erarbeitung eines gemeinsamen Leitbildes für ein lebendiges, multifunktionales Grünband, teilen die Rathäuser unisono mit. „Neben dem festgesetzten Trenngrün des Regionalplans soll ein qualitätsvolles, durchgehendes Landschaftsband zwischen der A92 im Westen und der B13 im Osten geschaffen werden.“ Der die beiden Orte trennende Rest an Grün wird so zum Experimentierfeld für neuen Gemeinsinn.
Über Jahrhunderte prägten der hohe Wasserstand und das Niedermoor den Norden von München. Es gab nasse Wiesen und manche Ecken waren kaum zugänglich. Unterschleißheims zweiter Bürgermeister Tino Schlagintweit (Grüne) erzählt von einer Schanze im heutigen Niemandsland, von der aus der Adel zum Halali geblasen hat. Ein kleines Weiherhaus habe es dort an dem flachen Wasser gegeben, und einen Steg. Heute betreiben Landwirte ringsum das kleine Wäldchen, das den Ort noch markiert, intensiven Ackerbau, das Siedlungsgebiet rückt immer näher. Es gab Überlegungen für ein großes Gewerbegebiet und massiven Widerstand dagegen.
Dennoch geriet der Grünzug weiter unter Druck. Auf Unterschleißheimer Seite entstand der Bürokomplex Korypheum. Auf Oberschleißheimer Flur wächst gerade in Mittenheim ein Quartier heran. Jetzt wollen die beiden Rathäuser die weitere Entwicklung gemeinsam steuern. Diesen Dienstag sollen parallel dazu die Grundsatzbeschlüsse für das Vorgehen fallen.

Auf diesem Weg solle es gelingen, die Agrar- und Erholungslandschaft aufzuwerten, heißt es in einem Papier aus dem Rathaus Oberschleißheim. Der Erhalt ökologischer Funktionen sowie des Biotopverbunds solle erreicht werden. Auch soll „unverzichtbare, neue Infrastruktur“ zum Wohl beider Kommunen partnerschaftlich geplant werden. Dabei geht es unter anderem um Freiflächen-Photovoltaikanlagen, die beide Kommunen auf ihren Fluren in unmittelbarer Nachbarschaft anstreben.
Nach Gesprächen zwischen den Rathäusern hat sich in jüngster Zeit ergeben, dass sich ein Oberschleißheimer Projekt an der Kläranlage im Grenzgebiet zu Unterschleißheim zum Vorteil beider durch Aufnahme zusätzlicher Flächen deutlich ausbauen ließe. Mittlerweile wird über einen „Energiepark“ auf gut elf Hektar in Unterschleißheim und 1,4 Hektar in Oberschleißheim gesprochen. Die Anbindung an den Einspeisepunkt am Umspannwerk der Bayernwerk Netz AG in Unterschleißheim wird geplant.
Dazu sollen Batterie-Energiespeichersysteme (Bess) errichtet werden mit einer Kapazität von jeweils gut 50 Megawatt. Solche Großanlagen sind für die Netzstabilität unverzichtbar, daher wollen beide Kommunen von der neuen Regelung profitieren, dass 90 Prozent der hier anfallenden Gewerbesteuereinnahmen in der Standortgemeinde verbleiben. Ein interkommunaler Bebauungsplan soll erstellt werden. Bei den vorgesehenen Gesprächen soll es auch um mögliche Trassen für eine Westumfahrung gehen, um Auswirkungen einer solchen Straße sowie darum, wie geplante Gewerbegebiete und Wohngebiete dort angebunden werden sollen.

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Gespräche mit Grundstückseigentümern waren zuletzt Anfang Juli angesetzt. Wenn die Stadträte in Unterschleißheim und die Gemeinderäte in Oberschleißheim zustimmen, sollen sich aus ihren Reihen Vertreter zusammensetzen, um in Workshops die Grundlagen für einen landschaftsplanerischen Ideenwettbewerb zu erarbeiten. Aus diesem soll ein Rahmenplan hervorgehen. Das alles kann als kooperatives Modell durch die Regierung von Oberbayern gefördert werden, sofern es sich um eine dauerhafte, mindestens fünfjährige Kooperation handelt und mindestens 15 Prozent jährliche Einsparungen gegenüber nicht-kooperativen Abwicklungen erreichbar sind. Grundlage bildet das bayerische Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit. In der Regel stehen 50 000 Euro zur Verfügung.
Aus den Vorlagen für die entscheidenden Sitzungen in Unterschleißheim und Oberschleißheim geht hervor, dass die Rathäuser vorausschauend bereits einen Förderantrag bei der Regierung von Oberbayern gestellt haben und schon Zusagen für einen vorzeitigen Beginn vorliegen. Es eilt auch. Das Projekt soll noch 2025 beginnen, weil die Förderung Ende des Jahres ausläuft und nur noch begrenzt Mittel zur Verfügung stehen.

