Mitten in Unterschleißheim:Himmel hilf!

Eine Gruppe spricht auf dem Rathausplatz demonstrativ das Ave Maria - nur ein T-Shirt verrät, um was es geht.

Kolumne von Bernhard Lohr

Die Zeiten sind danach, keine Frage. An Anlässen fehlt es nicht, hin und wieder ein Stoßgebet gen Himmel zu richten: Krieg in der Ukraine, Klimakrise und natürlich Corona. Was genau die sieben oder acht Marien-Gläubigen dazu getrieben hat, sich letztens am Rathausbrunnen in Unterschleißheim demonstrativ zum Gebet zu treffen, war nicht ersichtlich. Aber einer trug ein T-Shirt mit dem Schriftzug "Ungeimpft und doch gesund" auf der Brust, das verriet, woher der Wind weht. Und alle wirkten sehr vertieft in ihr "Ave Maria", 50 Meter von der Covid-Teststation entfernt.

Die Gruppe hatte eine Marienstatue auf den Brunnen gestellt und vier Kerzen dazu, um auf dem Rathausplatz ihr "Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir" zu sprechen. So spricht der Erzengel Gabriel die werdende Mutter Jesu an. Die Sätze sind Ausdruck der in Bayern tief verwurzelten Marienverehrung. Die Botschaft des Engels: Maria darf sich geborgen fühlen bei Gott, von ihm angenommen und auserwählt. Und der Gläubige? Der soll Selbstvertrauen aus der Anbetung Mariä ziehen und das Urvertrauen, dass schon alles gut ausgehen wird.

Dumm ist dabei nur, dass in der Vergangenheit trotz vielen, vielen Betens so vieles schlecht ausgegangen ist. Pest und Cholera wurden bekanntlich im Mittelalter mäßig gut bewältigt. Und so sah sich die Menschheit eigentlich auf ganz gutem Weg, als Wissenschaftler mancher Krankheit den Schrecken nahmen. Als klar war, dass ein lausiger Floh die Pest überträgt, war viel überstanden. Robert Koch entdeckte 1882 das Tuberkel-Bakterium und Alexander Fleming kam 1928 durch Zufall auf das Antibiotikum Penicillin. Viel Leid wurde seitdem vermieden.

Gebetet wurde natürlich weiter. Aber es schien doch Konsens zu sein, dass ein gutes Medikament und eine Impfung ein wahrer Segen sein können. Doch alle hat diese Erkenntnis nicht erreicht. Das zeigt sich sogar bis heute, da die Pandemie gerade Pause einlegt. Beim Blick in den Telegram-Messenger trifft man auf Querdenker, die in Unterschleißheim weiter zu Spaziergängen aufrufen. Sie sind auf Kanälen unterwegs, in denen ganz ungerührt Staatsfeinde wenig versteckt zum Umsturz aufrufen. Parallel predigen spirituell Beseelte von "Erleuchtung" und versichern zu wissen, wie man als "Lichtagent" gerettet wird. Wie harmlos, ja vertraut wirkt da die Anrufung Mariä. Gebracht hat sie dem Menschen bei der Bewältigung der irdischen Beschwernisse zwar wenig. Aber gut: Ein Gebet kann nicht schaden.

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