Unterschleißheim:Mehr als Hacke, Spitze, eins, zwei, drei

Die Ballettschule von Daniela Orend ist umgezogen. Getanzt wird nun in größeren und helleren Räumen

Von Alexandra Vettori, Unterschleißheim

Neue Räume, neue Titel, neue Gesichter - doch der alte Geist aus den Zeiten der legendären Tanzschule Röthel ist noch zu spüren. Vor sechs Jahren hat die Unterschleißheimerin Daniela Orend eine Ballettschule eröffnet - weil die Tanzfamilie nach dem überraschenden Tod von Jutta Röthel vor dem Nichts stand. 27 Jahre lang hatte Röthel die Szene am Ort geprägt. Auch Daniela Orend selbst unternahm dort mit drei Jahren ihre ersten Tanzschritte. Im Januar ist man wieder umgezogen - innerhalb des Gewerbegebiets in größere und hellere Räume, in die am Samstag die interessierte Öffentlichkeit eingeladen ist.

Wer all die Schuhe, Jacken, Schirme und Taschen zwischen den Couchen im Foyer stehen sieht, fühlt sich unvermittelt an die familiäre Wohnzimmeratmosphäre aus den Röthel-Zeiten erinnert. Ein Eindruck, den der Star des Nachmittags noch verstärkt. Denn auch Alexander Frei hat bei Jutta Röthel begonnen, heute tanzt der 35-Jährige bei internationalen Produktionen mit.

Natürlich ist es nicht mehr so wie damals bei Jutta Röthel, als sich die Tutu-Mädchen mit ihren Hausaufgaben und Hirtenhund Djego am Wohnzimmertisch drängten, zwischen den Tanzstunden, die im Saal des Röthelschen Anwesens stattfanden. Heute besuchen 200 Schüler aller Altersgruppen und Stilrichtungen von Klassik bis Hip Hop Orends Tanzschule, alles ist organisierter geworden, eine Modern-Dance-Gruppe amtierender Europa- und Deutscher Meister. Doch dass noch immer ein besonderer Gemeinschaftssinn herrscht, ist zu spüren. Als zwei Tänzerinnen spontan Lieder zur Gitarre singen zum Beispiel, oder als die Mama eines Ballettmädchens zum Mikrofon greift und live die Tanzgruppe bei "König der Löwen" begleitet. Das sei ein Glücksfall gewesen, erzählt Daniela Orend später. Die Mutter, Gisele Abramoff, sei in ihrer Heimat Brasilien eine bekannte Sängerin, lebe derzeit in Unterschleißheim und singe jetzt öfter bei Aufführungen mit.

Dass es so gut laufen würde mit ihrer Tanzschule, hätte Orend damals nicht gedacht. Denn eigentlich war ihr Plan, auf der Bühnen zu stehen, nach der Ballettakademie und dem Studium Modernes Ballett und Choreografie an der Art Hoogeschool voor de Kunsten in Arnhem, das Daniela Orend 2007 abschloss. Doch der überraschende Tod von Jutta Röthel im gleichen Jahr warf alles um. Die Unterschleißheimer Tanzszene hatte nicht nur ihre Mutter, sondern auch ihre Heimat verloren. Eine Lücke, die Daniela Orend drei Jahre später mit ihrer Tanzschule schloss. "Hätte ich das gewusst, hätte ich gleich auf Dozent studiert", sagte sie damals.

Heute üben bei ihr 25 Tanzgruppen, begabte Schüler werden in der Junior Companie gefördert, besondere Talente bereitet man auf eine Tanzkarriere vor. Daniela Orends Schmiede kann sich da durchaus mit der ihrer berühmten Vorgängerin messen: Momentan studieren zwei ehemalige Schülerinnen an Kunstakademien, zwei bereiten sich auf Aufnahmeprüfungen vor. Auch Alexander Frei, der momentan in Köln im Musical "Bodyguard""auftritt, denkt am Samstag an Jutta Röthel, als er erzählt, wie es begann mit seiner Karriere. Er sei ein Fan von Bob Fosse, gewesen, der in den Fünfzigerjahren als Bühnenchoreograf berühmt wurde, einen speziellen Tanzstil entwickelte und von den Sechzigerjahren dann auch als Filmregisseur Erfolge feierte, etwa mit "Sweet Charity" oder "Cabaret". Und so habe es ihn, sagt Frei, geradezu elektrisiert, als er mit Jutta Röthel eine ehemalige Assistentin des schon gestorbenen Fosse kennen lernte. Ihretwegen sei er 1987 mit 16 Jahren aus der Schweiz nach Unterschleißheim gezogen, sie habe ihn auf den Weg zum professionellen Tänzer gebracht. Dass die frühere Tanzschule an der Lindenstraße gewesen sei, und die jetzige an der Carl-von-Linde-Straße, so Frei, sei kein Zufall: "Die Linde war bei den Germanen heilig, unter ihr traf man sich - oft auch zum Tanz."

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