Unterschleißheim:Puppenspieler hängen in der Luft

Unterschleißheim: Es wäre so schön, aber so läuft es nur auf der Theaterbühne der Billes: Kasperl bekommt vom Nikolaus eine Wunsch-Laterne.

Es wäre so schön, aber so läuft es nur auf der Theaterbühne der Billes: Kasperl bekommt vom Nikolaus eine Wunsch-Laterne.

(Foto: Marionettentheater Bille)

Das Marionetten-Theater Bille ist nach mehreren Umzügen in Unterschleißheim finanziell ausgeblutet, auch die neue Bleibe ist nur eine Interimslösung. Der Förderverein bittet deshalb um Spenden - und sucht geeignete Räumen für eine feste Spielstätte.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Wenn Florian Bille mit seiner Frau Wlada dieser Tage das Stück "Kasperl und die Wunsch-Laterne" auf die kleine Bühne zaubert, könnte er auf den Gedanken kommen, wie schön es wäre, diese Laterne wirklich in der Hand zu haben. Der Kasperl wünscht sich als erstes einen Sack voll Geld, damit er seine Miete zahlen kann. Florian Bille könnte den gerade auch gebrauchen. Denn sein kleines Marionettentheater in Unterschleißheim ist finanziell ausgeblutet. Schwierige Zeiten hat er öfter erlebt. Doch nun sind - nach Corona und wegen der Inflation - alle Rücklagen aufgebraucht. "Im Moment stehen wir finanziell vor dem Aus", sagt Bille. "Eigentlich sind wir schon im Aus." Der Förderverein "Freunde des Marionettentheaters Bille" startet deshalb nun einen öffentlichen Spendenaufruf und hofft, dass jemand hilft, das größte Problem zu lösen: Es muss nach zig Umzügen eine dauerhafte Spielstätte her, die bezahlbar ist.

Unterschleißheim: Wlada und Florian Bille erleben viel Zuspruch mit ihrem kleinen Theater. Und doch geht es immer wieder ums Überleben.

Wlada und Florian Bille erleben viel Zuspruch mit ihrem kleinen Theater. Und doch geht es immer wieder ums Überleben.

(Foto: privat)

Die Geschichte der Puppenspieler-Familie Bille reicht bis in das Jahr 1794 zurück. Doch in den vergangenen Jahren lief es nicht gut für Florian Bille. 2012 verlor er die feste Bühne am Bereiteranger in der Nähe des Münchner Mariahilfplatzes, wo das Theater 27 Jahre seine Heimat hatte. Die Billes kamen in Räumen des Sehbehinderten-Zentrums in Unterschleißheim unter. Wegen der Pandemie mussten sie dort raus und bezogen einen leerstehenden Laden im Isar-Amper-Zentrum nahe dem Rathaus. Weil ein zweiter Fluchtweg fehlte, brauchten sie zum Jahresende 2021 kurzfristig eine neue Bleibe. Die evangelische Kirchengemeinde half. Es ging ins Genezareth-Haus und dann ins Maria-Magdalena-Haus. Auch dort ist das Gastspiel nun vorbei, weil es erneut beim Brandschutz hakt. Nun ziehen die Puppenspieler zurück ins Sehbehinderten-Zentrum - wohlwissend, dass das keine dauerhafte Lösung ist.

Florian Bille erlebt die schizophrene Situation, dass das seit zehn Generationen bestehende Theater in Unterschleißheim viel Beistand erfährt, aber ausgerechnet dort immer wieder vor dem Aus steht. Es fand sich zwar stets eine Lösung, als die alte Spielstätte wegbrach. Auch ein Stammpublikum hat man sich erspielt und viele Unterstützer gefunden, die mit ihrem Förderverein zum wiederholten Male einen Hilferuf starten. Dennoch schätzt Bille die aktuelle Lage sogar schlimmer ein als im Jahr 2012, als zeitweise gar nicht klar war, wo das Theater unterkommen sollte. Zwar sei ihm das Sehbehindertenzentrum schon bei der Miete entgegengekommen, sagt er. Doch 800 Euro seien für das Theater immer noch "unfassbar" viel. Die Einnahmen ließen sich nicht steigern. Acht Euro koste eine Karte. Auch wenn es ihm von vielen Seiten geraten wird - höhere Eintrittspreise will Bille nicht verlangen, weil er fürchtet, dass das Publikum dann ausbleibt. "Wenn ich erhöhe, habe ich irgendwann keine Kundschaft mehr", sagt Bille, der betont, dass seine Familie mit Frau und zwei Kindern am Theater hängt.

Unterschleißheim: ÖDP-Stadtrat Bernd Knatz würde dem Theater gerne zu einer städtischen Spielstätte verhelfen.

ÖDP-Stadtrat Bernd Knatz würde dem Theater gerne zu einer städtischen Spielstätte verhelfen.

(Foto: Claus Schunk)

Eine Stütze war und ist die Stadt. Diese gewährt Zuschüsse. Doch Bernd Knatz, Ehemann der Vorsitzenden des Fördervereins, will mehr. Er hat als ÖDP-Stadtrat im Oktober 2021 den Antrag gestellt, eine Trägerschaft des Theaters durch die Stadt anzupeilen, um eine finanzielle Absicherung in Form eines jährlichen Defizitausgleichs zu leisten. Als langfristiges Ziel solle der Stadtrat eine Absichtserklärung beschließen, dem Marionettentheater eine eigene, städtische Spielstätte mit Nebenräumen zur Verfügung zu stellen. Bisher ist da nichts vorangegangen. Bille sagt, es gebe eine Anfrage an die Stadt, die Zuschüsse zu erhöhen. Aber er ist angesichts der angespannten städtischen Finanzen skeptisch.

Den Krieg und die Flucht aus der DDR hat das Familientheater überstanden

Der Betrieb am Theater geht vorerst weiter. Bis Ende des Jahres sind die Aufführungen im Maria-Magdalena-Haus terminiert. Das Programm für die alte und neue Spielstätte im Sehbehindertenzentrum steht, wo es am 7. Januar mit "Schneewittchen und die sieben Zwerge" losgehen soll. Die Puppenspieler arbeiten zudem an einer Inszenierung der Zauberflöte. Diese Mozartoper sei als romantisches Märchen wie geschaffen für das Marionettentheater, schwärmt Fördervereinsvorsitzende Brigitte Knatz. Das Theater sei "zu einer geschätzten und beliebten Institution im Unterschleißheimer Kulturleben geworden".

Knatz hofft, dass sich jemand meldet, der Räume von 150 bis zu 200 Quadratmeter zur Verfügung stellen kann oder weiß, wo solche zu finden sind. Diese müssten eine Raumhöhe von mindestens 3,50 Metern haben, dazu Toiletten und einen Platz für die Garderobe und einen Kiosk. Lagerflächen und eine Werkstatt wären wünschenswert. Und: Die Auflagen für den Brandschutz müssen erfüllt werden können. Kein zu unterschätzender Punkt, wie die Familie Bille in Unterschleißheim mehrmals erfahren hat.

Bisher hat sie seit 1794 alle Widrigkeiten überstanden, zuletzt auch den Zweiten Weltkrieg und schwere Zeiten in der DDR, wo die Puppenspieler politischen Druck erlebten und mit Berufsverbot belegt wurden. Die Familie ging über die damals noch offene Grenze in den Westen und fing 1961 von vorne an, weil man den Fundus in der DDR zurückgelassen hatte. Nach einer Station in Stuttgart etablierte das Wandertheater eine feste Bühne in München, die Florian Bille 2009 vom Großvater übernahm. Seit 2012 kämpft er mit seiner Frau Wlada darum, mit den Puppen endgültig sesshaft zu werden.

Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Marionettentheaters Bille unter https://www.marionettentheater-ush.de/.

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